Max Verstappen ist in bestechender Form. Auf der vermeintlichen Ferrari-Strecke in Zandvoort holte der Red-Bull-Pilot mit 21 Tausendstel Vorsprung auf die Pole Position für das Rennen heute. Einfach geht es ihm in den Niederlanden aber nicht von der Hand, weder im Qualifying noch im Rennen. Nicht nur, weil Ferrari und Mercedes am Samstag auf Augenhöhe fuhren. Favoriten? Es gibt durchaus sechs realistische Sieger. Alle News zur Formel 1 heute in Zandvoort gibt es im Liveticker.
Verstappen ist einer davon, der aber mit viel Unsicherheit durch das Wochenende geht. Er hatte letztendlich nur ein einziges 60-minütiges Training, um Feintuning für Qualifying und Rennen zu betreiben. Denn am Freitag war er in FP1 nach wenigen Runden mit einem Getriebeproblem ausgerollt, worauf eine lange Reparaturpause und dann in FP2 eine Setup-Irrfahrt folgten.
Verstappen & Red Bull in Zandvoort im Hintertreffen
"Weil wir das Auto für FP2 eiligst hinbekommen mussten, waren ein paar Dinge in Sachen Setup nicht so wie erwartet, das hat nicht geholfen", erklärt Verstappen. "Deshalb war FP2 auch nicht wirklich repräsentativ." Das 2. Training wurde zur erweiterten Standortbestimmung, um die Probleme einzuengen. Die wirkliche Arbeit fand über Nacht statt.
Daher musste Verstappen als einer von wenigen am Samstag im 3. Training ein Doppelprogramm fahren. In drei Stints wurde erst das neue Setup mit Pushrunden ausgetestet, dann fuhr er - ungewöhnlich - einen achtründigen Longrun auf Soft, um das Setup auch im Renntrimm mit vollen Tanks auf Herz und Nieren zu prüfen. Dann beendete er FP3 mit Qualifying-Simulationen. Ferrari fuhr zum Beispiel da nur mehr schnelle Runden, für sie war das Thema Longruns am Freitag erledigt.
Verstappen glaubt trotz fehlender Zeit an Zandvoort-Chancen
Verstappens Longrun-Durchschnittszeit vom Samstag - 1:17,086 - ist zwar fast ident mit Ferraris Soft-Schnitt vom Freitag, aber für Vergleiche kaum etwas wert. Die Strecke entwickelt sich stark, die Bedingungen ändern sich, viele andere Faktoren wie Benzin und Motormodi spielen mit hinein. Was man in FP2 noch vergleichen kann, wenn jeder zum gleichen Zeitpunkt fährt, ist in FP3 kaum mehr in Relation zu setzen.
Fest steht aber, dass Verstappen damit zufrieden war: "Es hat gut ausgesehen, ich bin happy mit dem Auto." Die Zeiten fielen in den acht Runden nicht ab. Gleiches galt für Sergio Perez. Unter den gegebenen Umständen fühlt sich Red Bull so gut vorbereitet wie nur irgendwie möglich.
Ferrari hat Angst nach letzten Blamagen
Die problemfrei fahrenden Ferraris bereiteten sich am Freitag nach bestem Wissen und Gewissen vor und führten mangels Verstappen-Gegenwehr in FP2 die Longrun-Tabellen an. Auf dem Papier sieht es gut aus für die Scuderia, um bei der Sieg-Entscheidung Red Bull auf Augenhöhe zu begegnen. Doch Ferrari kämpft mit einem bösen Trend. "Normalerweise finden Red Bull und zuletzt auch Mercedes am Sonntag etwas, das wir nicht hatten", ist Carlos Sainz besorgt.
Der F1-75 tendiert seit Ungarn dazu, über die Renndistanz die Reifen zu fressen, zumindest relativ zu Red Bull und Mercedes. Weshalb Sainz und Teamkollege Charles Leclerc bisher keine Garantien für Zandvoort abgeben wollen. "Wenn wir auf Frankreich und Österreich zurückschauen, da lief es am Sonntag", meint Sainz. "Hoffentlich läuft es mehr wie in diesen beiden Rennen, und wir können Max das ganze Rennen über herausfordern."
Ferrari hofft in Zandvoort auf Strategie-Zange
Strategisch ist Ferrari dafür im Vorteil. Nachdem Sergio Perez ein schwaches Qualifying inklusive Dreher ablieferte, landete er nur auf Platz fünf und garantierte mit der ausgelösten gelben Flagge auch Platz sechs für George Russell im Mercedes. Leclerc und Sainz stehen direkt hinter Verstappen auf zwei und drei, Lewis Hamilton folgt noch auf Platz vier.
Die Ferrari-Fahrer sind mehr als bereit, aggressiv im Rennen die Strategien zu splitten. "Das hier ist eine Strecke, wo das Überholen sehr schwierig ist", erinnert Leclerc. "Ich hoffe, wir sind morgen so nah dran wie heute. Dann können wir mit Carlos und mir ein bisschen spielen, um Max unter Druck zu setzen."
Die Überholfeindlichkeit von Zandvoort ist dokumentiert, auch mit neuen Autos und mit mehr DRS durch die letzte Kurve zweifeln viele an der Renn-Action. Also geht es um die Strategie. Pirelli ist sich noch unsicher. Zwei Stopps sollen die optimale Rennzeit bringen, aber selbst eine Soft-Medium-Einstopp sei möglich. Der Hard war in den Trainings unbeliebt, hier kommt auch die härteste Pirelli-Auswahl von C1-C2-C3 zum Einsatz.
Die Strecke ist aber auch mit Gras und Kiesbetten prädestiniert für Safety Cars. Bei etwaigen Soft-Plänen mit mehreren Stopps ist Verstappen im Vorteil: Im Qualifying sparte er sich einen zusätzlichen Satz Soft-Reifen.
Mercedes kämpft auch in Zandvoort mit dem Auto
Eigentlich rechnen in Zandvoort sowohl Red Bull als auch Ferrari außerdem mit Mercedes. Lewis Hamilton unterstrich das, als er im Qualifying im Pole-Kampf mitmischte und ohne den Perez-Dreher vor ihm vielleicht sogar in der ersten Reihe gestanden wäre. "Ich denke, sie werden mindestens so schnell wie wir sein im Rennen", warnt Carlos Sainz.
Hamilton und Russell arbeiteten in FP3 ebenfalls an der Rennpace. Das Problem bleibt für Mercedes die Unberechenbarkeit. Und das Auto ist in Zandvoort weiter nicht überall stark. "Wir sind hier in den meisten Kurven sehr wettbewerbsfähig, aber durch den Highspeed-Teil in Kurve sieben fehlt uns Performance auf Ferrari und Verstappen", erinnert Toto Wolff. "Da hat das Auto seine Schwäche, das kannst du nicht ausbalancieren, damit es überall funktioniert."
Gesamtheitlich sah Mercedes in Zandvoort trotzdem so gut aus wie noch nie in dieser Saison - in den Trainings auf Spitzen-Niveau, im Qualifying ebenfalls, folgt tatsächlich das lang ersehnte gute Rennen? Es ist jedenfalls angerichtet. Sechs Autos scheinen in Zandvoort heute realistische Siegchancen zu haben.
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