Minardi, Toro Rosso, AlphaTauri - wie der Rennstall 2024 heißen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Fest steht lediglich, dass im nächsten Jahr einiges anders wird in Faenza. Seit Red Bull 2006 den Minardi-Rennstall übernommen hat, leitet Franz Tost die Geschicke. Diese Saison ging eine Ära zu Ende, 2024 wird eine Tost-lose Veranstaltung.

Die Fußstapfen, die Tost hinlässt, sind groß. Mit Laurent Mekies und Peter Bayer gibt es eine Doppelspitze. Mekies, der die Rolle des Teamchefs übernimmt, kommt von Ferrari. Der bisherige Renndirektor der Scuderia kehrt nach Faenza zurück. Die längste Zeit seiner Formel-1-Karriere verbrachte Mekies bei Minardi und Toro Rosso.

Zwischen Abgang und Rückkehr lagen vier Jahre FIA und fünf Jahre Ferrari. Bei der FIA traf er auf Peter Bayer. Der Österreicher war unter Jean Todt Generalsekretär. Während Mekies das Tagesgeschäft in Faenza leiten wird, ist Bayer als Geschäftsführer für die strategische Ausrichtung des Rennstalls zuständig. Mekies wurde erst kürzlich von Ferrari freigestellt und muss noch auf seinen Dienstantritt warten, Bayer ist seit Juni in Amt und Würden.

Der Vorarlberger steht vor einem Mammutprojekt. Er soll die Weichen so stellen, dass der Konstrukteurs-achte sportlich besser dasteht und Red Bull gleichzeitig kein Geld mehr kostet. Einerseits soll sich das Team von Red Bull emanzipieren, andererseits die Nähe des großen Bruders suchen. Synergie heißt das Zauberwort für die Quadratur des Kreises.

Für Bayer ist es trotzdem der Traumjob: "Du bekommst hier in der Gruppe Freiheiten als Manager. Und wenn du etwas brauchst, ist die Lösung nur ein Telefonat entfernt." Sein Boss ist der neue starke Mann bei Red Bull: Oliver Mintzlaff. "Du zeigst ihm deinen Businessplan, stellst ihm deine Idee und deine Vision vor. Er sagt dann: Okay, mach es. Du musst keinen Antrag ausfüllen, die Effizienz ist bewundernswert", lobt Bayer.

"Das ist auch der Grund für den Erfolg von Red Bull - und hoffentlich auch die Grundlage für unseren Erfolg." Den Red-Bull-Boss hat Bayer von seiner Vision überzeugt. Jetzt gilt es, das auch mit dem Motorsport-Magazin zu schaffen.

MSM: Sie sind seit zwei Monaten richtig ins Team integriert. Wie sieht Ihre erste Bestandsaufnahme aus? Wissen Sie, warum das Team da steht, wo es steht?
PETER BAYER: Ich glaube, wir haben alles, was es braucht, um in dem Sport erfolgreich zu sein. Es gibt verschiedene Themen, aber ich glaube in erster Linie, warum wir in der Rangliste nicht weiter vorne sind, war der Glaube von einigen Ingenieuren, dass sie Dinge besser können als Red Bull Racing mit Pierre Waché und Adrian Newey.

Damals haben sie es geschafft, sich durchzusetzen. Aber wenn man die Situation heute anschaut, dann baut jedes Team Red Bull nach. Wir sind der kleine Bruder und wir haben geglaubt, wir könnten einen eigenen Weg gehen. Das war falsch und deswegen sind wir heute da, wo wir sind.

Peter Bayer, CEO des Formel-1-Teams AlphaTauri im Gespräch mit Motorsport-Magazin-Redakteur Christian Menath
Peter Bayer nahm sich Zeit für ein Interview mit MSM, Foto: Motorsport-Magazin.com

Dann haben wir mit Yuki einen semi-erfahrenen Piloten, der aber immer mehr reift und immer mehr wächst. Nyck war noch relativ frisch und es dauert einfach eine gewisse Zeit, sich an die neuen Autos und an die neuen Prozesse zu gewöhnen. Die Kombination aus technischer Fehlentwicklung und Young-Driver-Programme beißt sich.

Wie sieht Ihre Vision für das Team aus?
Wir wollen uns definitiv von einem B-Team oder Junior-Team wegbewegen. Klar, wir haben einen großen Bruder, der sehr erfolgreich ist und wir sehen uns als Teil der Red-Bull-Familie. Dementsprechend passieren jetzt auch viele Dinge in Vorbereitung auf das nächste Jahr im Hintergrund.

