Die Formel 1 hebt die Budget-Obergrenze für 2022 nach langem Streit um fast 4,4 Millionen US-Dollar an. Das vereinbarten die Teams am Freitag in Österreich in einem Meeting der F1-Kommission. Dem war ein langer Streit vorangegangen. Die großen Teams warnten vor garantierten Übertretungen und Strafen, oder gar verpassten Rennen, die kleinen sperrten sich vehement gegen eine Anhebung.

Neun Teams, F1 und FIA stimmten in der Kommission schließlich für die Anhebung. Zu extrem sind steigende Inflation, Fracht- und Energiekosten. Danach traten die Teamchefs der Reihe nach vor die Medien, und kein einziger gab sich glücklich. Die Großen warnen weiter vor einem Bruch, die Kleinen haben jetzt genug. Das Kosten-Dilemma braucht eine Erklärung.

Warum die Formel-1-Budgetgrenze sowieso steigt

Um die Lage zu verstehen, ist es sinnvoll, sich das ganze Bild anzusehen. Allzu oft wird nur in absoluten Zahlen darüber gesprochen. Dass die Grenze 2021 eingeführt wurde und dann innerhalb von drei Jahren langsam gesenkt wird - von 145 auf 140 auf den finalen Wert von 135 Millionen Dollar. Das war der ursprüngliche Kompromiss: 135 machten die Kleinen glücklich, und die stufenweise Senkung ermöglichte es den Großen, die erzwungenen Kürzungen einfacher einzuarbeiten.

2022 wurde aber schon immer von 141,2 Millionen gesprochen. Warum? Es gibt Steigerungsparagrafen in den Regeln. Erster Punkt: Die Grenze basiert auf einer Saison mit 21 Rennen. Für jedes zusätzliche Rennen werden 1,2 Millionen aufgerechnet.

Auch dass die Inflation zunimmt, wurde bedacht und in einer automatisch greifenden Steigerung formuliert. Mit einer sogenannten "Indexierung" der Grenze: Der vom Internationalen Währungsfonds veröffentlichte Inflations-Jahresschnitt der G7-Staaten wird als Basis hergenommen, die Grenze damit erhöht. Die Regelung ändert sich hier: 2022 hätte diese Mechanik vorerst nur bei einer extremen Steigerung greifen sollen.

Nämlich nur dann, wenn die Inflation 3 Prozent überschritten hätte. Dann sollte die Grenze um die Übertretung erhöht werden. Heißt zum Beispiel: Bei 3,5 Prozent Inflation steigt die Kostengrenze um 0,5 Prozent. Summiert man diese Mechanismen auf, sehen die Zahlen so aus:

Formel-1-Kostengrenze: Der ursprüngliche Plan

Jahr20212022
Basis145 Mil.140 Mil.
Rennen über 2101 (+ 1,2 Mil.)
Grenze + Zusatz-Rennen145 Mil.141,2 Mil.
Inflation über 3 %--
Erhöhung--
Finale Grenze145 Mil.141,2 Mil.

Das Problem von 2022 ist der Stichtag für den Inflationswert. Es galt ursprünglich jener Jahresschnitt, den der Währungsfonds im September 2021 veröffentlichte. Der lag bei 3,0 Prozent, war also nicht ausreichend für eine Erhöhung.

In den letzten Monaten stieg die Inflation dann rapide, im offiziellen Währungsfonds-Bericht vom April 2022 hatte sie sich mit 6,1 mehr als verdoppelt. Nicht nur das: Der Ukraine-Krieg sorgt für Chaos am internationalen Frachtmarkt, die Transportkosten sind massiv gestiegen. Im Kielwasser des Krieges steigen auch die Energiepreise. Und es mag zwar einfach sein zu sagen, dass die Grenze für alle gleich ist, aber zu behaupten, dass die Top-Teams nur mehr Geld wollen, ist zu einfach. Sie haben ein fundamentales Problem.

Große Formel-1-Teams im Jahresplan gefangen

Finanzplanung findet nämlich nicht kurzfristig statt. "Das bedeutet, dass du eine gewisse Anzahl an Fixkosten hast, die du während dem Jahr nicht anpassen kannst", erklärt McLaren-Teamchef Andreas Seidl. Sein Team gehört zu denen, die für eine Erhöhung eintraten. Als die Grenze für 2022 im letzten Herbst feststand, plante McLaren, wie alle reicheren Teams, die Grenze bis zum Limit auszureizen.

