Der 19-jährige Oliver Bearman ist aktuell die größte Hoffnung im Nachwuchs-Kader von Ferrari. Jetzt steht endgültig fest, dass er einen Formel-1-Vertrag in der Tasche hat. Am Donnerstag vor Silverstone bestätigt Haas die Verpflichtung des Briten ab 2025. Sogar mit einem mehrjährigem Vertrag.

Überrascht ist davon niemand. Der sehr junge, sehr talentierte Bearman fuhr 2021 die italienische F4 praktisch in Grund und Boden und wurde im Schnellverfahren von der Ferrari Driver Academy durch die Nachwuchsklassen bugsiert. 2022 wurde er im ersten Anlauf Gesamt-Dritter in der Formel 3.

In seiner Debüt-Saison in der Formel 2 gewann er im Vorjahr schon drei Hauptrennen und holte drei Poles, doch für eine Titel-Challenge fehlte die Konstanz. Sein Glanzstück unter den Bewerbungsschreiben lieferte er allerdings dieses Jahr in Saudi-Arabien-GP ab, als er kurzfristig das Ferrari-F1-Cockpit des erkrankten Carlos Sainz füllen musste.

Mit nur einem Training Vorbereitung qualifizierte sich Bearman auf Platz 11 und fuhr im Rennen Platz sieben ein. Diese Leistung überstrahlt nach wie vor seine desaströse zweite F2-Saison, in der er mit nur 28 Punkten auf dem 14. Platz liegt. Wenngleich seine Pace und sein Renn-Management immer wieder aufblitzen. Zuletzt sorgte er mit einem Sieg im Sprintrennen von Österreich erst einmal für Ruhe.

Oliver Bearman bei Haas: Viel mehr als nur F2- und F1-Ergebnisse

Für Haas zählt aber nicht bloß die Ergebnisliste. Seit letztem Herbst hat Bearman für die Mannschaft bereits vier Freie Trainings absolviert. In Silverstone ist er in FP1 wieder mit dabei, und auch in Ungarn, Mexiko und Abu Dhabi darf er noch einmal ran. In der Team-Spitze ist man begeistert, von seinen Fähigkeiten, wie ein erfahrener Pilot aus dem Cockpit Feedback zu geben, immer den Überblick zu behalten. Trotz der fehlenden Erfahrungen scheint Bearman nichts zu überfordern.

Haas-Teamchef Ayao Komatsu im Gespräch mit Oliver Bearman in der Garage
Bearman fuhr bereits Trainings für Haas, Foto: LAT Images

Das untermauerte er mit seinem Saudi-Arabien-GP nur erneut. "Unter der Anleitung von Ferrari hat er sich zu einem unglaublich reifen Fahrer entwickelt", sagt Haas-Teamchef Ayao Komatsu. "Wir freuen uns darauf, ihn als Fahrer weiter zu entwickeln und von seinen Talenten im Auto und außerhalb davon zu profitieren.

"Das sind aufregende Zeiten für unser Team", sagt Teambesitzer Gene Haas. "Olivers Verpflichtung zeigt, dass wir weiter in Talent investieren, auf und abseits der Strecke, während wir weiter auf dem höchsten Niveau kämpfen."

Mehrjähriger Bearman-Deal: Nährt Haas den Hamilton-Nachfolger?

Die Umstände sind für Haas, Ferrari und Bearman eigentlich perfekt. Haas erhält vom Motorenpartner Ferrari ein junges Talent mit Potenzial. Da ab 2025 die Cockpits des Werksteams von Charles Leclerc und Lewis Hamilton mit mehrjährigen Verträgen belegt sind, ermöglicht das auch ein mehrjähriges Bearman-Haas-Arrangement. Genau so etwas wollen die Hinterfeld-Kundenteams. Niemand will permanent für ein Jahr Rookie-Parkplatz sein.

So aber erhält Haas Bearman langfristig - und verrichtet im Gegenzug Aufbau-Arbeit für die Zukunft. Denn zumindest beim 39-jährigen Hamilton ist ein Karriereende mittelfristig absehbar. Kann sich Bearman bei Haas beweisen, so kann Ferrari ihn in ein paar Jahren direkt aus der Aufbauphase in das alte Hamilton-Cockpit hochziehen.

Jetzt ein Veteran im zweiten Haas-Cockpit? Wie es am Fahrermarkt weitergeht

Das verbleibende Risiko ist, dass besonders in der modernen Formel 1 mit ihrer Test-Armut jeder Rookie ein Risiko mit sich bringt. Unter dem Ex-Teamchef Günther Steiner wagte Haas 2020 einst einen Schritt zu einem Rookie-Doppel mit Mick Schumacher (einst ebenfalls Ferrari-Junior) und Nikita Mazepin. Die Zufriedenheit damit hielt sich in Grenzen. Junge Fahrer machen mehr Fehler, und im engen Mittelfeld, wo jeder Punkt Gold ist, kann das Millionen an Preisgeld kosten.

2023 schwenkte Haas mit Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen daher auf die Veteranen-Schiene. Steiners Nachfolger Ayao Komatsu blieb beim Thema Fahrer-Besetzung vage, doch mit Bearmans Verpflichtung scheint die Wahrscheinlichkeit eines etablierten Piloten im zweiten Auto zu steigen.

Carlos Sainz frustriert: Vertraue niemandem in der Formel 1! (09:48 Min.)

Seit Wochen schwirrt der Name Esteban Ocon durch das Fahrerlager. Der bei Alpine an die Luft gesetzte Franzose wartet jedoch, wie sich die offenen Alternativen durch die ausstehende Entscheidung von Carlos Sainz zwischen Audi-Sauber, Alpine und Williams entwickeln werden. Haas könnte auch mit Kevin Magnussen weitermachen. Wenngleich der in den letzten Wochen ganz offen darüber sprach, dass er kein Problem damit habe, das Kapitel Formel 1 abzuschließen.

Für Bearman wäre ein etablierter Veteran auch eine gute Messlatte. So oder so überwiegt bei ihm erst einmal die Freude, es geschafft zu haben. Er darf sich F1-Fahrer nennen. "Einer der sehr wenigen Leute zu sein, die das machen dürfen von dem sie als Kind geträumt haben, ist etwas wirklich Unglaubliches. Danke an Gene, Ayao und an alle bei Haas, danke dass ihr an mich geglaubt hat und mir vertraut, euer Team zu repräsentieren. Ich habe die Zusammenarbeit seit unserem ersten Treffen in Mexiko genossen, und ich kann es kaum erwarten, diesen Moment und hoffentlich viele mehr in der Zukunft zu genießen."