Kimi Räikkönen ist zurück: Nach einem ungewohnt starken Saisonstart, zwei bitteren technischen Ausfällen und einem Leistungsdurchhänger punktete der älteste Pilot im Formel-1-Feld zuletzt zweimal in Folge besser als Ferrari-Teamkollege Sebastian Vettel. Auch gegen Lewis Hamilton setzte der Iceman wegen dessen Ausfall in Spielberg einen Big Point.
Mit nun 101 Punkten ist Räikkönen zudem der einzige Fahrer neben Vettel und Hamilton mit dreistelliger Zahl an WM-Zählern. "Es ist jetzt wieder besser als noch vor ein paar Rennen, klar. Aber wir haben eben auch zwei Ausfälle erlitten, das hat mir nicht geholfen", sagt Räikkönen. "Leider ist das Teil des Spiels. Abgesehen davon haben wir einen ziemlich ordentlichen Job gemacht."
Kimi Räikkönen plötzlich zurück im WM-Rennen?
Räikkönen weiter: "Wir müssen einfach sicherstellen, dass solche Dinge nicht wieder geschehen. Denn du kannst nicht erwarten, dass auch der andere mal einen Defekt hat. Vor zehn Jahren vielleicht. Aber du kannst dich heute nicht mehr darauf verlassen. Schau' nur die vergangenen Jahre an. So läuft das nicht mehr."
Doch war es genau deshalb überhaupt gut für die Titelambitionen Ferraris insgesamt, dass in Österreich der Finne, nicht der Deutsche, den größeren Big Point gegen Mercedes setzte? Wenn jeder Punkt zählen kann, weil große Batzen fast nie auf einen Schlag gewonnen oder verloren werden können? Sprich: Hätte Ferrari nicht die Stallorder-Karte zücken, Vettel an Räikkönen vorbeiwinken sollen?
Ferrari spart sich in Spielberg Teamorder: Risiko im Titelkampf?
Manch ein Experte war genau dieser Meinung. Ferrari könnte sich am Saisonende noch ärgern und an Österreich denken, sollten Sebastian Vettel in der Endabrechnung eben diese drei Punkte zum ersten WM-Titel für Ferrari seit - Ironie des Schicksals - Kimi Räikkönen 2007 fehlen.
Mitunter diskutiert wurde das Thema in manchen Kreisen auch wegen des für diese Debatte maßgeschneiderten Orts: In Spielberg hatte es Anfang des Jahrtausends immerhin die Mutter aller Teamorder-Manöver gegeben. Jean Todts "Let Michael pass for the Championship" an Schumachers damaligen Ferrari-Kollegen Rubens Barrichello ist längst der vielleicht berühmteste Satz der gesamten Formel-1-Geschichte.
Vettel: Stallregie Schumacher/Barrichello war was anderes
"Nein, das waren andere Zeiten", winkt Sebastian Vettel jetzt in Silverstone auf Nachfragen ab, ob ein ähnliches Verfahren am vergangenen Rennwochenende nicht auch angemessen gewesen wäre. Die ausgebliebene Order überraschte den Deutschen also nicht.
Lewis Hamilton schon eher: "Bin ich überrascht? Es gab dieses Jahr schon wenigstens ein oder zwei Szenarien, bei denen ich gedacht habe, dass sie die Autos tauschen würden, weil das die Philosophie ist, die sie mal hatten. Aber sie machen was sie machen. Ich beschäftige mich damit nicht groß."
Überrascht, Kimi? Nein, nein und nein!
Doch wie ging es Kimi Räikkönen selbst? Wunderte sich der Finne im Cockpit, seinen zweiten Platz unmittelbar vor Vettel behalten zu dürfen? Denkt man nur an die Rollenverteilung in Monaco und Ungarn des vergangenen Jahres zurück, scheint das fast nahezuliegen. Auch für eine Kollegin, die den Finnen in dessen erster Medienrunde zum Großbritannien GP darauf anspricht.
"Nein", antwortet Kimi mit einem Wort auf die Frage, ob es ihn überrascht habe. Dann nochmal Nachfrage: "Nein?" Kimi erneut: "Nein!" Nächste Nachfrage mit den Situationen der jüngeren Vergangenheit. Und Kimi? Nein zum Dritten. Kurz, aber präzise dieser Finne.
Räikkönen: Wir haben Regeln, ihr macht einfach eure Geschichten
Eine etwas längere Erklärung lässt der Iceman schließlich doch folgen: "Wir haben immer gesagt dass wir sehr klare Regeln haben. Und daran halten wir uns seit ich in diesem Team bin. Wir wissen, was wann passiert und wenn es so kommt, dann ist es normal für uns."
Aber er könne eben viel seine Sicht und die Realität schildern. "Ihr macht trotzdem große Geschichten", wettert Räikkönen mal wieder Richtung Presse. Zuletzt hatte er sich in Österreich schon wegen Gerüchten um seine Zukunft ähnlich angetan geäußert. "An einem gewissen Punkt wird es immer passieren - und dann ist es mehr als gerecht. Aber gerade ist nicht die Zeit dafür."
Räikkönen: Ferrari kann Mercedes in Silverstone 2018 endlich fordern
Ebenso wenig die Zeit sei für Fragen zu seiner Zukunft. "Werden wir später sehen. Gerade gilt mein erster Gedanke diesem Wochenende. Wir sehen dann, was geschieht. Ich habe keine Antwort. Und das sage ich nicht zum ersten Mal", knarzt Kimi auf die tatsächlich gefühlt hundertste Frage zu diesem Thema in den vergangenen Wochen.
Und wie sind dann die Gedanken zu diesem Wochenende? Endlich ein Thema, über das Räikkönen weitaus lieber spricht. Der Grund: Anders als Sebastian Vettel sieht der Finne Ferrari in Silverstone nicht als klaren Außenseiter gegen Mercedes. "Letztes Jahr waren wir hier gar nicht so schlecht", erinnert Räikkönen. "Wir waren locker Zweiter bis wir diesen Reifenschaden hatten, der uns zurückgeworfen hat. Aber in Sachen Pace waren wir schon stärker als in den vorherigen Jahren."
Wetter, neuer Asphalt, neue Autos - Wer weiß schon, was passiert?
Doch war Mercedes auch 2017 dennoch in einer eigenen Silverstone-Liga. Auch das hat Räikkönen nicht vergessen. Allein auf Basis der Vorjahre sei Mercedes der Favorit. Doch Räikkönen glaubt daran, 2018 den nächsten Schritt gehen zu können. "Ich denke, dass wir gut sein können, wenn wir die Dinge alle so hinbekommen wie wir wollen. Außerdem soll es nicht so windig werden dieses Jahr. Das hilft uns."
"Wir hatten hier noch nie so ein Wetter wie jetzt. Das könnte einen Unterschied machen, wenn es so bleibt. Und das soll es wohl." Für das gesamte Rennwochenende in Großbritannien sind Temperaturen von nahezu 30 Grad vorhergesagt, die Regenwahrscheinlichkeit tendiert gegen Null.
Damit jedoch nicht genug der möglichen Asse für Ferrari. "Der Asphalt ist auch noch neu, wer weiß, was das bringt. Es gibt also viele Unterschiede zum vergangenen Jahr, viele Dinge, die es verändern können. Warten wir also erst einmal ab", sagt Räikkönen.
diese Formel 1 Nachricht