Dass Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg Haas verlassen würden, stand bereits fest. Seit heute ist nach Oliver Bearman nun auch der zweite neue Haas-Pilot für 2025 klar: Esteban Ocon kommt von Alpine. "Er hat eine gute Erfolgsbilanz, hat so viele Punkte gesammelt, ist ein Rennsieger und hat bereits so viel in diesem Sport erreicht", begründet Haas-Teamchef Ayao Komatsu die Wahl für den Franzosen.

Besonders Ocons gemeinsame Zeit mit Fernando Alonso bei Alpine 2021 und 2022 blieb Komatsu dabei positiv im Gedächtnis: "Das war ziemlich beeindruckend." In beiden Jahren zog sich Ocon im Duell mit dem Altmeister achtbar aus der Affäre und beendete die Saison 2022 sogar vor Alonso in der WM.

Besonders die Konstanz war Komatsu bei der Fahrer-Auswahl wichtig. Diesen Aspekt erklärte der Mann aus Tokio vergangene Woche zu einem der Hauptargumente für den Abschied Magnussens. Gerade aufgrund der Paarung mit Rookie Bearman sei dies bedeutsam. "Mit Ollie haben wir ein aufregendes junges Talent, das sich entwickeln will, was großartig ist. Das ist genau, was das Team wollte, aber gleichzeitig brauchen wir jemanden, der aktuelle Formel-1-Erfahrung hat, um eine Basis zu liefern."

Auch das Alter spielte dabei für Komatsu eine Rolle bei der Fahrer-Wahl zugunsten Ocons und gegen Magnussen. "Er ist erst 27, hat immer noch viel zu beweisen", so der Japaner. Ocon ist rund vier Jahre jünger als Magnussen. "Und dann hat er in meinen Augen wirklich einen beeindruckenden Einsatz und beeindruckende Arbeitsethik." Komatsu kennt Ocon bereits seit mehr als zehn Jahren, wenngleich tiefgreifender Kontakt seit Ocons Tagen als Mercedes-Junior abgerissen sei.

Ocon sammelte 2014 erste F1-Kilometer im Lotus und traf dabei auf Ayao Komatsu, Foto: Sutton
Ocon sammelte 2014 erste F1-Kilometer im Lotus und traf dabei auf Ayao Komatsu, Foto: Sutton

Doch wie kam die Verpflichtung überhaupt zustande? Komatsu zufolge fanden die ersten ernsthaften Gespräche zwischen ihm und Ocon nach dem Miami-GP Anfang Mai statt. "Ich habe ihn getroffen und ihm das Projekt erklärt, wo wir stehen, was wir versuchen zu erreichen", erklärt Komatsu den Anheuerungsprozess Ocons. "Ich habe nicht versucht ihn zu überzeugen. Ich habe ihm einfach gesagt, wie es ist. Und dann ist er komplett an Bord gekommen, um ehrlich zu sein mehr als ich erwartet hatte."

Genau diese überzeugte Reaktion Ocons auf die Pläne des Haas-Teamchefs untermauerten Komatsus Zukunftsüberlegungen zusätzlich. "Es bedeutet mir ziemlich viel, dass wir einen erfahrenen Fahrer mit einer guten Erfolgsbilanz haben, der immer noch jung ist und etwas zu beweisen hat, der komplett zu 100 Prozent an das Projekt glaubt", so Komatsu.

Einen kleinen Dämpfer erhielten die Gespräche Ende Mai, als Ocon beim Monaco-GP Teamkollege Pierre Gasly abräumte. Ocon hatte sich bereits in der Vergangenheit den Ruf als schwieriger Teamkollege erarbeitet. Bei Force India/Racing Point kollidierte er mehrfach mit Sergio Perez, bei Alpine gab es Zoff mit Fernando Alonso. Nach der Kollision mit Gasly in diesem Jahr wurde nicht einmal zwei Wochen später die Trennung von Alpine und Ocon bekanntgegeben.

Alpine-Fahrer Esteban Ocon im Paddock
Ocon gilt als kein einfacher Teamkollege, Foto: LAT Images

"Natürlich mussten wir das in Betracht ziehen. Es ist nicht so, als wäre es unbemerkt geblieben", gibt auch Komatsu einen Einfluss der Monaco-Kollision auf die Haas-Entscheidung zu. "Es war natürlich ein ziemlich heftiger Zwischenfall, also hatte ich eine Unterhaltung mit ihm. Aber dann habe ich dennoch diese Entscheidung getroffen und bin zufrieden damit."

Für Komatsu sind teaminterne Konflikte nichts Neues. In seinen verschiedenen Rollen bei Haas konnte er aus nächster Nähe etwa die Reibereien zwischen Romain Grosjean und Kevin Magnussen, oder auch zwischen Mick Schumacher und Nikita Mazepin beobachten. Größeres Konfliktpotenzial zwischen Ocon und Bearman im nächsten Jahr befürchtet Komatsu aber nicht: "Wenn ich besorgt wäre, hätte ich diese Kombination nicht gewählt. Denn es ist meine Verantwortung, dass wir zwei Fahrer haben, die im besten Interesse des Teams arbeiten. Ich habe keine Zweifel, dass sowohl Esteban als auch Oliver das liefern werden."

"Solange wir es auf die korrekte Weise angehen, sehe ich keine Probleme", ist Komatsu überzeugt. "Ich stelle sicher, dass wir ein Umfeld zur Verfügung stellen, in dem die Fahrer als Team zusammenarbeiten." Als Ankerpunkt für dieses Umfeld nennt Komatsu das Thema Vertrauen, was ihm zufolge vor allem durch Transparenz zustande käme.

Nachdem die Bedenken Komatsus für die teaminterne Zusammenarbeit bereinigt waren sei ein weiteres wichtiges Argument Ocons Wille gewesen, einen mehrjährigen Vertrag zu unterzeichnen. Dabei entschied sich der einmalige GP-Sieger für Haas, obwohl auf dem volatilen Formel-1-Fahrermarkt auch noch zahlreiche weitere Cockpits offen sind, für die Ocon potenziell in Frage gekommen wäre. "Ich bin ziemlich dankbar dafür. Er hat sich entschieden hierherzukommen, anstatt zu ein paar anderen Teams, die größer sind als wir", rechnet auch Komatsu das seinem neuen Piloten an.

Zugleich gibt Komatu auch zu, dass dies mit der Haas-Form des vergangenen Jahres wohl nicht so gewesen wäre. "Zu 100 Prozent", so die klare Aussage des Mannes aus Tokio. Die vergangene Saison beendete das US-amerikanische Team auf dem letzten Platz der Konstrukteurs-WM, wobei wie bereits in vielen Jahren zuvor die Entwicklung während der Saison zu wünschen übrig ließ. Im Jahr 2024 rangiert Haas in dieser Wertung auf P7 - mit bereits mehr als doppelten so vielen Punkten wie im Vorjahr. Auch im Entwicklungsrennen wirkt Haas in diesem Jahr konkurrenzfähiger.

Dieser Performance-Aufschwung sorgte laut Komatsu auch für Interesse von mehreren Piloten neben Ocon und Magnussen. "Wir hatten das Etikett, dass Haas nie in der Lage war, das Auto während der Saison zu entwickeln: Wir starten vielleicht eine Saison gut, aber gehen nur rückwärts. Aber dank dem Einsatz unserer Jungs haben wir durch die Updates in Shanghai, Miami und Imola zumindest unsere Position gehalten und dabei die Lücke zu weiteren Teams weiter geschlossen", lobt Komatsu seine Mannschaft.

Haas-Fahrer Nico Hülkenberg
Haas präsentierte sich 2024 im Vergleich zum Vorjahr stark verbessert, Foto: LAT Images

"Wir haben uns vielleicht nicht so sehr verbessert wie McLaren, aber gegen viele andere ging es für uns zumindest nicht rückwärts", so der Nachfolger von Günther Steiner weiter. "Es geht also auf und ab bei bestimmten Events, aber generell haben wir bewiesen, dass wir das Auto während der Saison entwickeln können. Dank dieser Jungs waren also andere Fahrer an uns interessiert. Das ist sehr erfreulich."

Auch Esteban Ocon selbst gab unumwunden zu, dass die aufsteigende Performance von Haas in der Formel 1 in diesem Jahr ein Faktor für seine Entscheidung gewesen sei. Was der 146-fache GP-Starter darüber hinaus zu seinem Wechsel zu sagen hatte, erfahrt Ihr in diesem Artikel: