Mercedes gegen Red Bull - die alten Rivalen der Formel-1-Saison 2021 ziehen wieder in die Schlacht. Tatsächlich geht es auch noch immer um die Saison 2021. Diese könnte nämlich ein finanzielles Nachspiel haben, so besagen am Freitag am Rande des Singapur-GPs durchgesickerte Gerüchte. So sollen zwei Teams, laut 'Auto Motor und Sport' möglicherweise Red Bull und Aston Martin, im Vorjahr die erstmals geltende Budget-Obergrenze überschritten haben.
Die FIA-Regelhüter halten sich bedeckt, verweisen lediglich auf das noch laufende Prüfverfahren. Solche Buchprüfungen können durchaus Monate dauern. Erst recht, da die Finanziellen Regeln der Formel 1 noch neu sind. Frühestens im Verlauf der nächsten Woche wird ein offizielles Ergebnis erwartet. Im Fahrerlager hat der Streit trotzdem schon begonnen. Mercedes attackiert Red Bull, auch Ferrari schießt sich auf die Rivalen ein. Dort ist man sich keiner Schuld bewusst.
Mercedes & Ferrari: Budget-Übertretung in der Formel 1 offenes Geheimnis
"Schaut, da gibt es Unmengen an Gerüchten", wehrt sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner auf 'Sky UK'. "Wir sind sehr zuversichtlich, was unsere Einreichung angeht, und wie wir uns innerhalb des Finanziellen Reglements bewegt haben. Jetzt liegt es bei der FIA. Wir vertrauen dem Verfahren und warten einmal ab, was rauskommt."
Keine Stunde später ging Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf 'Sky UK' zum direkten Angriff über: "Lustig, dass Christian das sagt, denn seit Wochen und Monaten wird ermittelt. Vielleicht spricht er nicht mit seinem CFO [Anm.: Chief Financial Officer, Finanz-Chef]. Wir wurden alle untersucht, und soweit wir wissen, gab es bei einem Team einen kleinen Verstoß, und ein anderes Team ist massiv darüber hinaus."
"Das wird noch immer untersucht, und das ist ein offenes Geheimnis im Fahrerlager", so Wolff. Kurz darauf schlägt Ferraris Renndirektor Laurent Mekies auf 'Sky Italy' in die gleiche Kerbe: "Es ist kein Geheimnis, dass zwei Teams die Budget-Regeln 2021 gebrochen haben. Eines um einen signifikanten Betrag, das andere weniger."
Das Finanzielle Reglement unterteilt in "Minor" und "Major Overspend Breach" (Kleine und Große Übertretung). "Klein" bedeutet eine Übertretung von weniger als fünf Prozent, "Groß" darüber. Der Strafenkatalog ist umfangreich, aber erklärt nicht im Detail, wann welche Strafen ausgesprochen werden. Das ist beabsichtigt. Die FIA will nicht, dass die Teams Kalkulationen anstellen, ob eine Übertretung die Strafe wert wäre.
Für eine kleine Übertretung kann es Verwarnungen, Sperren für Sessions, Testbeschränkungen, eine Senkung der Grenze für das nächste Jahr oder auch Punkte-Abzüge in beiden WM-Wertungen im Jahr des Verstoßes - hier also 2021 - geben. Bei einer großen Übertretung kann es bis zum WM-Ausschluss gehen. Eine Straf-Entscheidung würde vom sogenannten "Cost Cap Adjudication Panel" gefällt werden. Das ist ein unabhängiges Richter-Gremium. Es soll alle Umstände der Übertretung beurteilen.
Mercedes & Ferrari fordern klares Durchgreifen der FIA
Wolff will die Richter erst einmal ihre Arbeit machen lassen. Konkrete Strafforderungen äußert er keine. Sehr wohl aber will er ein hartes Durchgreifen sehen: "Selbst bei einer sogenannten Kleinen Übertretung unter fünf Prozent kannst du sieben Millionen mehr ausgeben. Wenn es nur eine kleine Strafe ist, dann werden wir in Zukunft alle pushen, um diese fünf Prozent zu erreichen."
