Red Bull hat in Barcelona leicht Lachen. Max Verstappen ist dem Feld im Qualifying-Trimm schon voraus, im Renntrimm fährt er in einer eigenen Liga. Was kann sich der neutrale Formel-1-Fan noch erhoffen? "Da müsst ihr bei unseren Konkurrenten nachfragen", kann Dr. Helmut Marko darauf nur sagen. Denn trotz großer Update-Pakete war von Ferrari und Mercedes in den Spanien-Trainings nicht viel zu sehen.

Nicht einmal unter die Top-5 schafften es die einstigen Red-Bull-Rivalen. Aston Martin und Alpine führten am Freitag das Verfolgerfeld an, mit Fernando Alonso auf Platz zwei und Esteban Ocon auf Platz fünf. Die Trainings-Analyse stellt die offensichtliche Frage: Geht es rückwärts?

Alpine begehrt auf: Dritte Kraft in Barcelona?

Fernando Alonso lieferte in Barcelona sein 2023 bereits übliches Level ab. Überraschender ist, dass sich erneut Esteban Ocon vorne einfindet. Viel Fokus lag in den letzten Wochen auf den Upgrades von Ferrari und Mercedes, aber auch Alpine hat viel ans Auto geschraubt. Auf einen neuen Unterboden in Baku folgten seither eine neue Vorderrad-Aufhängung und ein neuer aggressiverer Seitenkasten.

"Seit Monaco fühlt sich das Auto lebendiger an", berichtet Ocon, der im zweiten Training den besten Ferrari von Charles Leclerc um vier Tausendstel abhängen konnte. In Barcelona beeindruckt der upgedatete A523 nun auch auf einer konventionellen Rennstrecke. Im Vergleich mit seiner direkten Konkurrenz sah Ocon in den langgezogenen Kurven gut aus.

Die Mercedes schwächelten in den langsamen, langen Kurven vier, fünf und zehn. Die Fahrer sind sehr vorsichtig, was Urteile zur Balance angeht, nachdem sie sich zuletzt beim Gefühl in die Vorderachse endlich einen Schritt nach vorne erhofften. Noch immer scheint beim F1 W14 kein klarer Durchbruch in Sicht, was die Balance durch die Kurven angeht.

George Russell fuhr mit dem größeren, Lewis Hamilton mit dem kleineren Heckflügel. Entsprechend unterschiedlich verloren sie ihre Zeit, das Problem des letzten Sektors bleibt. Bei Russell mit mehr Abtrieb ist es schon da. Bei Hamilton schien sich die Balance komplett zu verabschieden - so sehr, dass er am Abend ankündigte, dass sogar ein Q3-Auftritt keine Selbstverständlichkeit sei. Mit zum Problem wird für viele, darunter Mercedes, dass die neue letzte Kurve wieder das gefürchtete Bouncing auslöst. Das gilt es beim Setup zu umschiffen.

Ocon glänzte in der letzten Kurve, die nach dem Entfernen der Schikane zu einer Highspeed-Passage wurde. Dort blieb kein Fahrer voll am Gas, aber der Alpine-Pilot kam dem am nächsten. Dass sich die Fahrer die Reifen anders einteilen, daran sollten die Unterschiede nicht liegen, glaubt Pirelli-Ingenieur Simone Berra: "Der Reifen verliert im letzten Sektor keine Performance, du kannst weiter pushen und für die ganze Runde gute Performance haben."

Ferrari & Mercedes: Rettung nur im Renn-Trimm

Sowohl für Mercedes als auch für Ferrari gilt aber auch, dass die Erfahrungswerte mit den neuen Komponenten gering sind. Besonders für Ferrari: Im ersten Training fuhr die Scuderia erst einen Vergleichstest, bei Charles Leclerc waren überhaupt noch die alten Teile am SF-23. Beide Fahrer warnen, dass sie sich noch in der Frühphase des Auslotens des Setups befinden.

"Wir pushen das Auto Schritt für Schritt mehr, um es an Orte zu bringen, wo wir noch nicht sind, weil wir die Zeit dafür noch nicht hatten", sagt Leclerc. Bei Ferrari ist mehr noch als bei Mercedes das Ziel der Updates, das Auto berechenbarer und reifenschonender zu machen. Schnell ist der SF-23 schon, besonders im Qualifying.

