Abrechnung von Jos Verstappen nach dem Großen Preis von Monaco 2022 der Formel 1. In einer gesalzenen wöchentlichen Kolumne auf der offiziellen Website der Verstappens ledert der Vater von Formel-1-Weltmeister Max Verstappen nach dem dritten Platz seines Sohnes im Fürstentum gewaltig ab. Dabei bekommt nicht nur Red Bull für eine vermeintliche Benachteiligung des WM-Führenden gegenüber Sieger Sergio Perez sein Fett weg, sondern auch der RB18, Pirelli und die FIA.

"Ehrlich gesagt habe ich kein gutes Gefühl, was das Rennwochenende in Monaco anbelangt. Und das ist noch milde ausgedrückt", beginnt 'Jos The Boss' seine schonungslose Kritik an allem, was Max Verstappen in Monaco auch nur irgendwie in die Quere kam. "Erstens denke ich, sie hätten gleich um drei Uhr anfangen sollen. Heutzutage scheint sich jeder in der Rennleitung beim ersten Anblick von ein paar Regentropfen stressen zu lassen", wettert Verstappen senior. Junior Max ist als ausgewiesener Regenfahrer berüchtigt. Für Jos Verstappen Nachteil eins.

Jos Verstappen wettert wegen spätem Monaco-Start gegen FIA

Die Erklärung der FIA, den Teams in einem sich anbahnenden starken Regenschauer mehr Zeit einräumen zu wollen, auf die Regenreifen umzustecken, lässt Verstappen nicht gelten. "Sicher, es wäre ein chaotischer Start gewesen und die Teams hätten gerätselt, welcher Reifen die beste Option gewesen wäre. Aber das wollen die Leute sehen", kritisiert der 50-jährige Niederländer.

Dass dann auch noch die Technik streikte, macht der ehemaligen Formel-1-Piloten regelrecht fassungslos. "Nun wartete man nur, dann stellte sich heraus, dass es auch Probleme mit der Startampel gab. Die FIA oder die Organisation, wer auch immer dafür verantwortlich ist, sollte sicherstellen, dass es für solche Situationen eine Reserve gibt und dass die Ausrüstung in Ordnung ist", poltert Verstappen senior.

Pirelli-Regenreifen für Verstappen senior eine Zumutung

Die resultierenden Starts hinter dem Safety Car würden dem Sport die Würze nehmen, Verstappen. "Vor allem auf einer Rennstrecke wie Monaco. Wir leben in einem leistungsorientierten, professionellen Sport. So etwas darf nicht passieren", schreibt der 107-malige GP-Starter. Stehende Restarts hätten Max Verstappen im engen Monaco deutlich größere Chancen gegeben, sich nach dem bitteren vierten Platz im Qualifying - darauf kommt Verstappen erst noch - wieder nach vorne zu arbeiten. Für Jos Verstappen Nachteil zwei.

Dann seien da noch die Full Wets von Pirelli selbst. "Ich finde es auch unglaublich zu sehen, wie wenig Grip die Fahrer auf den Regenreifen haben. Das ist beim letzten Rennen nicht neu gewesen, sondern schon lange so. Dagegen sollte etwas getan werden. Sie müssen sicherstellen, dass die Reifen mit drei Zentimetern Wasser klarkommen", wettert Verstappen in Richtung Mailand. "Früher konnten wir das auch, damals in den Tagen des Wettbewerbs zwischen Bridgestone und Michelin." Nachteil drei? Nein, eher eine Generalkritik im Rausch der Abrechnung.

Verstappen moniert: Zu schnell rote Flagge

Genau damit geht es sofort weiter. "Außerdem kommen heutzutage sehr schnell rote Flaggen heraus. Tsunoda prallte im Qualifying mit dem linken Vorderrad gegen die Leitplanke und sofort wurde eine rote Flagge geschwenkt. Sie ruinieren es für die anderen Fahrer", kritisiert Verstappen.

Auf seine schon in diesen Punkten persönlich alles andere objektive Rolle geht Verstappen erst danach konkret ein - und wittert weitere Ungerechtigkeiten. "Auch als Vater war ich vom Rennen enttäuscht. Der dritte Platz von Max war sehr enttäuschend. Wir haben alle gesehen, dass es ein schwieriges Wochenende für ihn war", gesteht Verstappen. Gesteht? Nicht ganz.

Jos Verstappen: Red Bull RB18 passt Max' Fahrstil noch nicht

Sehr viel mehr scheint sich für Jos Verstappen schlicht der Red Bull RB18 noch mehr in Richtung des Weltmeisters entwickeln zu müssen. "Das fängt beim Auto an, das einfach noch nicht die Charakteristika für seinen Fahrstil hat. Max hat viel zu wenig Grip an der Vorderachse. Und gerade in Monaco mit all den kurzen Kurven braucht man ein Auto, das sehr schnell einlenkt. Das war einfach schwer", schildert der Niederländer. Ja, Nachteil drei.

