Alle erwarteten vor dem Formel-1-Qualifying in Monza eine große Windschatten-Schlacht. Daraus wurde im finalen Teil aber nichts. Stattdessen stritten sich neun Autos eine Runde lang fast im Schritttempo um die Plätze - denn niemand wollte den Zug anführen, alle wollten sie Windschatten genießen. Statt Showdown gab es Schleichfahrt

Die Konsequenz: Nur zwei Fahrer schafften es vor Ablauf der Uhr überhaupt noch auf eine schnelle Runde. Alle anderen wurden nach der Aufwärmrunde abgewunken. Die Stewards urteilten nach Stunden mit Verwarnungen gegen die Zugführer Hülkenberg, Sainz, und Stroll. Der Schaden lag aber nicht unbedingt im Qualifying-Ergebnis.

Formel 1 im Monza-Bummelzug: Sahen aus wie Idioten

Eher geht es um die schiefe Optik, die die Qualifying-Schleichfahrt von Monza hinterlässt. Statt Spitzensport lieferten sich alle zum wiederholten Mal - schon zuletzt in Spa spielten die Fahrer damit - ein abstruses Schachspiel um Windschatten, das am Ende keiner gewann, weil sie sich alle verschätzten. "Eine kleine Komödie", kommentiert Lance Stroll später. "Jeder hat sich wohl mit der Zeit verschätzt, alle wurden gierig nach Windschatten, und am Ende hatte ihn niemand."

"Jeder will den Windschatten, es ist ein Nervenkrieg", beschreibt es Toto Wolff gegenüber Sky UK. "Wer fährt zuerst raus. Dann nehmen manche noch mehr Tempo raus, fahren durch die Schikane, und dann sahen alle wie Idioten aus." Er findet wohl die stärksten Worte danach: "Das ist nicht Formel-1-würdig."

Wolff: Windschatten-Spiele in Monza nicht verhältnismäßig

"Diese Dinge können meiner Meinung nach auf eine Art passieren, die auch ein Schachspiel um die beste Startposition ist", sagt Wolff später. Mercedes sind keine Unbekannten, was das angeht: In Baku kamen sie mit der Idee an, als erste aus der Box zu fahren - nur um dann dort stehen zu bleiben und (völlig legale, aber im Qualifying ungewöhnliche) Startübungen durchzuführen, während alle anderen vorbeizogen.

"Aber an einem Punkt eskalierte es, und wir konnten es in der Formel 3 gestern sehen, dass es Spiele mit Abkürzen in der Schikane und dem Fahren am Minimum-Speed gab", zieht Wolff eine Grenze. "Das war nicht mehr verhältnismäßig. Und was wir heute gesehen haben, mit der Konsequenz, dass die ganzen Autos die Runde verpasst haben, ist traurig für die Formel 1."

Monza-Chaos zu erwarten: Ergibt sich aus Qualifying-Format

Nicht alle finden das Monza-Qualifying so schlimm. "Nö, so ist der Sport", wehrt Schleichfahrer Nico Hülkenberg ab. "Hier gehört das dazu, das Windschattenfahren." Auch Haas-Teamchef Günther Steiner meint zu Motorsport-Magazin.com: "Ich glaube nicht, dass es peinlich ist. Auf dieser Strecke, mit dem Quali-Format? Seid ihr alle überrascht? Nein. Teil des Spiels."

"Ich würde nicht sagen, dass sie dumm waren, sie haben Spiele gespielt", sagt Steiner. "Jeder versucht etwas anderes, und auf dieser Strecke passiert das, weil der Windschatten so stark ist."

"Er ist richtig stark bei diesen breiten Autos", erklärt Max Verstappen. "Und sogar verglichen mit 2017 wurde er stärker. Ich glaube, alle bauen mehr Abtrieb drauf, und damit erzeugst du mehr Luftwiderstand. Sogar wenn ein Auto vier Sekunden vor dir ist, holst du noch zwei Zehntel raus. Deshalb macht es jeder."

"Wenn du keinen Windschatten hast, ist es sinnlos, eine Zeit zu fahren", sagt Romain Grosjean zu Motorsport-Magazin.com. "Du verlierst eine halbe Sekunde, sechs Zehntel." Nur muss eben immer einer der erste sein.

Stewards fordern nach Monza Veränderungen

Die Stewards beließen es daher am Ende bei Verwarnungen. Nach einer noch extremeren Eskalation im Formel-3-Qualifying am Vortag waren noch Strafen für das halbe Feld ausgesprochen worden. Am Samstag blieb es jedoch bei einer Bitte, in jeder Entscheidung notiert: "Die Stewards empfehlen der FIA dringend, eine Lösung für dieses Problem zu suchen."

Mit Tricks wie dem Parken im Notausgang der ersten Schikane wurde schließlich ein neuer Tiefpunkt erreicht. "Das ist scheiße, da stimme ich zu", sagt Grosjean. Er glaubt: "Die einzige Lösung wäre, dass in Q3 jeder einzeln fährt, ohne Windschatten."

Allerdings sind sich schließlich alle einig: Das Problem wirkt durch die Highspeed-Strecken Monza und Spa größer, als es ist. "Im nächsten Rennen wirst du die Leute das nicht mehr machen sehen", mutmaßt Verstappen. "Ich werde versuchen, eine Lücke von acht Sekunden zu halten. Das heute war typisch Monza, wie schon immer über die Jahre hinweg."