Die Rennpace-Analyse lässt Ferrari hoffen. Carlos Sainz ist auf dem Soft-Reifen zweite Kraft hinter einem weit, weit enteiltem Verstappen, und zeigte vor allem konstante Rundenzeiten ohne dramatischen Einbruch und Fluktuation. Auch bei Leclerc sah es besser aus. Sein generelles Freitags-Defizit kann damit erklärt werden, dass er die neuen Teile erst in FP2 am Auto hatte.

Alpines gute Vorstellung verpufft im Renn-Trimm etwas. Zwar fuhr die Mannschaft, wie auch Mercedes, die Soft-Longruns früher und daher mit volleren Tanks, aber die Lücke ist zu groß. Eine grobe Schätzung verortet daher Mercedes, Ferrari und Alonso wieder in einem Paket, Alpine dahinter. "Wir wissen, wo wir uns verbessern müssen", verspricht Ocon trotzdem.

Nico Hülkenberg überraschte im zweiten Training mit der drittschnellsten Zeit, aber der Haas ist an der Spitze auch in Barcelona deplatziert. Eine Top-Runde des Fahrers, der sich wohlfühlte, reicht bei den engen Zeitabständen schon. Im Renn-Trimm sieht der VF-23 hingegen problematisch aus.

Unverändertes Kräfteverhältnis in Barcelona

So muss das Fazit der Trainings aber lauten, dass sich bisher am Kräfteverhältnis vorne nicht viel geändert hat. Bloß dass Alpine sich anschickt, sich zumindest im Qualifying-Trimm vorne zu etablieren, auch wenn Ocon und Pierre Gasly im Renn-Trimm noch nicht ganz mitmischen können.

An den Weltmeister sieht sich niemand rankommen. Verstappens überraschend kleiner Vorsprung auf Fernando Alonso in FP2 war der noch nicht perfekten Balance geschuldet. Außerdem muss Red Bull noch die Leistungsabgabe des Hybridsystems justieren. Auf der Qualifying-Simulation ging Verstappen nach Kurve 10 die Leistung aus. Dr. Helmut Marko schätzt, dass man noch drei Zehntel in Reserve hat.

Im Renntrimm wirkt Verstappen unantastbar. Der neue Streckenverlauf sorgt auch für hohe Belastung der harten Reifenpalette C1-C2-C3 von Pirelli. Die Reifenhersteller rechnen mit Soft-Hard-Hard als Rennstrategie. Fast alle Teams haben sich am Freitag daher auch zwei Hard-Reifensätze gespart, bis auf Alpine.

Und dann ist, trotz aller Updates, in Barcelona der Status quo wiederhergestellt. Red Bulls einziger Makel ist bislang ein schwacher Sergio Perez, der mit der Konstanz auf seinem Setup kämpft und sich nun näher an die Verstappen-Richtung annähert.

Vor allem der Kampf um die Pole verspricht dann Spannung. Ferrari und Mercedes hadern noch mit ihren neuen Paketen. Alpine droht zu stören. Fernando Alonso zielt auf das nächste Podium ab. Ein interessantes Rennen steht in Spanien sehr wohl bevor - nur ohne Max Verstappen. Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Barcelona gibt es hier im Liveticker.

Formel 1 Barcelona 2023: Der Zeitplan

Freitag:
13:30 Uhr - 14:30 Uhr: 1. Freies Training (LIVE: Sky, F1 TV Pro, ORF 1)
17:00 Uhr - 18:00 Uhr: 2. Freies Training (LIVE: Sky, F1 TV Pro, ORF 1)

Samstag:
12:30 Uhr - 13:30 Uhr: 3. Freies Training (LIVE: Sky, F1 TV Pro, ORF 1)
16:00 Uhr - 17.00 Uhr: Qualifying (LIVE: Sky, F1 TV Pro, ORF 1, SRF2)

Sonntag:
15:00 Uhr: Rennen (LIVE: Sky, Sky.de, Sky Youtube-Kanal, F1 TV Pro, ORF 1, SRF2)
19:00 Uhr - 20:00 Uhr: Highlights (Sport1)

Alle Infos zu den TV-Übertragungen zur Formel 1 von Sky, ORF und Co. gibt es hier im kompletten TV-Zeitplan.