Die Formel-1-Saison 2024 hat noch nicht begonnen, da geht es politisch bereits rund: Der Gegenwind für Red Bull und AlphaTauri wird immer stärker. Abgezeichnet hatte sich der Konflikt schon Ende 2023, seither haben sich die Fronten weiter verhärtet. Es geht um die Beziehung zwischen Red Bull Racing und dem Schwesterteam AlphaTauri.
AlphaTauri, das eigentlich im italienischen Faenza sitzt, befindet sich im Umbruch. Franz Tost führte den Rennstall seit der Übernahme des ehemaligen Minardi-Teams durch Red Bull im Jahr 2006. Mit der Saison 2023 endete diese Ära. Doch in Faenza änderte sich in den vergangenen Monaten mehr als nur der Teamchef.
Laurent Mekies trat erst im Januar seinen Dienst bei AlphaTauri an, der Franzose wurde von Ferrari noch nicht sofort freigegeben. Dafür ist der neue CEO Peter Bayer bereits seit einigen Monaten im Amt. Seine Aufgabe ist es vor allem, Synergien mit Red Bull zu nutzen. Und genau hier liegt das Problem.
Nach dem katastrophalen Saisonstart 2023 war den Red-Bull-Bossen um Oliver Mintzlaff klar, dass es so nicht weitergehen könne. Während das eine Team Rennen um Rennen gewinnt, kämpft sich das Schwesterteam am Ende des Feldes ab. Dabei erlaubt das Formel-1-Reglement sogar in beschränktem Ausmaß, Synergien zu nutzen. Doch bei AlphaTauri glaubte man, gewisse Dinge besser zu können als Red Bull. Es war wie so oft eine fatale Fehleinschätzung der stolzen Ingenieure.
Von heute auf morgen wurde das Team umgekrempelt. Schlagartig wurde die Performance besser. 20 der insgesamt 25 Punkte holte AlphaTauri in den letzten fünf Rennen. In den 17 Rennen zuvor hatte man nur fünf Zähler gesammelt. Den großen Sprung brachte die neue Hinterachse, die man ab dem Singapur GP vom Red Bull RB19 bekam. Zuvor war AlphaTauri noch mit dem Vorjahresmodel unterwegs.
AlphaTauri auf dem Weg zu Topteam?
AlphaTauri zog so in der Konstrukteurswertung noch an Haas und Alfa Romeo vorbei. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass die Konkurrenz das Treiben in Faenza mit Argusaugen betrachtet. Zumal Red-Bull-Teamchef Christian Horner seine Macht auch auf das Schwesterteam ausweitete. Die Installierung von Daniel Ricciardo bei AlphaTauri war ein Teil davon.
Dazu kommt, dass AlphaTauri weiter investiert. Schon seit jeher entwickelt der Rennstall seine Aerodynamik im englischen Bicester. Jetzt ist man der Anlage entwachsen und zieht auf den Campus in Milton Keynes. Nach der hochkarätigen Verstärkung in der Führungsriege des Teams meldet Radio Fahrerlager spektakuläre Verstärkungen auf technischer und sportlicher Seite. Alan Permane (bei Alpine gefeuert) und Tim Goss (zuvor bei der FIA) gelten als Kandidaten.
Dass Guillaume Rocquelin, Leiter der Fahrerakademie bei Red Bull Racing, beim Test nach dem Abu Dhabi GP einen Tag im Red-Bull-Shirt und einen Tag im AlphaTauri-Shirt zwischen den beiden Garagen hin und her wanderte, gefielt der Konkurrenz ebenfalls nicht.
"Wir haben bei AlphaTauri nichts gesehen, was uns beunruhigen würde", stellt FIA-Formel-1-Chef Nikolas Tombazis klar. Einerseits sah der ehemalige Ferrari-Mann unterschiedliche aerodynamische Konzepte an RB19 und AT04. Andererseits überwacht die FIA das Treiben der Teams ganz genau - vor allem bei Kollaborationen. Auffälligkeiten gab es dabei nicht.
Trotzdem geht vielen Konkurrenten das Treiben zwischen Red Bull und AlphaTauri inzwischen zu weit. Besonders offen spricht McLaren-Boss Zak Brown die Problematik an: "Die Regeln sind klar, aber ich denke, dass die Regeln überdacht und schnellsten geändert werden sollten."
Formel-1-Regeln nicht mehr zeitgemäß?
"Ich denke, der Besitz eines A- und B-Teams ist nicht mehr zeitgemäß, denn die Grundlagen, weshalb die Regeln so gemacht wurden, sind nicht mehr gegeben", erklärt Brown. "Das war, bevor es die Budgetobergrenze gab und es große Ungleichheiten zwischen Budgets wie bei uns, Mercedes und den Force Indias dieser Welt gab. Die Regeln waren dazu gedacht, kleineren Teams zu helfen. Durch die Budgetobergrenze ist der Sport finanziell viel fairer."
Browns Angst bezieht sich dabei nicht nur auf AlphaTauri: "Ich glaube nicht, dass es nur dem B-Team hilft. Ich glaube, es hilft auch dem A-Team." Im Fahrerlager geistern bereits Gerüchte herum, die besagen, dass die Shoppingtouren in Zukunft auch andersrum laufen könnten. Um Windkanalzeit einzusparen, könnten Entwicklungen bestimmter Komponenten auf ein Kunden- oder B-Team ausgelagert werden. Anschließend könnten die Komponenten vom großen Team eingekauft werden.
"Meines Wissens nach ist das in keinem anderen großen Sport erlaubt. Man stelle sich vor, dass ein A- und ein B-Team am letzten Spieltag der Premier League gegeneinander spielen und das B-Team absteigt, wenn es verliert. Das ist keine Position, in der man als Sport sein will", so Brown. "Die Regeln sollten schnell überdacht werden."
Brown steht mit seiner Meinung nicht alleine da, nicht alle Kollegen werden aber so deutlich wie der US-Amerikaner. "Es ist eine komische Situation, dass zwei Teams dem gleichen Unternehmen gehören", meint Ferrari-Teamchef Fred Vasseur. Der Franzose hält sich aber mit Forderungen - zumindest öffentlich - zurück.
Kundenteams dürfen nicht zu erfolgreich werden
Dass Red Bull mit dem Besitz zweier Formel-1-Teams am Pranger steht, ist nicht gänzlich neu. Schon als Dietrich Mateschitz Minardi kaufte, gab es Gegner. Der Österreicher musste damals einigen Konkurrenten versichern, Toro Rosso nicht strategisch für Red Bull einzusetzen. Als Toro Rosso 2008 'zu' stark wurde und mit Sebastian Vettel sogar einen Grand Prix gewann, wurden die Regeln geändert.
Von nun an war klar definiert, welche Teile ein Team selbst entwickeln und fertigen muss, um als Konstrukteur zu gelten. Die sogenannten 'Listed Parts' waren geboren. Toro Rosso musste sich deshalb komplett neu erfinden, Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten schaffen. Über die Jahre wurden die Regeln wieder aufgeweicht, um kleineren Rennställen eine solide Überlebensbasis zu garantieren.
Haas trieb das Kunden-Modell bei seinem Einstieg 2016 auf die Spitze. Sobald die US-Amerikaner gut abschnitten, gab es wieder Kritik am Modell. Entweder wurde die enge Verbindung zu Ferrari in Frage gestellt oder die Regeln. Der neue Staatsfeind lautet nun Red Bull.
Allerdings werden in diesem Fall zwei Probleme in einen Topf geworfen. Bei Haas ging es niemals um Besitzverhältnisse. Brown hat recht damit, dass es in den meisten Sportarten Sicherheitsmechanismen gibt, die verhindern, dass ein Unternehmen mehrere eigentlich konkurrierende Sportvereine besitzt. Trotzdem gibt es auch Gegenbeispiele.
Auch EU-Recht könnte zum Problem werden. Aber die Formel 1 ist nur schwer mit anderen Sportarten vergleichbar. Als die Formel 1 in der Krise und um jeden Rennstall froh war, der ohne große Geldsorgen an Rennen teilnehmen konnte, beschwerte sich auch niemand über die beiden Bullen-Teams. Während sich Red Bull Racing selbst trägt, ist AlphaTauri ein Millionengrab. Dietrich Mateschitz investierte unzählige Millionen in den Rennstall. Dankbarkeit braucht man in der Formel 1 aber nicht erwarten.
Lösung 2026: Jedes Formel-1-Team mit eigenem Getriebe?
Eine schnelle Lösung, wie von Zak Brown gefordert, wird es wohl nicht geben. Für 2026 beschäftigt sich die FIA aber durchaus mit der Thematik. Derzeit wird vor allem darüber diskutiert, das Getriebegehäuse von der Liste erlaubter Zukaufteile zu streichen. Dadurch müsste auch jeder Rennstall automatisch seine eigene Hinterachse bauen.
Andere Teams bereiten sich schon freiwillig auf diesen Schritt vor. Aston Martin kündigte bereits an, in Zukunft ein eigenes Getriebe zu bauen. Derzeit kauf die Mannschaft von Mike Krack noch bei Mercedes ein. Als Honda-Werksteam muss sich Aston Martin aber ohnehin emanzipieren. Während auch Williams derzeit noch Motor samt Getriebe bei Mercedes kauft, entwickelt McLaren das Getriebegehäuse schon selbst.
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