Mohammed Ben Sulayem müsste sich das eigentlich alles nicht antun. Seit er Ende 2021 zum FIA-Präsidenten gewählt wurde, geht es rund. Da waren zunächst die Folgen von Abu Dhabi und der WM-Entscheidung zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton. Dann gab es Streit, weil Ben Sulayem nicht so weitermachen wollte wie sein Vorgänger. Unter Jean Todt waren FIA und Liberty Media fast zu einem verschmolzen.

Doch der 61-jährige Emirati wollte die Fronten schnell wieder klären. Das gefiel längst nicht jedem. Als er sich auf Twitter über den Wert des Produkts Formel 1 äußerte, eskalierte die Situation. Liberty Media zeigte dem FIA-Präsidenten in einem bitterbösen Brief seine Grenzen auf. Seine Gegner wühlten im Archiv und wurden fündig: Auf einer uralten Website des damaligen Rallyefahrers fanden sich Aussagen, die nicht ins Bild einer modernen Gesellschaft passen. Garniert wurden die Funde von Sexismus-Anschuldigungen einer ehemaligen FIA-Mitarbeiterin.

Von der Rallyestage bis an die FIA-Spitze

Warum er sich das alles eigentlich nicht antun müsste? Ausgesorgt hat er längst. Geld war nie der Antrieb der FIA-Präsidenten. Bei den meisten war es die Macht. Wer Ben Sulayem gegenübersitzen und ihm zuhören darf, der versteht schnell, dass es ihm um etwas anderes geht: Um die Sache.

Nach seiner aktiven Rallye-Karriere in den 1980er und 1990er Jahren engagierte sich der passionierte Autosammler in seinem heimischen Automobil- und Motorsportverband. 2005 wurde er im Motorsportweltrat Vizepräsident für den Mittleren Osten. 2021 trat er die Nachfolge von Jean Todt als Präsident der FIA an. Er gewann die Wahl gegen Graham Stoker klar. Stoker stand für ein 'Weiter so' bei der FIA, Ben Sulayem trat mit dem ehrlichen Ziel an, etwas ändern zu wollen.

Wie wichtig ihm das Thema Motorsport ist, erleben wir im Interview. Sein Büro im neuen FIA-Motorhome ist groß, aber nicht pompös. Auf dem Schreibtisch liegt eine dunkelblaue Ledermappe. MBS, seine Initialen, sind klein in goldener Schrift eingeprägt. Alles liegt fein säuberlich sortiert auf dem Tisch. Die Gegenstände wirken oft besser sortiert als seine Gedanken. Ben Sulayem ist mit dem Herzen dabei. Oftmals redet er sich so in Rage, dass er von einer Herzensangelegenheit zur nächsten springt. Noch bevor man die erste Frage stellen kann, beginnt er mit einer regelrechten Ansprache.

Mohammed Ben Sulayem im Interview: Ich wurde gewählt, um zu dienen

MOHAMMED BEN SULAYEM: Es ist eine Mission! Ich wurde gewählt, um zu dienen. Ich sage nicht, dass ich ein besserer Präsident bin als mein Vorgänger, aber ich bin anders. Meine Vorgänger kamen nicht aus einem Club. Ich denke deshalb als Mitglied. Nachdem ich Rennfahrer war - ich war 20 Jahre im Rallyesport -, habe ich den Verband übernommen. Deshalb denke ich wie ein Clubmitglied der FIA. Deshalb führe ich die FIA anders. Ich fordere immer eine dynamischere FIA, denn die Natur unseres Sports ist dynamisch. Du kannst nicht diesen ganzen Speed haben und dann das. Die Problemlösung muss schneller gehen. Wir machen Fehler, aber wir lernen daraus.

MSM: Es ist interessant, dass Sie Fehler ansprechen. Verbände sind nicht gerade bekannt dafür, Fehler einzugestehen. Ist die FIA bereit dazu?
Transparenz, Ehrlichkeit und ganz oben steht Fairness: Menschen machen immer Fehler, aber wir können das minimieren. Mit vielen Dingen: Mit Training, Erfahrung, mit neuem Equipment. Aber kann man dann sagen, ich mache keine Fehler? Schaut euch doch die Fahrer an. Die Leute sagen immer: Wie konnte er als mehrmaliger Weltmeister diesen Fehler machen? Fehler passieren. Aber man lernt von ihnen, man minimiert sie, man minimiert das Risiko und du machst sie zumindest nicht noch einmal.