Ralf Schumacher sieht hier dagegen Verstappen selbst in der Verantwortung. "In Monaco war er [Perez] über das ganze Wochenende der bessere Fahrer. Das sollte Max zum Anlass nehmen, um sich von seinem Teamkollegen ein paar Dinge abzuschauen. Max hat einen sehr aggressiven Fahrstil. Mit den schwereren Autos kam er in der Vergangenheit sehr gut zurecht. Das neue Konzept der Fahrzeuge kommt dagegen Sergio mehr entgegen. Als Fahrer, dem das Reifenschonen sehr gut liegt, kann er mehr aus dem Auto rausholen", schreibt Schumacher in seiner aktuellen Sky-Kolumne. "Deshalb sollte Max versuchen, den Fahrstil von Sergio in gewissen Streckenabschnitten zu adaptieren und in die ein oder andere Kurve etwas langsamer hineinfahren."

Jos Verstappen kritisiert Red Bull: In Monaco zu wenig Hilfe für Max

Zurück zu Jos Verstappen. Denn noch immer ist der Niederländer längst nicht fertig mit Kritik an Red Bull. Auch abseits des Fahrzeugs fehlte es Verstappen in Monaco an Unterstützung für seinen Sohn. "Red Bull erzielte ein gutes Ergebnis, hat aber gleichzeitig wenig unternommen, um Max nach vorne zu verhelfen. Dass er Dritter wurde, verdankt er Ferraris Fehler beim zweiten Stopp von Charles Leclerc", betont Verstappen - nicht Red Bull. "Dem Tabellenführer, Max, wurde in dieser Hinsicht mit der gewählten Strategie nicht geholfen. Es wendete sich vollständig zu Checos Gunsten. Das war für mich enttäuschend, und ich hätte mir gewünscht, dass es für den Tabellenführer anders wäre."

Max Verstappen selbst hatte der Strategieabteilung Red Bulls unterdessen bereits unmittelbar nach dem Rennen am Sonntag ein großes Lob ausgesprochen - abseits eines minimalen, aber letztendlich folgelosen Makels zu Rennende. Für Verstappen senior steht allerdings fest: In Monaco hat Red Bull seine angebliche Nummer zwei bevorzugt. "Pérez gewann das Rennen wegen des früheren Boxenstopps. Das kann das Team vielleicht als Glücksspiel erklären, aber sie hatten zum Beispiel bei Gasly schon gesehen, dass die Intermediates zu diesem Zeitpunkt die beste Option waren", meint der ehemalige Teamkollege von Michael Schumacher. "Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich da für Max entschieden hätten." Nachteil vier.

Verstappen: Zehn Punkte für Max weggeschmissen!

Tatsächlich hatte Sergio Perez in dieser Phase des Rennens auch schlicht sehr viel Glück. Lando Norris, der noch auf Regenreifen fuhr, kam eine Runde später zum Reifenwechsel. Nur so konnte Perez die überlegene Pace seiner Intermediates sofort ausnutzen und Carlos Sainz im Kampf um P1 überwinden.

Erst nach diesen Punkten Manöverkritik kommt Verstappen zu dem Schluss: "Ich bin natürlich nicht ganz objektiv." Dennoch sieht Verstappen - mit gesundem Menschenverstand - angesichts des engen WM-Rennens gegen Charles Leclerc - ein klares Defizit: "Ich denke, hier sind zehn Punkte von Max weggeschmissen worden. Gerade mit den zwei Ausfällen, die wir hatten, brauchen wir jeden Punkt. Man darf nicht vergessen, dass Ferrari derzeit ein besseres Auto hat, besonders im Qualifying."

Verstappen tobt, Perez verlängert

Genau dort habe Verstappen dann auch noch Pech gehabt - ausgerechnet wegen des dann im Rennen plötzlich bevorzugten Perez. "Max hatte im Qualifying Pech, denn in seinem letzten Lauf war er bis zum Crash von Pérez deutlich schneller und auf dem Weg zum zweiten Platz. Dann wäre alles anders gewesen", meint Verstappen. Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko hatte den Perez-Unfall am Samstag wegen der Folgen für Verstappen kritisiert. "Max war bis zum Zwischenfall um drei Zehntel vorne. Sein Schwachpunkt war Kurve eins. Das war jetzt gelöst, das heißt wir waren auf Augenhöhe mit Leclerc", sagte der Grazer. "Von der Strategie her, war alles optimal bis auf den Crash des Teamkollegen."

Abgesehen all dieser Dinge freue auch er sich für Perez, so Jos Verstappen im letzten und einzigen positiv formulierten Absatz seiner Kolumne. "In Monaco zu gewinnen, ist natürlich etwas Besonderes und ich hoffe, er genießt es. Und ab jetzt gilt die volle Konzentration den nächsten Rennen in Baku und Kanada." Für den Mexikaner galt die Konzentration zumindest am Dienstag nach dem Rennen etwas anderem: Red Bull verkündete eine Vertragsverlängerung mit dem 2022 deutlich verbesserten Sergio Perez - in der Formel-1-WM-Tabelle nun nur noch 15 Zähler hinter WM-Leader Verstappen - um gleich zwei Jahre bis 2024.