Die Launch-Saison 2024 war ein Reinfall: Viele Formel-1-Teams zeigten entweder gar kein echtes Auto oder nur Teile davon. Entsprechend sehnsüchtig wurde der 1. Testtag in Bahrain erwartet: Hier gab es kein Täuschen und Tarnen mehr, alle zehn Autos zeigten sich in voller Pracht. So enttäuschend die Präsentationen waren, so aufschlussreich war der erste Testtag: Entgegen der Befürchtung zahlreicher Experten, die Formel 1 würde im dritten Jahr des Ground-Effekt-Reglements zur Einheitsformel werden, gab es tatsächlich spannende Neuerungen - allen voran am Red Bull.
So paranoid die Teams im Vorfeld waren, so offen waren sie beim Testbeginn: Einige Rennställe gewährten in ihren Garagen tiefe Einblicke. Stellwände sind seit einigen Jahren verboten, aber so freizügig sah man die Teams zu Beginn einer Saison selten. Motorsport-Magazin.com hat sich in der Boxengasse umgesehen und fasst die spannendsten Entdeckungen von Testtag 1 zusammen.
Red Bull: Bei Testbeginn um 10:00 Uhr Ortszeit versammelte sich fast die gesamte Formel-1-Journallie vor der Red-Bull-Garage. Die Präsentationsfotos des RB20 waren perfekte Teaser für eine Technik-Sensation. Als Max Verstappen den Boliden zum ersten Mal aus der Garage steuerte, staunte man nicht schlecht über zahlreiche neuartige Lufteinlässe. Nachdem fast das gesamte Feld das Red-Bull-Konzept der Seitenkästen in ihre neuen Fahrzeuge implementierte, überraschte der Dominator von 2023 eher mit Revolution statt Evolution.
So verfügt der RB20 nicht nur über die erwarteten senkrechten Lüftungseinlässe, sondern auch über waagrechte Einlässe. Die allerdings sind nur schwer zu erkennen, weil sie sich unter der Oberlippe befinden.
Dazu gibt es auch noch Lufteinlässe über dem Headrest zwischen Halo-Bügel und Airbox. Etwas weiter dahinter wird die Luft offenbar über Kiemen in der Wulst wieder ausgeblasen. Adrian Newey hat aus einer größeren Öffnung am Seitenkasten insgesamt drei kleine gezaubert. Das Kühler-Arrangement muss ein Kunstwerk sein. Dagegen mutete die neue Mulde zwischen Motor und Seitenkastenrand fast schon normal an.
McLaren: Ein Kunstwerk ist das Kühler-Arrangement auch zweifellos am McLaren. Das Team, das bei der Präsentation des MCL38 noch mit Photoshop schwärzte, präsentierte sich beim Testauftakt besonders freizügig. Motorsport-Magazin.com bekam freien Blick auf Kühler, Motor-Installation und die Pushrod-Hinterachse.
Interessanter war aber die Front. Dass neben Red Bull auch der McLaren eine Oberlippe am Seitenkasten haben würde, war absehbar, wie genau die Oberlippe aussieht hingegen nicht. Vor dem eigentlichen Seitenkasten wächst aus dem Chassis ein Leitblech, auf dem die Spiegel angebracht sind. Eine ähnliche Konstruktion sah man in den letzten Jahren in Ermangelung an Seitenkästen bei Mercedes. Dort musste aber auch die obere Crash-Struktur integriert werden - die sitzt bei Mclaren weiter hinten im Seitenkasten.
Mercedes: Mercedes präsentierte den F1 W15 relativ fair. Dass die zunächst verschickten Renderings auf einer älteren Entwicklungsstufe basierten, gab Mercedes offen zu. Später gab es außerdem noch Bilder vom Shakedown - vom echten Auto. Dort konnte man schon eine interessante Innovation am Frontflügel sehen: Das hinterste der vier Elemente ist zwischen Frontflügel-Versteller und Nase extrem dünn. Bedenken über die Legalität der Lösung gibt laut Teamchef Toto Wolff nicht, die Konstruktion wurde im Vorfeld mit der FIA besprochen. Beim Testauftakt konnte das Teil aus allen Winkeln und aus nächster Nähe begutachtet werden.
Racing Bulls: Die Renderings des VCARB 01 waren nur für die neue Lackierung gut, Bilder vom Filmtag gab es nicht. Der ein oder andere vermutete aufgrund der spärlichen Informationslage eine 1:1 Kopie des Red Bull RB20. Das hätte für einen mittleren Skandal in der Formel 1 gesorgt. Doch die Sorgen waren unbegründet, die Racing Bulls stellten ein sichtlich eigenständiges Auto auf die Beine.
Ähnlichkeiten zum RB19 sind aber natürlich zu erkennen und zu erklären: Beim grundlegenden Konzept sind inzwischen alle Teams außer Red Bull und McLaren auf dieser Linie. Dazu kaufen die Racing Bulls Vorder- und Hinterachse vom RB19. Entsprechend sollten sich die Diskussionen rund um die Allianz zwischen Bruder- und Schwesterteam zumindest kurzfristig beruhigen.
Williams: Vom FW46 gab es vor dem Test noch nicht einmal ein sinnloses Rendering, Williams präsentierte die neue Lackierung am alten Auto. Die erste Ausfahrt wurde deshalb mit großer Spannung erwartet. Das Aerodynamik-Konzept fällt wie erwartet aus, die große Überraschung wartet an der Hinterachse.
Teamchef James Vowles hatte zuvor schon ein Staatsgeheimnis aus der Hinterachse gemacht, die man von Mercedes bezieht, nun ist auch klar, warum: Williams fährt mit den alten Mercedes-Teilen. Das Getriebegehäuse samt Hinterradaufhängung stammt aus der Saison 2023. Die Racing Bulls nutzen ebenfalls die letztjährige Version von Red Bull, wo soll nun das Problem sein?
Mercedes wechselte über den Winter an der Hinterachse von Pull- auf Pushrods. Aston Martin, ebenfalls Mercedes-Kunde, fährt mit der 2024er Version. Williams spart sich dadurch etwas Geld im Budget Cap, doch fraglich ist, ob die Entscheidung ganz freiwillig war.
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