Ich hebe meine Hand und ich habe keine Angst zu sagen: Wir haben einen Fehler gemacht. Wenn du es im Vagen lässt, entsteht eine Grauzone, dann bietest du Angriffsfläche für dich und den Verband. Ich habe einen anderen Hintergrund. Bei mir gibt es Klarheit. Wenn es im Motorsport diese Bereiche gibt, dann hast du einen Unfall, dann gewinnst du nicht. Klarheit ist so gut.

FIA-Chef: Motorsport ist nicht nur Formel 1

Wie sieht Ihre Philosophie für die Zukunft der FIA aus?
Ich sehe die Teams, die technologischen, die ökonomischen und auch die politischen Faktoren - es ist eine ganze Menge, es gibt viele Herausforderungen. Die FIA hat viele Herausforderungen. Ich sage nicht, dass es früher weniger waren, aber es ist anders. Man hat die Umwelt auf der einen Seite. Und man hat große Teams, es steht viel auf dem Spiel, wir müssen weitermachen und alles auf den aktuellen Stand bringen: Ob es die Regeln sind oder unsere Einstellungen. Alles muss verbessert werden.

Wir sind auf dem richtigen Weg. Deshalb habe ich, als ich die FIA übernommen habe, zunächst zugehört, habe mir die Informationen geholt und dann habe ich die Monoposto-Abteilung umstrukturiert. Es geht nicht um den Präsidenten, es geht um das System, das du erschaffst. Was ist, wenn mir morgen etwas zustößt? Die FIA, wir sind der Hausherr der Formel 1, wir sind die Sporthoheit. Die Umstrukturierung war sehr wichtig für uns.

Ich bin stolz darauf, dass die FIA 118 Jahre alt ist, aber wir sollten in unserer Denkweise nicht ewig gestrig sein. Wir haben einen Geschäftsführer eingesetzt, um das tägliche Geschäft zu leiten. Natürlich haben wir zahlreiche Untersuchungen vorgenommen, viele Leute waren beteiligt. Eines der wichtigsten Dinge, die wir unternommen haben, war auf finanzieller Seite. Unsere operativen Kosten waren hoch. Wir haben niemanden entlassen, ganz im Gegenteil, wir haben mehr Angestellte. Aber wir haben die finanziellen Verluste, die wir hatten, reduziert.

2021 wurde Ben Sulayem zum Präsidenten der FIA gewählt, Foto: LAT Images
2021 wurde Ben Sulayem zum Präsidenten der FIA gewählt, Foto: LAT Images

Es sind gesunde Schritte. Es gibt keine Abkürzungen. Wenn du jemandem im 5. Stock sagst, er solle jetzt ins Erdgeschoss kommen und er dann springt, dann bricht er sich die Beine oder noch schlimmer. Nein, du musst Schritt für Schritt gehen, das ist gesund, um nachhaltig finanzielle Stabilität zu haben. Das war bei meinem Amtseintritt eine große Herausforderung, denn ich wusste es nicht. Obwohl ich im Weltrat saß und ein Vizepräsident war, wussten wir von den finanziellen Problemen nichts. Dort ist Nachhaltigkeit für uns so wichtig. Jetzt bin ich glücklicher.

Wir investieren das Geld und verbessern unser Equipment und unser Training. Ich habe große Probleme geerbt wie Gerichtsprozesse oder Abu Dhabi [2021]. Es ist kein Geheimnis! Das ist passiert. Wir haben uns angesehen, wieso es passiert ist. Es geht darum, zuzuhören und dann sicherzustellen, dass man den richtigen Prozess hat. Wenn man schon über einen einzelnen Rennleiter spricht: Was passiert, wenn er ein Problem hat? Wenn sein Flieger verspätet ist? Was, wenn er krank ist?

