Was seit einigen Wochen als offenes Geheimnis galt, ist seit heute offiziell: Esteban Ocon wechselt für die Formel-1-Saison 2025 von Alpine zu Haas und erhält einen mehrjährigen Vertrag. Das US-amerikanische Team wird mit Rookie Oliver Bearman und Ocon somit im nächsten Jahr mit einer vollkommen neuen Fahrerpaarung an den Start gehen. Doch warum entschied sich Ocon für Haas und wartete nicht etwa noch das erwartete große Stühlerücken in Folge der Zukunftsentscheidung von Carlos Sainz ab?

"Es war für mich eine klare Angelegenheit, diese Entscheidung zu treffen", so Ocon. "Die Gespräche haben schon vor einer langen Zeit begonnen, Mitte der Saison 2023. Zu diesem Zeitpunkt sind die Dinge ins Rollen gekommen. Aber Ayao (Komatsu, Haas-Teamchef; d. Red.) hat mich mit seinen Worten wirklich überzeugt." Komatsu kennt Ocon bereits aus seiner Formel-1-Vergangenheit. Bei seinem ersten Formel-1-Test 2014 mit der Lotus-Mannschaft, war der Japaner als Renningenieur für das heutige Alpine-Team tätig.

Ocon will mit Haas angreifen: Sehr klare Pläne

"Und ich kenne ihn sogar noch länger als das", fährt Ocon fort. "Als wir uns also das erste Mal zusammengesetzt haben, hat er mir seine Pläne für die Zukunft erläutert, die sehr klar waren. Sie haben ein klares Ziel, was immer noch bescheiden ist, ohne anzugeben, was ich auch mag. Aber sie haben einen klaren Plan, wie sie sich von ihrem derzeitigen Standpunkt aus verbessern können, womit sie schon jetzt beginnen, wie man sehen kann."

Nach einer enttäuschenden Saison 2023, die Haas zum erst zweiten Mal in der Teamgeschichte auf dem letzten Rang der Konstrukteurs-WM abschloss, präsentiert sich das Team in diesem Jahr in deutlich verbesserter Form. Mit 27 Punkten rangiert Haas auf dem siebten Platz der Konstrukteurs-WM und konnte bereits nach zwölf Rennwochenenden mehr als doppelt so viele Punkte wie im gesamten Vorjahr sammeln.

Haas-Pilot Nico Hülkenberg vor Fernando Alonso im Aston Martin
Haas durchlebt 2024 eine deutlich erfolgreichere F1-Saison, Foto: LAT Images

"Dieses Jahr haben sie klar ihre Performance und das Auto selbst verbessert", hält auch Ocon anerkennend fest. "Und die Pläne sind mit Blick auf die Zukunft ziemlich groß und ziemlich beeindruckend." An möglicherweise verpasste Chancen, wie beispielsweise das nach wie vor offene zweite Mercedes-Cockpit, will Ocon, der nach wie vor von den Silberpfeilen gemanagt wird, keine Gedanken verschwenden: "Es gab seit 2023 viele Diskussionen mit vielen verschieden Teams. Aber jetzt ist es offiziell, ich kann einen Namen sagen und das wird so bleiben."

Ocon nach sechs Jahren mit Werksteams zurück zu den Anfängen

Für Ocon bedeutet der Schritt zu Haas auch die Rückkehr zu einem kleineren Formel-1-Team wie zu den Anfangszeiten seiner Karriere mit Manor und Force India/Racing Point. Seit 2019 arbeitete Ocon in seiner Rolle als Mercedes-Ersatzfahrer und anschließend bei Renault, beziehungsweise Alpine nur noch mit Werksteams zusammen.

Als Hindernis für zukünftigen Erfolg will Ocon die im Vergleich zur Konkurrenz überschaubare Größe des Haas-Teams aber nicht ansehen - im Gegenteil: "Sie machen im Moment einen unglaublichen Job. Sie haben im Moment ungefähr 300 Teammitglieder, aber erzielen bessere Ergebnisse als Teams mit der doppelten, dreifachen oder vierfachen Größe, was bemerkenswert ist."

