Die Formel 1 lässt Europa hinter sich und macht sich am nächsten Wochenende auf nach Singapur. Rennen 15 von 21 verspricht ganz anders zu werden als der vorangegangene Italien GP. In Singapur wird bei tropischer Hitze in der Nacht gefahren, auf einem verwinkelten und langsamen Stadtkurs.

Also ist zu erwarten, dass sich das Kräfteverhältnis hier wieder dreht. War Ferrari auf den Highspeed-Strecken von Spa und Monza noch stark, so droht der Scuderia in Singapur wieder Gefahr. Um die Favoritenrolle streiten sich Mercedes und Red Bull, doch zwischen den beiden kann es spannend werden.

Singapur-Duell zwischen Mercedes und Red Bull?

Mercedes schickt sich jedenfalls an, in Singapur wieder ihren angestammten Platz als die Nummer eins der Formel 1 einzunehmen. Die Zeiten, in denen Mercedes hier Probleme hatte, sind lange vorbei: Ihr aktuelles Design - ein Auto mit viel Abtrieb - passt auch zu verwinkelten Kursen. Siege in Monaco und Ungarn durch Lewis Hamilton beweisen das. Hamilton selbst ist auf solchen Kursen ebenfalls stark - das zeigt schon ein Blick auf seine legendäre Qualifying-Runde beim letzten Singapur-Auftritt.

Die Gefahr lauert diesmal in der Red-Bull-Box. Seit Ungarn schienen sie sich dort in der Warteschleife zu befinden. Wohl wissend um das Leistungs-Defizit von Honda versuchten sie auf den Power-Strecken gleich gar nichts und wechselten stattdessen lieber Motoren. Aber Singapur ist für Max Verstappen und Co. wieder eine ganz andere Welt: Sie rechnen mit einer Rückkehr der Ungarn-Form - sprich, Mercedes ebenbürtig zu sein.

Auf dem Papier sollte Red Bull für Singapur sogar noch besser aufgestellt sein. Die Strecke ist langsam, belohnt ein gutes Chassis mit viel Abtrieb, braucht aber keinen starken Motor - das sind die perfekten Grundvoraussetzungen. Und Red Bull hat bei beiden Autos jetzt die letzte Honda-Ausbaustufe in Verwendung. Alle im Team versichern: Die hält, was sie verspricht. Eine Rückkehr in den Kampf um den Sieg wäre also zu erwarten.

In Ungarn kam es zuletzt zum Duell Hamilton gegen Verstappen, Foto: LAT Images
In Ungarn kam es zuletzt zum Duell Hamilton gegen Verstappen, Foto: LAT Images

Gleichzeitig wird es in Singapur zum ersten Mal zu einem unverfälschten Schlagabtausch zwischen Max Verstappen und seinen neuen Teamkollegen Alex Albon kommen. Diesmal erwarten beide keine Motorenstrafen, und Albon hat bereits zwei Rennen mit dem Auto hinter sich. Dass er Verstappen schlägt, verlangt natürlich niemand. Aber wie nahe er ab jetzt an ihm dranbleiben kann, wird über seine Zukunft entscheiden. Anders gesagt: Hier darf er nicht im Mittelfeld stecken bleiben.

Ferrari vor Singapur: Alte Sorgen trotz neuer Teile

Dass Ferrari pace-technisch in Singapur mitmischen kann, glaubt eigentlich niemand, auch nicht nach zwei Leclerc-Siegen in Folge. "In Wahrheit liegen diese Siege schon hinter uns und wir wissen, dass Singapur neue Herausforderungen mit sich bringt und ein Layout, auf dem unser Auto nicht stark ist", gesteht Teamchef Mattia Binotto.

"Wir bringen ein paar neue Teile hier, um die Lücke weiter zu verringern", so Binotto. Doch die Lücke in den langsamen Kurven besteht weiterhin, und in Singapur gibt es nicht mehr genügend Geraden, um das Defizit wettzumachen.

Spannung kann Ferrari aber trotzdem bieten. Selbst wenn sie nicht um den Sieg kämpfen, so geht das Teamduell in die heiße Phase. Charles Leclerc hat den noch immer sieglosen Sebastian Vettel in der WM überholt und sich als neue Nummer eins für die Zukunft ins Spiel gebracht, während Vettel in Monza zu alter Fehleranfälligkeit fand. Er ist in Singapur gut beraten, unauffällig zu bleiben, denn mittlerweile fehlen nur mehr drei Strafpunkte zu einer Rennsperre. Leclerc hat jetzt die Chance, die Machtverhältnisse bis zum Saisonfinale ganz klar zu stellen - kann er das auch?

Nächste Runde im Formel-1-Mittelfeld

Nach wie vor führt McLaren das Mittelfeld an. Zuletzt waren sie selbst auf Power-Strecken vorne dabei, wurden aber von Defekten und Eigenfehlern eingebremst, WM-Siebter und "Smooth Operator" Carlos Sainz verzeichnete zwei Ausfälle. In Singapur sollten die Chancen auf den Titel "Best of the Rest" aber wieder gut stehen, denn die Strecke passt von vornherein besser.

Renault war nach den Plätzen vier und fünf in Monza nach Feiern zumute. Aber wer genau hinhört, merkt gleich: Es lag vor allem am Low-Downforce-Paket. Über dem Standard-Modell des R.S.19 schweben noch immer die gleichen Fragezeichen wie vorher. Das Auto hat ein sehr schwer zu findendes Setup-Fenster und Probleme in schnellen und mittelschnellen Kurven, ist aber in langsamen Kurven stark. Singapur kann also gut laufen - wenn Hülkenberg und Ricciardo sofort den richtigen Weg finden und einschlagen.