Man kann sich als Sport nicht auf einen Einzelnen verlassen. Wir haben das Training und die Laufbahn für Renndirektoren und Stewards angesehen und jetzt fühle ich mich erleichtert. Es ist aber noch nicht zu Ende. Wir haben auch andere ASNs eingebracht, denn es muss gut Leute geben, die gute Stewards und Renndirektoren sein wollen.

Es geht nicht nur um die Formel 1: Wir haben so viele Disziplinen in der FIA. Du hast Formel 1, Formel 2, Formel 3, Formel 4, Formula Regional. Aber du hast auch Rallye, das ist eine große Kultur. Dann hast du Formel E, WRX, all das. Die Basis ist so wichtig für uns. In meinem Manifest habe ich gesagt, dass ich den Motorsport verdoppeln will. Die Leute haben gefragt, wie man das machen soll? Es ist aber machbar! Wie? Man muss sich vor allem zwei Länder ansehen: In China leben 1,4 Milliarden Menschen und es gibt dort viele Hersteller. Und dann hast du noch 1,4 Milliarden Menschen in Indien. Das sind zusammen 2,8 Milliarden! Und dort gibt es weniger als 8.000 Rennlizenzen. Und dann schaust du dir Finnland an: Dort leben 5,5 Millionen Menschen und es gibt über 12.000 Lizenzen!

Was ist die Lösung für dieses Problem? Leistbare Autos! Leistbare Autos im Einstiegsbereich. Wer bezahlt 250.000 bis 300.000 für einen Zehnjährigen für eine Saison? Das kann sich niemand leisten, es ist für die Reichen. Was ist also meine Aufgabe? Ich muss eine Lösung finden. Wir können immer sagen, dass es Probleme gibt, aber solange wir keine Lösung finden, machen wir unseren Job nicht richtig.

Dann haben wir uns die Cross Cars angesehen. Es hat begonnen mit 8.000 und jetzt sind wir bei 28.000! Das sollte nicht sein. Ich habe einen Plan für den Kartsport gemacht. Dieser Entwurf soll in die Regionen China, Afrika, Südamerika und Asien. Sie sollen diese Karts nehmen, den Regeln der FIA mit den Sicherheits-Bestimmungen folgen und einen Motor einbauen, den sie haben. Dadurch sinkt der Preis auf ein Minimum. Und das passiert jetzt. Ja, ich hatte meine Probleme mit den rechtlichen Dingen, aber das ist normal. Unser Sport wird immer ein gewisses Risiko beinhalten. Aber du minimierst es und dann machst du weiter. Aber wenn du immer sagst, dass das ein Risiko ist, wirst du kein normales Auto mehr auf den Straßen bewegen.

Das Erbe von Abu Dhabi 2021

Sie haben die Umstrukturierung der Monoposto-Abteilung und Abu Dhabi 2021 bereits angesprochen. Wie viel der Umstrukturierung war eine Reaktion auf Abu Dhabi? Oder wussten Sie schon zuvor, dass sie etwas ändern mussten?
Es gibt immer Änderungen, um sich zu verbessern. Ich werde nie sagen, dass in diesem Rennen alles gut ist. Ich sehe mir immer Bereiche an, die man verbessern muss. Wie bei meinem Auto als Rennfahrer: Ich wollte mich jedes Rennen verbessern. Du wirst immer Verbesserungen finden, egal wo. Abu Dhabi hat alles überschattet. Eine Woche später wurde ich zum Präsidenten gewählt und die erste Frage war, was ich damit machen würde.

Die WM-Entscheidung 2021 war eines der ersten Themen, mit denen sich Ben Sulayem nach Amtsantritt beschäftigen musste, Foto: LAT Images
Die WM-Entscheidung 2021 war eines der ersten Themen, mit denen sich Ben Sulayem nach Amtsantritt beschäftigen musste, Foto: LAT Images

Ich habe mir gedacht: Warte mal, lass mich erst einmal sehen, was da abgeht. Ich habe gerade die Wahl gewonnen, lasst mich das zunächst einmal genießen! Meine Reise ins Präsidenten-Amt hat über zwölf Jahre gedauert! Aber dann haben wir es uns angesehen. Ich will ehrlich sein: Ich hasse es, reaktiv zu sein. Ich sage immer: Bei der Planung zu scheitern ist ein Plan, um zu scheitern. Habe einen Plan für alles! Ich wurde mit Problemen bombardiert. Ich habe mich gefragt, was zur Hölle da los war?