Es geht um die Identität und die 'Brand Identity' des Teams, die aktuell sehr stark mit dem AlphaTauri-Sponsoring verbunden ist - selbst unser Firmenname ist Scuderia AlphaTauri. Da geht es jetzt darum, sich langfristig zu überlegen, wie man das neu positionieren kann, damit wir wieder einen eigenen Teamnamen und eine eigene Team-Identität erhalten. Das ist ein ganz wichtiger Teil für uns, denn das öffnet auch Türen auf der kommerziellen Seite - also wollen wir definitiv auch da ansetzen und versuchen, neue Wege zu gehen.

Wir haben auf dieser Basis sehr vielversprechende Gespräche und hoffen, dass wir das auch baldmöglichst bekannt geben können. Auf der Marketing- und Teamseite sollen die Verbindungen zu Red Bull Racing vertieft werden. Wir holen uns - so weit wie möglich vom FIA-Reglement erlaubt - auch die ganzen Teile von Red Bull Racing.

AlphaTauri-Ersatzfahrer Ayumu Iwasa
AlphaTauri soll umbenannt werden, der neue Name ist immer noch nicht bekannt, Foto: LAT Images

Wir arbeiten schon intensiv am nächstjährigen Auto, um sicherzustellen, dass wir das alles schon maximal ausnutzen. Wir haben einige Teile, die versuchen wir schon dieses Jahr einzusetzen, um den Einsatz 2024 vorzubereiten. Gleichzeitig gibt es auch strategische Annäherungen im kommerziellen Bereich. Red Bull Racing ist ja auf dem Auto quasi ausverkauft.

Sie haben mit dem MK7 ein wahnsinnig tolles Gebäude, in dem dieser Racing-Spirit wirklich gelebt wird. Für einen potenziellen Partner kann das natürlich auch inspirierend sein, wenn man das erlebt. Den Standort Faenza werden wir aber definitiv beibehalten. Die kommerzielle Zusammenarbeit werden wir definitiv intensiv gestalten, das Kern-Unternehmen bleibt in Faenza.

Alles, was Produktion anbelangt, Human Resources, Legal, Facility-Management und IT, das bleibt alles da. In den großen Zügen kann man die strategische Ausrichtung so zusammenfassen: Annäherung, verstärken der Synergien und Effizienzen aber gleichzeitig Eigenständigkeit mit eigener Identität.

Welchen Einfluss hatte der Tod von Dietrich Mateschitz auf die strategische Ausrichtung? Denn es ist ja kein Geheimnis, dass das Team defizitär ist. Ist man in der Post-Mateschitz-Ära dazu gezwungen, das Team finanziell nachhaltiger aufzustellen?
Ich sag mal so: Wenn du als Familienmitglied einen großen Bruder hast, der dir vorlebt, dass man kostenneutral in der Formel 1 mitfahren kann und gleichzeitig 40% der Markenstärke von einer globalen Marke unterstützen kann, dann ist sicherlich der Ansporn und auch die Möglichkeit gegeben, dass man sich neu aufstellt.

Es gab sicherlich, also das war vor meiner Zeit, die Gespräche: Verkaufen wir das Team? Holen wir uns Anteilseigner rein? Wo geht die Reise hin? Ich glaube, die Entscheidung war dann relativ schnell getroffen, dass das Team im 100-prozentigen Eigentum der Red-Bull-Familie bleibt. Aber natürlich hat es intern auch Veränderungen gegeben. Es gibt jetzt insgesamt drei CEO’s für Beverage, Finance und Project & Investment.

Oliver Mintzlaff als unser direkter Ansprechpartner hat großes Interesse an der Formel 1 und hat uns motiviert, diese Eigenständigkeit zu suchen. Klar, mit Eigenständigkeit kommt auch Eigenverantwortung und Eigenverantwortung in diesem Geschäft heißt, dass man auch finanziell auf soliden Beinen stehen muss.

Wir haben gemeinsam einen Business-Plan entwickelt, einen 5-Jahres-Plan. Und natürlich sieht der vor, dass man versucht, die Gelder, die wir vom Headquarter bekommen, zu reduzieren. Ich denke, damit gehen wir den Weg, den jedes andere Formel-1-Team auch geht: Dass man versucht, externe Sponsoren zu finden. Mit diesen hat man dann mehr Möglichkeiten, zu investieren und damit auch kompetitiv nach vorne zu kommen.

Wie sieht es auf Fahrer-Seite aus? Ist es weiterhin Teil des Konzepts, junge Fahrer für Red Bull Racing auszubilden?
Ja, das Young-Drivers-Development ist ein ganz klarer Teil der Philosophie, der bleibt. Es gibt aber jetzt auch die Möglichkeit, dass man sich das Ganze nochmal im Detail anschaut: Wie macht man das momentan? Wie tief gehen wir? Ich finde es interessant, dass, wenn man sich ein bisschen auf dem Markt umschaut, viele unserer Mitstreiter schon im Karting-Bereich anfangen, die Talente zu sichern.

