Der letzte Konzept-Exot hat wie erwartet aufgegeben. Am 14. Februar präsentiert Mercedes den F1 W15 für die neue Formel-1-Saison, und beendet damit die ersten zwei Jahre von Experimenten, eigenen Wegen und Kompromisslösungen. Wie Ferrari bleibt aber auch Mercedes dabei, Red Bull nicht zu kopieren. Teil der Revolution in Brackley ist auch eine signifikante Änderung der Lackierung.

Am Vormittag, keine zwei Stunden nach der McLaren-Präsentation, wurde der W15 per Pressemitteilung und kurzem Präsentationsvideo offiziell enthüllt. Wie von Mercedes gewohnt wird das Auto heute auch schon auf der Strecke zu sehen sein. Das Team plant die ersten Runden für Lewis Hamilton und George Russell in Silverstone.

Mercedes-Revolution beim Design: Schwarz und Silber!

Ein Design-Wechsel an sich ist für Mercedes in den letzten Jahren nichts Ungewöhnliches. Die ehemaligen Silberpfeile stellten 2020, und dann erneut 2023 auf Schwarz um. 2024 ist insofern ein Bruch, weil der neue W15 nicht mehr einheitlich ist. Silber feiert wieder ein Comeback, aber nur oben auf der Nase und verlaufend zwischen Motorabdeckung und Seitenkasten.

"Wir wussten, dass wir das Mercedes-Silber zurückbringen würden, sobald wir dazu in der Lage sind, um das Schwarz zu ergänzen, das zu einer Säule unserer Teamidentität geworden ist", erklärt Teamchef Toto Wolff. Hatte Mercedes mit dem Schwarz ursprünglich 2020 ein Zeichen für Diversität setzen wollen, brachte man es im Vorjahr aus Performance-Gründen zurück, um Gewicht zu sparen.

Das neue Design lässt so durchblicken, dass der 2024er-Mercedes keine Gewichtsprobleme hat. Aber wohl auch nicht so leicht ist, dass man ihn guten Gewissens komplett versilbern kann. Seitlich ist das Auto schwarz, und nach hinten wird es verlaufend schwarz, ehe hinten silberne Sterne auf der Motorabdeckung prangen. Ein Petronas-blauer Streifen trennt Silber und Schwarz vorne voneinander. Das große Ineos-Logo sorgt weiterhin für eine rote Airbox.

Neues Chassis, neue Aufhängung, keine Red-Bull-Kopie bei Mercedes

Der große technische Umbau bei Mercedes war kein Geheimnis. Nach dem erneut enttäuschenden Saisonauftakt vor einem Jahr in Bahrain verkündete das Team gleich öffentlich, sein Konzept der Mini-Seitenkästen zu beerdigen und ein komplett neues Auto zu entwickeln. Das sieht man dem W15 an. Wenngleich man Red Bull nicht kopiert.

Mit einem neuen Chassis ausgestattet hat der W15 jetzt echte Downwash-Seitenkästen wie inzwischen alle anderen Formel-1-Teams. Im Vorjahr schon hatte das Team damit experimentiert, die Idee jedoch nie richtig umsetzen können. Denn die seitliche Crash-Struktur war für ein anderes Konzept designt worden. Das sorgte etwa beim Lufteinlass für einen Kompromiss.

Ein aufgehelltes Bild des neuen Mercedes F1 W15
Ein aufgehelltes Bild vom Mercedes W15 im Profil, man beachte die Unterlippe des Seitenkasten-Lufteinlasses, Foto: Mercedes AMG F1

Das neue Chassis löst diese Probleme. Jetzt hat der Mercedes einen schmalen hoch angesetzten Lufteinlass und einen echten Undercut, also einen Kanal unterhalb des Seitenkastens. Hier war das alte Design stark limitierend. Auffällig ist aber schon der Lufteinlass selbst: Mercedes hat hier wie viele Teams die Unterlippe verlängert. Anders als die meisten ist sie aber nicht einfach ein horizontales Brett, sondern schwingt sich in einem Bogen nach unten.

Wie schon das Kompromiss-Design des Vorjahres hat die Downwash-Rampe eine Mulde, die aber nicht so extrem ist wie bei Alpine oder Aston Martin. Die Form der Motorabdeckung, die im Vorjahr eine extreme Stufe aufgewiesen hatte, wurde verändert.

Das alles schickt den Luftstrom am Heck zur neuen Aufhängung. Wie schon beim Launch von Kunde Aston Martin zu erspähen war, hat Mercedes auch ein neues Getriebegehäuse und eine neue Hinterradaufhängung entwickelt. Man wechselt zu Pushrods, und macht damit Ferrari zum letzten Pullrod-Mohikaner am Heck.

Präsentation Mercedes-AMG F1 W15
Der Mercedes W15 von vorne, Foto: Mercedes

An der Vorderradaufhängung wird allerdings nicht das Konzept geändert. Wie schon im Vorjahr bleibt es hier bei Pushrods. Red Bull geht hier den Pullrod-Weg. Neu ist vorne dafür die Nase. Wie fast alle Teams macht Mercedes diese jetzt am zweiten Frontflügelelement fest. Das erste hängt frei. Auch der Heckflügel wird freier, wie viele andere Teams trennt Mercedes die Verbindung zwischen Endplatte und oberem Heckflügel-Element komplett.

Mercedes hofft auf gutmütigeren W15

"Ein großer Schwerpunkt war die Verbesserung der unberechenbaren Hinterachse des Vorgängers", erklärt Cheftechniker James Allison, der im Frühjahr des Vorjahres das Ruder wieder von Mike Elliot übernommen hatte, nachdem er zwei Jahre in einer übergeordneten Management-Rolle verbracht hatte.

Die Hinterachse war steter Quell von Fahrerkritik, war unberechenbar, Setupfindung war schwierig, das Auto unruhig beim Anbremsen und Einlenken und zu unkooperativ auf dem Weg zum Scheitelpunkt. "Wenn wir das Betriebsfenster des Autos noch mehr erweitern können, wird uns das als Fahrer Vertrauen geben, und von da aus ist es einfacher, Rundenzeit zu finden", hofft George Russell.

Mercedes will außerdem erreichen, dass man die aerodynamische Effizienz in den Griff bekommt, und mehr Abtrieb mit weniger Luftwiderstand erzeugen kann. In der Vergangenheit musste man das Auto zu oft zu hoch legen und geriet dadurch in Probleme, weil der Unterboden dadurch an Effizienz verlor.

Verfahrensarbeit bei Mercedes: Boxenstopps sollen besser werden

Abgesehen vom Auto hat Mercedes auch bei den Prozessen in der Garage Hand angelegt. Die drei bis vier Zehntel langsameren Boxenstopps waren nicht mehr tragbar. Hier will man Fortschritte gemacht haben. Insgesamt ist das Team jedoch vorsichtig, nach so großen Umstellungen mit Kampfansagen anzukommen.

"Ich habe das Gefühl, dass wir erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben", meint Allison. "Einige Aspekte sind unbegrenzt und deshalb kann man nie ganz zufrieden sein. Wir werden es erst wissen, wenn wir das Auto wirklich fahren. Aber ich denke, wir können sagen, dass wir das Gefühl haben, gut gearbeitet zu haben."

"Ich hoffe, dass wir zu Beginn der Saison in der Verfolgergruppe sind und hoffentlich einen Schritt näher an Red Bull herankommen", ist Toto Wolff zurückhaltend. Erst mit der Entwicklung über dem Jahresverlauf wird Mercedes die eigene Leistung besser einschätzen können. Da hofft man jetzt, dass das neue Konzept mehr Potenzial birgt.

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