Jetzt haben Sie mich an etwas erinnert, ich hole kurz aus: Wir haben durch die Verstärkung der Monoposto-Abteilung eine bessere Struktur, durch die weniger Probleme aufkommen werden. Aber Fahrer werden immer Dinge verlangen. Ich war auch Fahrer und habe das durchgemacht, als ich jung war. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Heute sind wir in einer besseren Position als letztes Jahr - mit Abstand. Bin ich deshalb relaxt? Vielleicht ein bisschen, aber sobald man sich ein bisschen zurücklehnt, kommen neue Herausforderungen.

Wir sind für den Sport hier, ich bin hier, um den Geist des Sports zu wahren. Es ist unglaublich, wie viele Leute hier sind und was es für ein Business ist. Aber am Ende des Tages: Was ist die Rolle und das Ziel der FIA? Fairness für alle. Wir, die Regelbehörde, wir sind die Sporthoheit, und wir sind der Hausherr. Wir müssen es richtig machen. Wir sind nicht hier für den Börsenkurs. Wir sind hier für den Sport. Darauf konzentrieren wir uns. Wenn wir fair urteilen, mit jedem fair sind und eine ordentliche Führung haben, dann werden die großen Hersteller ganz natürlich kommen, weil sie Vertrauen haben in die Regelbehörde, in die Sporthoheit. Den Motorsport zu tragen ist etwas anderes, als sich um Einkommen zu kümmern. Es geht darum, den Motorsport zu tragen.

Die neuen Formel-1-Motoren 2026: Das sagt der FIA-Präsident

Sprechen wir über den 2026er Motor: Es gibt Stimmen, die Änderungen am Reglement fordern. Red Bull will zum Beispiel mehr Benzindurchfluss. Haben Sie Angst, damit Audi zu vergraulen?
Nein. Wir haben gesagt, dass das unser Zuständigkeitsbereich ist. Die FIA hat schon vor meiner Zeit an der Power Unit gearbeitet. Ich werde unserer Technikabteilung gegenüber immer dankbar und respektvoll sein. Als wir die Regeln abgesegnet hatten, haben sich die Hersteller auch eingeschrieben. Wenn wir es nicht gemacht hätten, hätten sich weder Audi, noch Porsche, noch irgendwer anders dafür interessiert. Wenn du dich gegen Änderungen schließt und einfach nur jeden in der Komfortzone hältst, dann kommen keine neuen Teams.

Ist das fair? Nein. Wir müssen diesen Schritt machen, wir müssen etwas mutig sein. Wir müssen uns öffnen und vorwärts gehen. Es ist normal, dass es Widerstand gab. Aber dann hat Audi unterschrieben. Wenn es jetzt kleine Anpassungen gibt, dass sich das Gewicht ändert oder ein neues Material kommt: Die Technologie entwickelt sich jeden Tag weiter! Was ich damit sagen will: Durch die Änderungen verlieren wir niemanden, wir werden sicherstellen, dass wir jemanden wie Audi nicht verlieren. Wir habe viel Aufwand investiert, um sie reinzubringen und das Interesse von Porsche zu haben. Nein, das wird nicht der Fall sein. Etwas zu machen und es dann zu ändern, wäre auch unfair.

Wenn Sie schon von Herstellern sprechen: Warum benötigen Sie die Hersteller so sehr? Die Elektrifizierung gibt es in diesem Sport hauptsächlich, weil die Hersteller involviert sind. Mit synthetischem Benzin könnte man die Motoren auch ohne Elektrifizierung umweltfreundlich betreiben. Und die Elektrifizierung bringt Probleme mit sich: Das Gewicht, den fehlenden Lärm...
Nein, nicht Lärm: Sound!

