2022 startete die Formel 1 in eine neue Ära. Die Ground-Effect-Autos hielten Einzug in die Moderne der Weltmeisterschaft. Nach lediglich zwei Saisons der neuen Ära kümmert sich die FIA schon fieberhaft um die nächste Zeitrechnung. Für die Ingenieure steht 2026 vor der Tür. Während das Motorenreglement schon seit mehr als einem Jahr steht und mittlerweile Version 5 im Umlauf ist, gibt es für das Chassis noch kein niedergeschriebenes Regelwerk.
Ende Juni 2024 soll es so weit sein, dann soll auch das Technische Reglement für das Chassis im Detail ausgearbeitet sein. Doch das Grundkonzept steht schon heute. FIA-Formel-1-Boss Nikolas Tombazis verriet einer kleinen Gruppe an Journalisten - darunter auch Motorsport-Magazin.com -, wie die Formel 1 der Zukunft aussehen soll.
Das wichtigste Ziel, das gab Präsident Mohammed Ben Sulayem persönlich vor, ist die Reduzierung des Gewichts. Als Fernando Alonso seine Karriere 2001 begann, brachten Auto und Fahrer zusammen 600 Kilogramm auf die Waage. Heute sind es 798 Kilogramm - das ist ein Drittel mehr.
Formel 1 auf Diät: 2026 40-50 Kilogramm leichter
Dafür, dass die Volkskrankheit Übergewicht auch in der Formel 1 Einzug hielt, gibt es drei Gründe: Hybrid-Motoren, Sicherheit und Dimensionen. Die Hybridisierung nimmt durch den Wegfall der MGU-H 2026 etwas ab, die Batteriegröße aber bleibt und die MGU-K wird durch den Leistungszuwachs von 120 auf 350 kW deutlich schwerer. Am Motor kann also kein Gewicht eingespart werden.
Sicherheit steht für die FIA ohnehin nicht zur Diskussion. Also bleiben lediglich die Dimensionen, an denen man schrauben kann, um das Gewicht zu reduzieren. Die Autos werden 2026 kürzer und schmäler. Der Radstand wird um 20 Zentimeter auf 3,40 Meter reduziert. Die Fahrzeugbreite schrumpft von 2,00 Meter auf 1,90 Meter, auch das Chassis wird vorne und hinten schmäler.
Dazu werden auch die Räder wieder kleiner. 2022 wechselte Pirelli von 13 auf 18 Zoll, 2026 kommen 16-Zoll-Pneus. Gleichzeitig wird auch die Breite der Schlappen wieder reduziert. Insgesamt rechnet die FIA so mit einer Gewichtsreduktion von 40 bis 50 Kilogramm.
"Wir wurden in den letzten Jahren zu schwer. Wir müssen eine Diät machen", stellt Tombazis klar. "Es wird aber eine Herausforderung für die Teams, das zu erreichen. Es wird nicht einfach." Zugeständnisse soll es 2026 nicht mehr geben. Für jede Mini-Änderung handelten die Teams in den letzten Jahren Extra-Gewicht heraus. Werden etwa die Reifen etwas schwerer oder kommen zusätzliche Sensoren hinzu, bleibt das Gewichtslimit stabil. Leichtbau wird wieder stärker belohnt.
Aktive Aerodynamik, weniger Luftwiderstand
Unterstützung bekommen die Teams von den Aero-Regularien. Die Generation 2026 wird signifikant an Abtrieb einbüßen. Dadurch werden die Belastungen auf die Aufhängungen geringer, die Bauteile können filigraner ausgeführt werden.
Weniger ist mehr lautet das Motto der nächsten Ära. Durch die Reduktion an Gewicht und Abtrieb sollen die Reifen wieder weniger leiden. "Derzeit müssen die Reifen mit so viel Energie wie nie zuvor umgehen", erklärt Tombazis. Leichtere Autos und weniger Abtrieb sollen auch dafür sorgen, dass Pirelli die Überhitzungs-Problematik seiner Pneus in den Griff bekommt.
Auch das aerodynamische Konzept dürfte dabei helfen, die Reifen zu schonen - nicht nur über die niedrigeren Belastungen. 2023 wurde das Überholen trotz der Ground-Effect-Autos wieder schwieriger. Bei der aktuellen Fahrzeuggeneration will die FIA nicht mehr gegenlenken, die Lehren sollen für 2026 angewandt werden.
Weniger Dirty Air führt einerseits zu weniger Rutschen und so zu weniger Oberflächenüberhitzen. Außerdem soll die Luft nicht mehr außen an den Vorderreifen vorbeigeführt werden, sondern innen. Dadurch werden die Pneus auch besser durch den Luftstrom gekühlt.
Verstappen-Kommentare voreilig?
Weniger ist mehr gilt noch für einen anderen Bereich: Die geschrumpften Dimensionen helfen auch dabei, den Luftwiderstand zu reduzieren. Das ist aufgrund des neuen Motorenreglements nötig. "Wenn man die neuen Motoren einfach in die aktuellen Autos einbauen würde, dann würde ihnen die Energie ausgehen", gesteht Tombazis.
Diese Erfahrung machte Max Verstappen schon im Simulator und ließ es anschließend die Welt wissen. Durch den Entfall der MGU-H rekuperieren die Autos nur noch kinetische Energie - und nur an der Hinterachse. Die Batteriekapazität bleibt dabei gleich. Der Bedarf an elektrischer Energie steigt aber ungemein, weil die Leistung der E-Maschine fast verdreifacht wird und der Verbrennungsmotor von rund 550 auf 400 kW kastriert wird.
"Die Kommentare waren wahrscheinlich etwas voreilig, weil wir da noch nicht mit der Arbeit fertig waren", kritisiert Tombazis. "Wir haben nie an diese Horrorszenarien geglaubt, denn wir wussten, dass es Lösungen dafür gibt." Durch die Charakteristik der neuen Motoren würden die Autos am Ende der Geraden deutlich Geschwindigkeit verlieren, die Piloten müssten sogar herunterschalten, so Verstappen damals.
Neben den neuen Dimensionen hilft auch aktive Aerodynamik dabei, den Luftwiderstand auf den Geraden zu reduzieren. Front- und Heckflügel dürfen bei den neuen Boliden während der Fahrt verstellt werden. Auch weitere bewegliche aerodynamische Elemente werden diskutiert.
"Wir haben nun alle Simulationen abgeschlossen und glauben, dass die Kombination aus wenig Luftwiderstand und die Art und Weise, wie Energie eingespeist und abgegeben wird, Geschwindigkeitsprofile wie bei den aktuellen Autos ergeben wird. Der Topspeed wird also nicht gegen Hälfte der Geraden erreicht", so Tombazis.
Der Grieche stellt klar: "Diese Autos werden weiter so sein, dass sie das Maximum vom Fahrer fordern. Wir wollen, dass die Fahrer vor den Kurven hart bremsen müssen und nicht, dass sie sich reinrollen lassen oder ähnliches."
Formel 1 2026: Weniger CO2, neues Umwelt-Reglement
Durch die effizientere Aerodynamik und weniger Leistung vom Verbrennungsmotor können rund 15 bis 20 Prozent Benzin gespart werden. Dazu kommt, dass 2026 nur noch synthetischer Kraftstoff erlaubt ist. Die CO2-Emissionen können so deutlich gesenkt werden.
Damit ist es noch nicht getan: Teams sollen in einem sogenannten ESG-Reglement (Environmental, Social, Governance) dazu verpflichtet werden, umweltfreundlicher zu werden. Wie genau das funktionieren wird, steht noch nicht fest. Denkbar sind zum Beispiel Maßnahmen wie eine Obergrenze an CO2 für die Fabriken, Einschränkungen bei den verwendeten Materialien, Beschränkungen bestimmter Aktivitäten oder Obergrenzen bei Vor-Ort-Personal.
Obwohl die Autos deutlich an Abtrieb verlieren werden, erwarten die Experten keinen großen Performance-Verlust. Die Diät wirkt dem entgegen. "Die Performance ist bei unseren Überlegungen kein großer Faktor, aber sie wird nah an der aktuellen Performance sein. Es wird innerhalb von ein paar Sekunden liegen. Aber auch wenn es fünf Sekunden wären, würden wir nicht ins Schwitzen kommen", stellt Tombazis klar.
DRS-Alternative gesucht
Bleibt noch ein Problem: Die Überhol-Thematik. Bedeuten weniger Luftwiderstand und aktive Aerodynamik auch weniger Windschatten? "Wir glauben sogar, dass der Windschatten-Effekt größer wird", verrät Tombazis. "Aber das ist nebensächlich. Wichtiger ist, dass die Autos beim Hinterherfahren weniger Abtrieb verlieren."
Mit der aktiven Aerodynamik stellt sich auch noch die Frage nach dem DRS. Gerüchte, wonach der Vorausfahrende eingebremst werden soll, dementiert Tombazis: "Das wird es definitiv nicht geben." Ein möglicher DRS-Ersatz wären dann zusätzliche bewegliche Aerodynamik-Elemente wie Beamwing oder Diffusor. Auch zusätzliche Power vom Motor ist denkbar. "Wir haben ein paar gute Optionen auf dem Tisch, da müssen wir sehen, welche davon die beste ist. Wir wollen aber nicht, dass die Autos einfach auf der Geraden vorbeifahren."
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