Kimi Antonelli ist vielleicht eines der besten Beispiele, dass Top-Talente auf dem Niveau schon abgefangen werden. Wir haben auch Piloten im Kart-Bereich, die sehr gut werden. Ich glaube, da muss man sich anschauen, braucht es die Pyramide? Momentan sind wir extrem breit aufgestellt und haben in allen Serien eine Vielzahl an Fahrern. Aber die wissen, wie es läuft. Helmut Marko ist da federführend.

Uns hilft das als Team, das einen Neustart machen kann. Wir haben eigentlich die besten Voraussetzungen, denn wir können auf all dem aufbauen, was Franz Tost aufgebaut hat, auf sein Lebenswerk, das ein sehr starkes Fundament ist. Gleichzeitig haben wir die Berater außenherum, die uns unterstützen und Salzburg, die hinter uns stehen und uns bei der globalen Aktivierung etc. helfen. Deswegen auch diese Neupositionierung innerhalb des Marktes, bei der wir uns wieder an die Red Bull Familie annähern werden.

Wer trifft letztendlich die Fahrerentscheidungen bei AlphaTauri?
Die, die ich mitbekommen habe, die wurden intensiv diskutiert mit uns. Da sitzen wirklich alle an einem Tisch. Es gab Gespräche, da war Oliver Mintzlaff involviert, da war Franz Tost natürlich federführend involviert, aber auch Christian Horner war einmal mit am Tisch. Die Entscheidung trifft schlussendlich Helmut Marko.

Und das wird auch so bleiben?
Das wird so bleiben. Die angesprochenen Partner stellen das Eco-System dar. Man kann es am Beispiel Daniel Ricciardo erklären. Als ich angefangen habe, da habe ich schon immer ein bisschen hingeschaut und mir gedacht: Wenn Nyck de Vries es von der Performance her nicht schafft, dann wäre Daniel eine super Lösung für uns.

Warum? Daniel bringt Erfahrung mit, damit hilft er uns bei den ganzen Strecken mit dem Setup. Daniel ist eine echte Referenz für Yuki. Er hat innerhalb von einer Woche wahnsinnig viel neue Energie in das Team gebracht. Unsere Mechaniker haben sich gefreut: Hey, wow, es passiert etwas! Der Wechsel war nicht einfach, aber am Ende des Tages hat er so viel Positives bewirkt.

Ursprünglich hieß es: Nein, Daniel ist Ersatzfahrer bei Red Bull und das bleibt so. Und dann haben wir über einen Monat hinweg eigentlich immer wieder gefragt, wie es läuft. Irgendwann kam Christian Horner zu uns und sagte: Wir machen den Test in Silverstone, vielleicht schauen wir uns ihn mal an. Dann meinte Helmut: Ja, wieso eigentlich nicht?

Im Fahrerlager sieht man Sie auch öfter mit Sabine Kehm, der Managerin von Mick Schumacher, sprechen. Ist Mick Schumacher eine Option für Sie?
Sabine und ich kennen uns seit vielen Jahren aufgrund der Mentorschaft, die ich von Jean Todt genießen durfte. Dadurch kenne ich die Familie. Ich glaube, Mick ist derzeit in einer nicht einfachen Situation, weil diese Entscheidungen sehr schnell getroffen werden.

Jeder Fahrer wird einem gewissen Plan zugeordnet. Mick war zuerst ein Ferrari-Fahrer, jetzt ist er auf dem Papier ein Mercedes-Fahrer. Diese Dynamik muss man sich auch immer vor Augen halten. Wir haben aktuell einen großen Pool an jungen Talenten, die wir beobachten. Liam Lawson ist auch hier, arbeitet mit und versucht, die Prozesse zu verstehen. Ich denke, dass unser Schwerpunkt sicher auf unserem eigenen Talente-Pool liegt, aber wissen tut man es nie in diesem Sport.

Auch abseits der sportlichen Seite: Die Fahrerpaarung Daniel Ricciardo und Mick Schumacher, das wäre doch für jeden potentiellen Titelsponsor ein absoluter Leckerbissen...
Was für uns am Ende wichtig ist, ist der sportliche Erfolg. Genau darum geht es. Man muss versuchen, die perfekte Balance zu finden. Wenn Daniel bei dem Test in Silverstone die Zeiten nicht gefahren wäre, dann wäre er nicht im Auto. Das kann ich heute ganz offen sagen. Ich denke, genau da liegt die Challenge für Mick. Wie kann er beweisen, dass er den Speed hat?

Sie haben für den Rennstall eine Vision, ein Formel-1-Team ist aber schwerfällig wie ein Tanker. Bis sich Änderungen in Performance niederschlagen, dauert es. Wann müssen die Ergebnisse kommen?
Die Erwartungshaltung ist definitiv, dass das nächste Jahr besser wird.

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