Sie haben natürlich recht, Lärm ist zu negativ. Aber wäre es für den Sport und für den Fan nicht besser, weniger Elektrifizierung zu haben, dafür einen Hersteller weniger und stattdessen ein Spektakel für pure Enthusiasten?
Power-Unit-Hersteller sind sehr wichtig. Wir werden 2026 sechs haben! Wenn du die hast, dann haben auch die privaten Teams eine bessere Wahl. Dann werden sie nicht von ein oder zwei Herstellern manipuliert, wenn es in die Formel-1-Komission geht. Dann heißt es nicht: Ich gebe dir den Motor, du musst dies oder jenes sagen. Und auch der Preis wird dadurch sinken. Hersteller sind da, um zu bleiben. Sie haben einen Plan und sie ziehen ihn durch.

Wenn Sie mich fragen, was mein Ziel oder mein Traum ist, dann sage ich: Ein komplettes US-Team mit einem Fahrer und ein komplettes China-Team mit einem Fahrer. Dann würde ich von global sprechen. Und dann würde ich sagen, dass meine Mission auf dem richtigen Weg ist. Ich spreche von Herstellern. Kleine Teams kommen und gehen. Wenn sie Profit sehen, verkaufen sie ihr Team. Die Hersteller sind da, um die Lücken aufzufüllen, wenn sie gehen. Man muss auch die Balance zwischen Qualität und Quantität schaffen.

Die Hersteller bringen uns Technologie und Innovation. Ich weiß, dass wir nicht komplett auf Elektrifizierung setzen. Erstens, weil unser Motor der effizienteste Motor der Welt ist. Bei der Power Unit geht es nicht nur um den Motor, es geht um andere Dinge. Wie Sie sagten: Um nachhaltige Treibstoffe. Wir werden weniger Benzin verbrauchen. Wir entfernen die MGU-H, aber wir haben die MGU-K, es wird ein voller Hybrid sein. Und dann haben wir noch bessere Aerodynamik. Es wird ein besseres Ergebnis, wir zielen auf eine Verbesserung von 80 Prozent ab. 80! Und das hat viel mit der Aerodynamik zu tun.

Wenn du diese große Herausforderung nicht hättest, dann wärst du noch immer dort: Ganz hinten. Hab höhere Ziele, dann wirst du 70 oder 80 Prozent erreichen. Eine andere Sache bei der Nachhaltigkeit: Es geht nicht nur um Motoren. Es geht auch um Bremsen und Reifen. Auch dort haben wir Herausforderungen. Gewicht ist auch etwas. Als Fahrer habe ich es gehasst. Ich habe schwere Autos gehasst. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie zwei Kilogramm zunehmen? Grauenhaft! Ich habe gleich zu meinen Technikern gesagt: Schafft das! Ich brauche ein Auto, das um 50 Kilogramm leichter ist. Sie werden daran arbeiten und es schaffen. Die Autos sind schwer und groß. Und dann haben Sie vom Sound gesprochen: Du brauchst den Sound, es ist ein Reiz, Sound ist immer toll. Wir bringen ihn hoffentlich. Wir sind diejenigen, die es machen können mit unserer Zuständigkeit.

Wann kommt die Formel 1 wieder nach Afrika?

Sie sprachen zuvor von den USA und von China. Was ist mit Afrika?
Wir haben sehr gute Kontakte nach Afrika. Es sollte mehr Aufmerksamkeit auf Afrika liegen. In Afrika haben wir einen guten Vizepräsidenten. Wir stärken die Clubs dort. In manchen Regionen beginnen wir an der Basis, wir nennen es 'Motorsport in a Box'. Dabei handelt es sich um eine Box, die du von der FIA bekommst. Darin befindet sich ganz simples Equipment wie Timing und Telefone. Dann kann man zumindest Speed-Tests machen.