Mit kleinen Flügeln ging der Renault in Monza deutlich besser, Foto: LAT Images
Mit kleinen Flügeln ging der Renault in Monza deutlich besser, Foto: LAT Images

Toro Rosso, Racing Point, Alfa und Haas dürfen natürlich genauso wenig vergessen werden. Besonders Racing Point will weiter nach vorne. Seit Hockenheim bringen sie regelmäßig Upgrades, es geht aufwärts. "Dieses Wochenende bringen wir weitere Aero-Entwicklungen, die sollten uns noch einen Schub geben", glaubt Teamchef Otmar Szafnauer.

Haas hat zumindest die Sponsoren-Farce um Rich Energy gelöst und tritt in Singapur mit neuer Lackierung an. Die Probleme mit dem Auto auf der Strecke bestehen aber noch immer. Bei normalem Rennverlauf sind Punkte schon seit Wochen nicht mehr möglich, die Saison gerät immer mehr zum Testlauf.

Singapur und der Gott des Zufalls

Aber gerade in Singapur darf auf Außergewöhnliches gehofft werden. Hier besteht Safety-Car-Garantie, noch nie ging ein Rennen ohne Unterbrechung zu Ende. "Wir haben gesehen, dass in diesem Rennen alles passieren kann", erinnert Sebastian Vettel. Ein enger und einzigartiger Stadtkurs, bei körperlich herausfordernden Wetterbedingungen, das löst viele Fehler aus.

Singapur 2017: Regen vor, Crash beim Start, Foto: Sutton
Singapur 2017: Regen vor, Crash beim Start, Foto: Sutton

"Auf einer Strecke wie Singapur gibt es keine Selbstläufer", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Wir müssen dieses Auto und die diesjährigen Reifen auf einem sehr speziellen Streckenverlauf verstehen und dürfen bei unserer Herangehensweise an das Wochenende absolut nichts als selbstverständlich ansehen."

Die Strecke in Singapur: Der Marina Bay Street Circuit

Der Marina Bay Street Circuit ist als Strecke eine Herausforderung. 5,063 Kilometer lang, mit 23 Kurven, viele davon 90-Grad-Abzweigungen. Das Ganze findet auf öffentlichen Straßen statt, und daher gibt es kaum Auslaufzonen. Rundenzeiten sind also langsam und bewegen sich im Bereich von 1:40, und das Rennen dauert lange, oft geht es durch Safety-Car-Unterbrechungen bis ans zwei-Stunden-Limit.

Zwar ist die Strecke nicht gerade für Überhol-Feste bekannt, aber es gibt für 2019 Neues: Eine weitere DRS-Zone wurde im hinteren Teil hinzugefügt, das soll nachhelfen.

Singapur 2019: Das Wetter bei der Formel 1

Noch schwieriger macht es allerdings das Wetter. Zuerst einmal ist es natürlich ein Nachtrennen - FP2, Qualifying und Rennen werden bei Flutlicht gefahren. Aber trotzdem bewegen sich die Temperaturen nur knapp unter 30 Grad Celsius. Hinzu kommt eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, wegen der sich selbst in der Nacht die Temperaturen eher wie 40 Grad anfühlen - und in der Box auch gerne real über 40 Grad erreichen.

2019 findet sich außerdem ein neues Problem: Waldbrände auf der nahegelegenen Insel Sumatra sorgen dafür, dass Dunst nach Singapur zieht. Der hat am Mittwoch vor dem Rennen schon gesundheitsschädliche Ausmaße erreicht. Ob es so schlimm wird, dass die Formel 1 reagieren muss, ist allerdings noch nicht sicher. Hier heißt es weitere Prognosen abwarten.

Formel 1 Singapur: Die Reifenwahl

Pirelli bietet in Singapur die drei weichsten Reifenmischungen an, und Mercedes gibt sich bei beiden Fahrern konservativ: zwei Sätze Hard, drei Medium, nur acht Soft. Im Gegenzug kommt Ferrari mit neun Sätzen Soft, Red Bull hat gar zehn Sätze Soft und nur einen Satz Medium pro Fahrer bestellt. Auch bei Renault und Racing Point geht man sehr aggressiv vor, bei Williams ungewöhnlich konservativ.

Formel 1 Singapur: Der Zeitplan

Zwar sind die Europa-Rennen vorbei, doch mit dem Nachtrennen von Singapur bleibt der Zeitplan ähnlich. Ähnlich, aber nicht identisch: Die Freitagstrainings rücken um 30 Minuten vor, und das Rennen um eine Stunde. Hinweis für MotoGP-Fans: Wer auch das an diesem Wochenende stattfindende Aragon-Rennen live verfolgen möchte, kann das trotzdem problemlos tun. Die MotoGP hat ihren Start aus genau diesem Grund vor auf 13:00 Uhr verlegt.

Freitag:
10:30 Uhr - 12:00 Uhr: 1. Freies Training (LIVE: Nitro, n-tv.de, tvnow.de, Sky, F1 TV Pro)
14:30 Uhr - 16:00 Uhr: 2. Freies Training (LIVE: Nitro, n-tv, n-tv.de, tvnow.de, Sky, ORF1, F1 TV Pro)

Samstag:
12:00 Uhr - 13:00 Uhr: 3. Freies Training (LIVE: Sky, F1 TV Pro; Highlights: RTL 14:00 Uhr)
15:00 Uhr: Qualifying (LIVE: RTL, tvnow.de, Sky, ORF1, SRF2, F1 TV Pro)

Sonntag:
14:10 Uhr: Rennen (LIVE: RTL, tvnow.de, Sky, ORF1, SRFinfo, F1 TV Pro)