Was Mercedes und Ferrari ärgert, ist die Tatsache, dass Investitionen und Entwicklungen in der Formel 1 nicht nur auf eine Saison Einfluss haben. "Wenn du fünf oder zehn Prozent mehr ausgibst als alle anderen, dann sind das viele Zehntelsekunden", sagt Wolff. "Wir konnten etwa unser Übergewicht, das dieses Jahr zweistellig ist, nicht reduzieren, weil wir einfach nicht das Geld hatten, um neue Teile zu bauen und ans Auto zu bringen." Laut ihm habe Mercedes auch über 40 Mitarbeiter entlassen müssen.
"Ich weiß nicht, wie viele Millionen wir umschichten und neu strukturieren mussten, um unter die Grenze zu kommen", so Wolff. Im Gegenzug hielten sich zuletzt Gerüchte, wonach Red Bull ein neues, leichteres Chassis homologiert haben soll. "Wenn das stimmt, dann können sie das im nächsten Jahr nutzen", beklagt sich Wolff. "Das ist eine Abfolge von Ereignissen, die alle drei Saisons beeinflussen kann."
Red Bull schießt zurück: Mercedes W13 jedes Rennen neu
Das verbale Zündeln kommt bei Red Bull nicht gut an. "Wenn ich in der gleichen Polemik weiterrede - es hat niemand gegeben, der wie Mercedes fast komplett neue Autos gebracht hat", kontert Red Bulls Motorsport-Chef Dr. Helmut Marko gegenüber Motorsport-Magazin. "Wie geht das?"
Red-Bull-Teamchef Horner fügt an: "Schaut, es gibt Unmengen an Gerüchten. Wir wissen, wo das herkommt. Viel wird über Red Bull spekuliert, aber es könnte durchaus vier oder fünf Teams betreffen. Es ist das erste Jahr mit diesen Regeln. Die Buchführung wurde im März eingereicht, seitdem gab es mehrere Klarstellungen, was eingereicht werden muss und wie. Diese Regeln sind noch sehr unreif."
Öffentlich ist, wie angesprochen, nichts. Die Teams rechnen momentan damit, dass von FIA-Seite am nächsten Mittwoch ein Ergebnis präsentiert wird. Der Tonus von Red Bull ist klar: "Wir haben keine Sorgen." Mercedes und Ferrari sind sich im Gegenzug genauso sicher, dass die Untersuchungen ein Nachspiel haben werden. Beide sprechen der FIA in Singapur ihr vollstes Vertrauen aus.
"Das wichtigste ist, dass die Übertretung bestätigt wird", sagt Ferrari-Renndirektor Mekies. "Diesbezüglich erwarten wir die volle Härte und maximale Transparenz." Die Positionen sind klar bezogen. Ob die FIA sich aber gar auf eine sportliche Strafe einlassen will, welche das Ergebnis der Saison 2021 ändert, ist fraglich.
"Wir verstehen, dass es für Formel-1-Fans schwierig sein mag, neue Ergebnisse zu akzeptieren", räumt Mekies auch dahingehend ein. "Aber es ist auch wichtig sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten werden und echte Regeln sind, für die es Strafen gibt, wenn sie gebrochen werden. Wenn nicht rückwirkend, dann wenigstens für die Zukunft."
Update: Nach den öffentlichen Äußerungen der Teamchefs schaltete sich am Freitagabend erneut die FIA ein und erneuert Forderungen, sich zu gedulden. Man habe "signifikante und nicht begründete Spekulationen und Gerüchte bezügliche der Angelegenheit" zur Kenntnis genommen. "Die Bewertung läuft, und ein faires Verfahren wird befolgt werden, ohne jedwede Diskussion von außen miteinzubeziehen." Außerdem wird erneut versichert: Sollten Verstöße vorhanden sein, werden diese entsprechend den im Reglement definierten Prozessen abgehandelt.
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