Wenn wir dort wachsen wollen, können wir das nicht von oben machen. Ich kann keine Befehle geben, hier fließt das Wasser nicht abwärts. Es ist umgekehrt, es geht von unten nach oben. Du musst an der Basis beginnen. Wir haben deshalb erst kürzlich 'Motorsport in a Box' ins Leben gerufen, wir schicken es ihnen und werden sie für den Motorsport gewinnen. In Südafrika haben sie viel Historie im Motorsport. Seit letztem Jahr wird viel darüber gesprochen, ob die Formel 1 zurück nach Kyalami kommt. Das wäre eine große Sache für Afrika. Wir denken auch an eine elektrische Meisterschaft, die gerne Afrika involviert hätte. Das wäre auch gut.

Wir vergessen Afrika nicht, wir vergessen China nicht, aber wir vergessen auch Lateinamerika nicht. Wir sind hier im Formel-1-Fahrerlager und sehen die Aufregung und die Begeisterung. Aber in manchen Regionen gibt es kein Interesse für die Formel 1. Für sie ist das Kartfahren wie die Formel 1. Ihre Strecken sind für sie wie Formel 1. Bergrennen ist für sie alles. Ich sage immer: Es gibt nicht die eine Größe, die allen passt. Lasse dich auf die Mitglieder ein! Höre ihnen zu. Es können ganz einfache Antworten sein. Vielleicht wollen sie einfach etwas Unterstützung bei Bergrennen und dann sind sie zufrieden. Sie sind vielleicht nicht interessiert an der Formel 1, der Formel 2 oder der Formel E. Wir versuchen, das immer zu machen.

FIA vs. Formel 1: Wie ist das Verhältnis zwischen Sport und Kommerz?

Ich habe gerade einen sehr interessanten Blick: Ich sehe Sie, den FIA-Präsidenten vor mir sitzen. Im Hintergrund sehe ich aus dem Fenster das F1-Logo des Kommerziellen Rechteinhabers...
Ja, es ist Business! Es ist nicht F1, es ist Liberty Media und FOM. Denn F1 ist eine FIA-Weltmeisterschaft. Wir sind hier, um die FIA-Meisterschaft zu fördern, indem wir zuverlässig sind, eine gute Regierung haben und vertrauenswürdig sind. Sie müssen Vertrauen darin haben, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Aber bitte, sprechen Sie weiter!

Sie haben mehrmals schon gesagt, dass es kein Problem zwischen Ihnen und Stefano Domenicali gibt. Aber ist es nicht so, dass eine gewisse Reibung auch benötigt wird zwischen FIA und F1? Denn beide haben unterschiedliche Aufgaben. Die Aufgaben sind geteilt, nicht wie bei der FIFA oder beim IOC...
Ich frage nur nach Klarheit und Fairness. Ich bin nicht in den Aktienkurs oder den Ticketverkauf involviert. Wir brauchen hier nur Fairness, das ist meine Mission. Wir definieren Klarheit zwischen uns und der FOM, Liberty. Das ist gut. Wir müssen verstehen, wen ich repräsentiere. Ich repräsentiere den Hausherrn. Wir sind kein Service-Provider! Nein, das sind wir nicht. Das sage ich immer wieder und das glaube ich auch. Aber wie Sie sagten: Reibung ist manchmal gesund, um das Beste hervorzubringen. Ich stimme Ihnen da komplett zu. Das ist wie beim Körper: Wenn Sie morgens mit Schmerzen aufwachen, dann wissen Sie zumindest, dass etwas nicht stimmt.

Ben Sulayem im Gespräch mit F1-Chef Stefano Domenicali, Foto: Motorsport-Magazin.com
Ben Sulayem im Gespräch mit F1-Chef Stefano Domenicali, Foto: Motorsport-Magazin.com

Wir wollen das Beste für den Sport. Ich erzähle Ihnen eine Sache, ich sage es ganz bescheiden und klar: Sie werden morgen nicht aufwachen und die FIA ist nicht mehr da. Bei anderen ist es anders. Liberty hat auch das Recht dazu, die Pacht an eine andere Firma zu verkaufen. Schon morgen könnte es nicht mehr bei ihnen, sondern bei jemand anderem sein. Dann muss ich mit denen auskommen. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich respektiere sie, sie sind für den Profit hier. Deshalb haben sie es gekauft. Warum sonst sollten sie die Pacht kaufen? Sie sind schlaue Menschen und ich unterstütze sie.

Aber gleichzeitig wurde ich von den Mitgliedern der FIA gewählt, um das Beste für die FIA zu tun. Ich bekomme kein Gehalt, ich beschwere mich nicht darüber, das wusste ich schon zuvor. Wir sind ein nichtprofitabler Verband. Das, was wir bekommen, geht nicht an Aktionäre oder an Direktoren. Es wird wieder investiert in das Equipment und in Training, um bessere Stewards und Rennleiter auszubilden. Und dann haben wir noch eine weitere Säule, die Mobilität: Wir haben über 80 Millionen Mitglieder, inklusive dem ADAC. Das ist eine große Sache! Wir haben die Synergien zwischen Sport und Mobilität. Das ist der einzige Weg, wie es funktioniert.

Sie sind Medienvertreter, sie wissen wie es funktioniert: Die Leute wollen nicht aufwachen und lesen: Der Himmel ist blau, das Gras ist grün, die Vögel singen. Am Ende des Tages weiß ich, wer mich attackiert. Und sie glauben, ich weiß das nicht. Glauben Sie wirklich, ich wäre in dieser Position, wenn ich dumme Menschen um mich herum hätte? Natürlich ist mein Team sehr smart. Das Fahrerlager ist ein sehr kleiner Kreis, jeder kennt jeden. Man weiß, wer etwas geleakt hat oder etwas über mich erfunden hat. Ich weiß es. Und was mache ich? Ich lächle darüber. Ich weiß, wer dahintersteckt und dann lächle ich sie an. Ist es kontraproduktiv? Nein. Ist es gut für das Geschäft? Nein.

Wissen Sie, was gut für das Geschäft ist? Ehrlichkeit. Man sitzt zusammen, man diskutiert, man macht einen Handschlag, man unterschreibt einen Vertrag. Wir wissen, was unsere Verantwortung und unsere Aufgabe ist und andersherum. Das ist der beste Weg. Klarheit ist sehr wichtig. Ich bin nicht gegen das Business von irgendjemandem, das ist ganz klar. Es sind Leute hier, um Geld zu machen. Jedes Produkt, das wir hier haben, jeder Sponsor, jeder Partner: Wenn er investiert, gibt es etwas im Gegenzug. Niemand macht es für nichts. Die FIA ist anders. Wir sind nicht profitabel. Aber wir müssen auch unsere Finanzen stützen. Wir müssen den Leuten, die für uns arbeiten, mehr Wert geben.

Und dann sprechen die Leute von einer Abspaltung? Leute, die davon sprechen, wissen gar nicht, worüber sie sprechen. Glauben sie wirklich, dass große Hersteller ihre eigene Meisterschaft machen würden, die keinen Regulator hat? Glauben sie wirklich, dass sie investieren würden? Wollen sie eine weitere WWF sein? Da weiß man schon zuvor, wer gewinnt. Dann investiert jemand und plötzlich werden die Regeln geändert? Nein! Es geht darum, zuvor klare Regeln zu haben. Dann kann man investieren. Das ist eine Show. Hier nicht. Hier haben wir eine Show, aber mit Regierung, eine Show mit Regeln. Und hier wissen Sie, dass wir es richtig überwachen und fair sind. Der Rest liegt an ihnen, ihrem Team und ihrem Fahrer.

Als das Interview nach 45 Minuten vorbei ist, schiebt der Präsident noch hinterher: "Ich liebe die FIA. Ich streite es nicht ab. Wenn ich schlafe, denke ich darüber nach, wie man sie verbessern kann. Ich hole mir Rat. Ich sage auch nicht: Ich bin der Präsident. Nein, ich werde mich auf jeden einlassen, ich höre den Leuten zu und handle dann. Solange die FIA immer da ist, um das Richtige zu machen und fair ist, bin ich glücklich."

Dieses Interview erschien in Ausgabe 93 unseres Print-Magazins. Am Ende des Jahres veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Bestelle das Motorsport-Magazin direkt auf unserer Webseite. Ebenfalls in Ausgabe 93 erschien dieser Artikel: