Die Formel 1 steht vor dem Ende der Saison 2019: Pünktlich zum ersten Advent steigt das Saisonfinale in Abu Dhabi. Dort geht es trotzdem um mehr als nur ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für Konzernchefs. Ferraris grenzwertiges Teamduell mit Sebastian Vettel und Charles Leclerc, Technik-Tricks, Red Bulls Attacke gegen die Spitze, harte WM-Kämpfe im Mittelfeld und Abschiede von zwei Veteranen bieten reichlich Gesprächsstoff, der in der letzten Vorschau des Jahres abgehandelt werden muss.

Ferrari, Vettel, Leclerc suchen in Abu Dhabi Absolution

Sonntag in Brasilien war der Albtraum schlechthin für Ferrari. Auf der Strecke eskalierte der Kampf zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc bis zur Kollision und zum doppelten Ausfall. Konsequenz: Nur Leclerc kann Max Verstappen noch den dritten WM-Rang streitig machen, muss ihm dafür aber mindestens elf Punkte abnehmen. Vettel hat sich mit der Kollision aus dem Spiel genommen, kann höchstens Leclerc um Platz vier bringen. Dafür braucht er jedoch einen Sieg. Das teaminterne Duell scheint Leclerc nach dem Brasilien-Clash so gut wie gewonnen zu haben.

Dem Team waren die harten Bandagen der letzten Rennen allerdings zu viel. Von ganz oben kam Kritik: Leclerc und Vettel hätten vergessen, dass sie Ferrari-Fahrer sind, meinte ein verärgerter Konzernchef John Elkann. Beide wurden zum Debriefing nach Maranello zitiert, Teamchef Mattia Binotto will die Situation dabei entschärft haben. "Wir haben es alle drei gemeinsam und einzeln diskutiert", sagt Binotto kurz vor Abu Dhabi in einer Q&A-Session auf Instagram. "Ich glaube, sie verstehen, dass das, was passiert ist, nicht akzeptabel ist, und wir wissen, wie wir weitermachen." Schuldzuweisungen spart er sich.

Bei dem ganzen Fahrer-Drama geriet das Motoren-Drama fast in den Hintergrund. Schummelt Ferrari jetzt bei den Benzinleitungen und führt mehr Treibstoff als erlaubt zu? Die FIA hatte jedenfalls genug von den Gerüchten und forderte in Brasilien von drei Teams Teile des Benzinsystems an. Inzwischen häufen sich die Technischen Direktiven, die klarstellen, was im Bereich des Fuel Flow Meters und der Benzinzufuhr erlaubt ist und was verboten.

Aus all diesen Klarstellungen und Untersuchungen entstanden aber kaum Konsequenzen. Die öffentlichen Kritiker Red Bull sparten sich einen Protest, und von der FIA kamen weder Strafe noch Zurechtweisung, nur Funkstille. Ist Ferraris Benzinzufuhr also legal? Oder hat man sie vor Brasilien umgebaut? Das Team freute sich in den letzten beiden Rennen über gute Abtriebswerte und Kurvenperformance, nur deshalb soll der Topspeed-Vorteil geschrumpft sein. Weil der SF90 jetzt Kurven besser nimmt.

Binotto und Co. halten weiter an dieser Linie fest. Pole ging in Brasilien trotzdem an Red Bull. Abu Dhabi ist die letzte Gelegenheit, die Zweifler zu überzeugen - die Formel 1 ist zurück auf Seehöhe und nicht mehr in extremer Höhenlage, es gibt enge Kurven, und die Reifen werden stark beansprucht. Hält Ferrari hier wieder mit, wäre die Sache zumindest sportlich erledigt. Dass enge Kurven nicht mehr ihr Untergang sind, wollten sie ja eigentlich in Singapur und Sotschi bewiesen haben.

Red Bull sucht in Abu Dhabi nach Formbeweis

Red Bulls Abu-Dhabi-Ausblick ist schnell abgehandelt: In Brasilien stellten sie das stärkste Auto, im Rennen und im Qualifying. Können sie das wiederholen, oder war es den Umständen geschuldet? Zwar verneinen sie, dass es in Brasilien rein an der Charakteristik und der ungewöhnlichen Höhenlage der Strecke lag, aber einen Vorteil zogen sie daraus auf jeden Fall.

Max Verstappen will noch einen Red-Bull-Honda-Sieg, Foto: LAT Images
Max Verstappen will noch einen Red-Bull-Honda-Sieg, Foto: LAT Images

Abu Dhabi ist da ganz anders. "Wir kommen von einer fließenden Strecke wie Interlagos auf eine enge und verwinkelte Strecke in Yas Marina, wo das Auto komplett anders abgestimmt werden muss", erklärt Max Verstappen. Brasilien war perfekt auf den RB15 zugeschnitten, Abu Dhabi ist es nicht. Sieg Nummer vier wird wohl etwas schwieriger.

Mercedes sucht in Abu Dhabi nach Wiedergutmachung

Bleiben noch die, die eigentlich keine Rolle mehr spielen. Für Mercedes geht es sportlich um nichts - außer um die Ehre. Und die wurde in Brasilien verletzt. Ein Auto defekt, das ganze Wochenende zu langsam, dann auch noch strategische Fehltritte. "Das Rennen in Brasilien verlief für uns enttäuschend", bemängelt Toto Wolff.

Für ein Team wie Mercedes geht das gar nicht, selbst wenn alle Titel bereits in trockenen Tüchern sind. "Damit sich das nicht wiederholt, haben wir analysiert, was falsch gelaufen ist, sowohl mit Blick auf die Zuverlässigkeit als auch unsere Entscheidungen während des Rennens", verspricht Wolff. "Nachdem wir uns in Brasilien unter Wert geschlagen haben, haben wir in Abu Dhabi etwas gutzumachen." Dafür gibt es eigentlich keine bessere Strecke. In Yas Marina ist man seit 2014 ungeschlagen, und auch 2019 sollte die Strecke dem Auto liegen.

F1 sucht Spannung: Heiße Mittelfeld-WM in Abu Dhabi

Wer noch echte WM-Spannung sucht, muss das im Mittelfeld der Formel 1 suchen. Hier ist nur McLarens vierter Platz in der Team-WM fix, alles andere ist noch offen. Und gerade im Kampf um die Team-Plätze geht es um viel, nämlich um Millionen an Preisgeld, die im nächsten Jahr ausgezahlt werden. Wer besser liegt, kassiert.

Im Kampf um Platz fünf erhöht Toro Rosso dank eines erstarkten Pierre Gasly nochmals den Druck auf Renault, deren Auf-und-Ab sich bis zum Finale zieht. Dann wäre da noch Platz sieben in der Team-WM, aber hier heißt es Vorteil Racing Point: Alfa kämpft in der zweiten Jahreshälfte nämlich mit dem Auto, die 22 Punkte aus Brasilien waren teils großes Glück. Nebenbei kämpfen außerdem Gasly, Sainz und Alex Albon noch um Platz sechs in der Fahrer-WM.

Nur Haas und Williams spielen nicht mit, ihre Chancen sind wahrlich nur mehr mathematischer Natur. In der Realität entwickeln beide für 2020.

Formel-1-Abschiede in Abu Dhabi, Debüts beim Test

Zwei Fahrer müssen sich in Abu Dhabi von der Formel 1 verabschieden: Zuerst einmal wäre da Nico Hülkenberg, der seinen Platz bei Renault nach drei Jahren räumen wird. Wie es mit ihm in der Zukunft weitergeht, ist ungewiss. Genauso ist Robert Kubicas Comeback-Tournee beendet: Mit einem WM-Punkt steht er wohl vor dem endgültigen Abschied als Einsatzfahrer, Gerüchten zufolge wird er 2020 Simulatorfahrer bei Haas oder Racing Point.

Während die Saison 2019 am Sonntagabend vorbei ist, beginnt die Saison 2020 gewissermaßen schon am Dienstag: Denn alle Teams bleiben vor Ort, um für Pirelli zwei Reifen-Testtage abzuspulen. Und nicht nur die Teams bleiben, auch Motorsport-Magazin.com tut das und wird live von den Testfahrten im Ticker berichten. Auf jeden Fall wird dort Esteban Ocon seinen ersten Auftritt in Renault-Farben absolvieren. Außerdem wird bald eine Fahrer-Entscheidung bei Williams erwartet, hier befindet sich F2-Pilot Nicholas Latifi in der Favoritenrolle.

Abu Dhabi und Yas Marina Circuit: Charakteristik, Reifen, Wetter

Die Strecke: Abu Dhabi ist ein enger Kurs, langsam, mit 21 Kurven sehr verwinkelt. Zwar gibt es zwei lange Geraden, aber selbst mit zwei DRS-Zonen helfen die beim Überholen nur wenig. Dafür ist einfach zu schwer, in den Kurven zu folgen. Hoher Reifenverschleiß tut das übrige.

Die Reifen: Pirelli bringt die weichsten Mischungen. "Trotzdem wird es wohl ein Ein-Stopp-Rennen", vermutet Sebastian Vettel. "Weil Überholen trotz der zwei DRS-Zonen so schwierig ist." Warum wechseln, wenn man mit frischen Reifen nicht vorwärts kommt. Bei der Reifenwahl selbst gibt es nur wenig Variation, fast alle setzen auf acht Soft-Reifen und füllen ihr restliches Kontingent mit Medium und Hard auf.

Das Wetter: Abu Dhabi ist das klassische Nacht-Wüstenrennen. Rennstart in den Abendstunden, Ziel unter Flutlicht. Von Regen keine Spur, und die Nacht wird auch die Temperaturen nicht zu extrem werden lassen. Wie immer gilt: Das erste und dritte Training finden noch am Nachmittag statt, bieten also wenig Aussagekraft. Nur das zweite Training liefert verlässliche Werte für Qualifying und Rennen.

Zeitplan und TV-Programm Abu Dhabi GP 2019

Donnerstag:
14:00 Uhr: Fahrer-Pressekonferenz - Leclerc, Vettel, Magnussen, Verstappen
14:30 Uhr: Fahrer-Pressekonferenz 2 - Räikkönen, Sainz, Gasly, Kvyat

Freitag:
10:00 Uhr - 11:30 Uhr: 1. Freies Training (LIVE: F1 TV Pro, Sky, ntv.de, tvnow.de)
12:00 Uhr: Teamchef-Pressekonferenz - Binotto (Ferrari); Brown (McLaren), Wolff (Mercedes), Abiteboul (Renault), Williams (Williams)
14:00 Uhr - 15:30 Uhr: 2. Freies Training (LIVE: F1 TV Pro, Sky, n-tv, ntv.de, tvnow.de)

Samstag:
11:00 Uhr - 12:00 Uhr: 3. Training (LIVE: F1 TV Pro, Sky - Highlights: RTL, tvnow.de 13:00 Uhr)
14:00 Uhr: Qualifying (LIVE: F1 TV Pro, Sky, RTL, tvnow.de, ORF1, SRF2)

Sonntag:
14:10 Uhr: Rennen (LIVE: F1 TV Pro, Sky, RTL, tvnow.de, ORF1, SRF2)