Niemand wollte einen unnötig großen Puffer für überraschende Preissteigerungen freihalten. Als diese eintraten, war kein Spielraum für Reaktionen da. Ohne Spielraum bei Fixkosten nahmen die Grenzgänger schnell Kurs auf den Bruch des Reglements. Die Kompromisslösung der Formel 1 war, die April-Inflation von 6,1 Prozent als Basis herzunehmen und das ursprünglich geplante Prinzip anzuwenden. 3 Prozent werden davon abgezogen, um den Rest wird erhöht. Damit wächst die Kostengrenze um 3,1 Prozent.

Wie geht es danach weiter? Ursprünglich hätte ab 2024 nämlich die Inflationsrate von März des aktuellen Jahres mit dem Prozentsatz des Vorjahres kombiniert werden sollen. Das soll nun schon für 2023 möglich werden. Praktisch kann dann der erhöhte Vorjahreswert wieder um die Inflation erhöht werden. Die Kostengrenze kann also in absoluten Zahlen langsam steigen, soll im Verhältnis zur Inflation aber Jahr für Jahr gleichbleiben. Das war immer schon im Plan, nur eben erst nachdem man bis auf 135 Millionen gefallen war. Jetzt beginnt das System vorzeitig zu laufen.

Formel-1-Kostengrenze: Der neue Plan für 2022

Jahr2022
Basis140 Mil.
+ Mehr als 21 Rennen?1 (+ 1,2 Mil.)
+ Inflationskorrektur3,1% (+ 4,4 Mil.)
Finale Grenze145,6 Mil.

"Was das Timing angeht, war das schon eng", atmet Ferrari-Teamchef Mattia Binotto auf. "Wir waren dicht an der Grenze, manche Teams waren schon auf Kurs zum Bruch." Ferrari reicht der Kompromiss nur knapp: "Wir werden es nicht übertreten. Wir können uns keine Übertretung leisten." Mercedes-Teamchef Toto Wolff schätzt, dass sein Team wie auch Ferrari und Red Bull momentan über der Grenze liegen: "Also ist diese Änderung hilfreich. Löst sie unsere Probleme? Nein." Auch McLaren gesteht, dass der Betrag eigentlich nicht reicht.

Kleine Formel-1-Teams warnen: Jetzt muss Schluss sein

Das andere Ende des Formel-1-Feldes hat sich zum Kompromiss durchgerungen. Für Haas, Williams, oder für Alfa-Sauber macht die Anhebung keinen Unterschied. Diese Teams haben nämlich nicht einmal 140 Millionen Dollar. Ihr Limit war vom Saisonstart weg das eigene Budget. Sie haben kein Geld, um Teuerungen abzufangen, und sind gezwungen zu kürzen.

Daher auch der Frust. Etwa bei Alfa-Sauber. Das Team hatte erst in Silverstone einen schweren Unfall. "Ich gehe sicher nicht zur Bank und nehme einen Kredit auf, um die Teile zu zahlen", sagt Teamchef Fred Vasseur. "Daher muss ich bei der Entwicklung oder sonst irgendwo sparen."

Guanyu Zhous zerstörter Alfa kostet dem Team, Foto: LAT Images
Guanyu Zhous zerstörter Alfa kostet dem Team, Foto: LAT Images

"Jetzt ist es wichtig, dass wir dieses Kapitel abschließen", fordert Vasseur. Erst recht, da davor bereits die Freibeträge und Zulagen für Angestelltengehälter und für sogenannte Investitionsausgaben ("Capital Expenditure", auch bekannt als "CapEx") erweitert worden waren. Hier geht es um längerfristige Investitionen, etwa Gebäude und Grundstücke. Mehrere Teams planen momentan etwa neue Windkanäle.

"Über die letzten zwei Jahre haben wir Zeit damit verbracht, die Grenze um weitere Zulagen zu erweitern, CapEx zu erweitern, jetzt müssen wir aufhören", sagt Vasseur. Diesbezüglich gibt es Zustimmung von allen Seiten. Die Integrität der Budgetgrenze muss letztendlich gewahrt werden, heißt es.

Die Reicheren ringen sich zur Akzeptanz durch. Immerhin haben sie jetzt Planungssicherheit. "Wie wir dieses Jahr gesehen haben, gibt es nur wenige Hebel, die du betätigen kannst, sobald die Saison läuft", sagt Andreas Seidl. Die Basis-Zahl von 135 Millionen ab 2023 stellt niemand in Frage. "Niemand ist wirklich glücklich, also ist es schätze ich ein gutes Ergebnis", lautet das Fazit von Toto Wolff.