Der große Held des Kanada-GP heißt Alex Albon. Mit dem siebten Platz führte Williams nicht nur das Verfolgerfeld an und schlug unter anderem beide Alpine, beide McLaren und einen Aston Martin - es ist auch das beste Ergebnis für das Team seit 2021. Spaß hat Albon nur nach dem Rennen, denn der Weg zum siebten Platz war nicht lustig, sondern ein Mammut-Stint von 58 Runden, an dessen Ende er bis zu sechs schnellere Autos sich im Schlepptau hatte.

Nur war das für Williams der einzige Weg zum Erfolg. "Ich denke, wir hatten das ganze Wochenende über eine ähnliche Pace wie McLaren", erklärt Albon. "Realistisch gesehen mussten wir etwas anders machen, weil sie vor uns waren." Denn trotz starkem Qualifying war Albon nur von P9 losgefahren. Hinter beiden McLaren und hinter Esteban Ocon.

Alex Albons Ausgangsposition war schlecht für Punkte, Foto: LAT Images
Alex Albons Ausgangsposition war schlecht für Punkte, Foto: LAT Images

Anfangs folgte Albon dem Rest des Feldes, stoppte in Runde zwölf hinter dem Safety Car und versuchte sich dann auf der Strecke an der Konkurrenz vorbei zu kämpfen. Durchsetzen konnte er sich hier jedoch nicht. Kurz profitierte er von einem Fehler von Oscar Piastri, der mit Kevin Magnussen haderte, aber dann stolperte Albon selbst über Magnussen.

Letztendlich lag er hinter Ocon, Valtteri Bottas, Lando Norris und Piastri auf dem elften Rang, als die ersten Fahrer in seiner direkten Umgebung in Runde 35 mit den zweiten Boxenstopps begannen. Die Williams-Strategen entschieden daraufhin, ihn draußen zu lassen und nicht mehr zu stoppen. Zu viel hatte das Team in Kanada investiert - weil man hier die letzte Chance auf Big Points vor der Sommerpause sah.

Einstopp-König Albon muss in Kanada wieder ran

Für Albon ist es nicht das erste Mal, dass er diesen Plan versucht, oder eher versuchen muss. Im Vorjahr wartete er etwa in Melbourne bis zur letzten Runde, um zu stoppen. In Belgien führte er ewig lange einen DRS-Zug an. "Ich kann euch sagen, das macht keinen Spaß", meint er nach dem Rennen. "Als die Jungs es mir gesagt haben, waren es noch 35, 40 Runden. Ich glaube, sie haben mir zuerst 20 Runden angegeben, damit ich mich besser fühle! Dann sah ich es auf der Video-Leinwand und dachte nur: 'Oh mein Gott, hoffentlich ist das nicht echt.'"

10,939 Sekunden Vorsprung hatte Albon auf Ocon, nachdem dieser in Runde 36 zum zweiten Stopp gekommen war. Verbleibende Runden: 34. Dass der Alpine den jetzt im Schongang fahrenden Williams wieder einholen würde war klar. Albon kam obendrauf sofort unter Druck, als George Russell, der nach seinem frühen Crash die gleiche Einstopp-Strategie verfolgte, zu ihm aufschloss.

Russell verabschiedete sich mit Schaden, doch ab Runde 54 übernahm sofort Ocon. "Um die Reifen zu sparen, musst du dich auf die Schlüsselkurven fokussieren", erklärt Albon. Raus aus der Haarnadel und auf die lange Gerade griff er tief in die Trickkiste: "Ich habe sichergestellt, dass ich das Auto so positioniert habe, damit Esteban in verwirbelter Luft fährt. Um seine Traktion zu stören. Du fährst mit den Augen im Rückspiegel."

Die letzten Runden wurden für Albon zum Ritt auf der Rasierklinge: "Die Reifen beginnen auszukühlen, wenn die Strecke abfällt, und du musst anfangen zu pushen. Am Ende des Rennens siehst du schon fast das Weiß der Reifen-Karkasse durchscheinen, aber du musst voll pushen. Es fühlt sich wie Qualifying an."

Albon feiert Williams für Update: Alles auf Kanada gesetzt

Albon brachte den siebten Platz mit sechs Autos im DRS-Schlepptau knapp über die Linie. Es war nicht nur dem Topspeed des Autos und dem Können des Fahrers geschuldet. Auch die signifikanten Updates spielten eine Rolle: "Ich kann dem Team nicht genug danken. Ich war ziemlich oft in der Fabrik in den letzten zwei Wochen."

Albon und Teamchef James Vowles trieben das Team an, um zumindest für ein Auto das Update-Paket für Kanada fertigzubekommen. Denn an den Chancen auf den traditionellen europäischen Rundkursen zweifelten sie: "Wir haben diskutiert, dass wir unbedingt dieses Update für Kanada fertigbekommen müssen. Unsere womöglich einzige Chance, bis so ein Rennen wie Monza wieder kommt." Der Williams braucht Stop-und-Go-Strecken mit Geraden. Lange Highspeed-Kurven sind Gift.

Alex Albon bekam in Kanada als einziger Williams neue Teile, Foto: LAT Images
Alex Albon bekam in Kanada als einziger Williams neue Teile, Foto: LAT Images

"Die Jungs haben Vollgas gegeben, um es fertigzubekommen", berichtet Albon. Dazu kam er sogar noch vorzeitig die dritte Power Unit verbaut, um wirklich alles auf eine Karte zu setzen: "Das hat für ein bisschen Druck gesorgt, abzuliefern, aber wir haben es geschafft!" Albon springt in der WM-Tabelle 2023 vor auf P12, und Williams übernimmt den neunten Platz von AlphaTauri. Teamkollege Logan Sargeant kam da nicht mit. Er musste mit den alten Teilen fahren, unterlag im Qualifying deutlich und stellte im Rennen nach sechs Runden mit Öldruckverlust schon ab.