Zurück zu den Anfängen: Ocon wechselt wie bei seinem F1-Debüt 2016 mit Manor wieder zu einem der kleinsten Teams, Foto: Sutton
Zurück zu den Anfängen: Ocon wechselt wie bei seinem F1-Debüt 2016 mit Manor wieder zu einem der kleinsten Teams, Foto: Sutton

Ocon kritisiert Alpine: Technische Verbesserungen nicht genügend

Möglicherweise spielt Ocon damit auch auf sein aktuelles Team Alpine an. Das französische Team liegt im Moment mit nur neun Zählern trotz Status als Werksteam hinter Haas. Genau dieser Status steht im Moment zudem zugunsten eines möglichen Mercedes-Kundenmotors auf dem Prüfstand.

"Für mich war die Entscheidung, dass ich eine neue Herausforderung wollte, seit ziemlich langer Zeit klar", berichtet Ocon. Der 146-fache GP-Starter wünsche Alpine für die Zukunft zwar das Beste, hält sich aber mit Kritik angesichts der aktuellen Saison nicht zurück: "Diese Saison war frustrierend, das ist für niemanden ein Geheimnis. Niemand im Team ist zufrieden damit, wo wir stehen, und es gab bei einigen technischen Problemen, die wir schon vor Jahren hatten, nicht genügend Verbesserungen."

Kracht es 2025 zwischen Ocon und Bearman?

Im Hinblick auf seinen Teamkollegen wird Ocon mit Oliver Bearman im nächsten Jahr zum ersten Mal seit seiner eigenen Debüt-Saison in der Formel 1 einen Rookie als Teamkollegen erhalten. In der Vergangenheit erarbeitete sich Ocon allerdings einen Ruf als nicht ganz einfacher Stallgefährte. Zu Zeiten bei Force India/Racing Point kollidierte der 27-Jährige mehrfach mit Teamkollege Sergio Perez. Auch bei Alpine gab es Spannungen mit Fernando Alonso. Zuletzt sorgte im Mai eine Kollision mit Pierre Gasly in Monaco für Aufsehen. Nicht einmal zwei Wochen später gaben beide Parteien die Trennung bekannt.

Alpine-Teamkollegen Pierre Gasly vor Esteban Ocon kurz vor dem Unfall
Esteban Ocon geriet immer wieder mit seinen Teamkollegen aneinander, Foto: LAT Images

Kommt es bei der Paarung mit Bearman auch zu teaminternen Zwist? Ocon hat jedenfalls nur lobende Worte für den Ferrari-Junior übrig, den er laut eigener Aussage am vergangenen Wochenende in Budapest kennenlernte. "Ollie ist ein sehr junges, aufregendes Talent in der Formel 1. Viele Leute sagen, dass er ein zukünftiger Weltmeister ist", so Ocon. "Er wird frisches Blut ins Team bringen, neue Ideen, was auch ich versuchen werde, dem Team hinzuzufügen."

Warum sich Ocon nicht als Mentor für Bearman sieht

Fest steht: 2025 wird Ocon zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere älter als sein Stallkontrahent sein. Als Mentor für Bearman versteht sich Ocon deswegen aber nicht zwangsläufig. "Ich glaube nicht, dass Ollie bei irgendetwas meine Hilfe braucht", meint der einmalige GP-Sieger. "Er hat wahrscheinlich mehr Erfahrung mit dem Team als ich haben werde."

Bearman absolvierte bereits in der vergangenen Saison die beiden verpflichtenden FP1-Rookie-Sessions mit Haas und griff zudem beim Test nach dem Ende der Saison in Abu Dhabi ans Steuer des VF-23. In dieser Saison war der Brite sogar bereits in vier ersten Freien Trainings im Haas-Boliden wiederzufinden, zwei weitere sollen noch folgen. "Ich werde wahrscheinlich ihn sehr viel mehr Dinge fragen müssen als dass ich ihm Ratschläge geben müsste", meint Ocon deshalb.

Zugunsten von Ocon und Bearman muss Kevin Magnussen sein Haas-Cockpit nächstes Jahr im Gegensatz zu Teamkollege Nico Hülkenberg unfreiwillig räumen. Der Rauswurf des Dänen wurde am vergangenen Rennwochenende in Ungarn bekanntgegeben. Die Gründe für diese Entscheidung könnt Ihr hier nachlesen: