"Okay he pushed me off the track. I think you have to leave a space. All the time you have to leave a space!", "GP2 Engine, GP2. Arghh!", "Just leave me alone, I know what I am doing!", "I am stupid, I am stupid!" oder auch: "Mein Gott, muss das sein!? So ein Bockmist aber auch!" - Fernando Alonso, Sebastian Vettel, Charles Leclerc und speziell natürlich Kimi Räikkönen verschafften sich auch dank solch polarisierender und in den Sozialen Medien hohe Wellen schlagender Aussagen Legendenstatus in der Formel 1. Aussagen, die über das 'Team-Radio' das Licht der Welt erblickten. Und genau diese - nicht immer unaufgeregte - Kommunikation zwischen Fahrer und Rennstall ist in der Formel 1 seit vielen Jahrzehnten nicht nur etabliert, sondern auch ein ganz entscheidendes Puzzlestück im Kampf um Erfolg und Misserfolg geworden. Auch in zahlreichen anderen großen Rennserien wie IndyCar, DTM, WEC oder Formel E ist der Boxenfunk längst nicht mehr wegzudenken.

In der MotoGP wurde auf ein solches Funksystem bislang jedoch verzichtet. Auch nach zahlreichen Testversuchen wurde in der Vergangenheit stets gegen eine Einführung entschieden. Was Jorge Martin in seinen Helm hineinfluchte, als ihn Enea Bastianini in der letzten Runde des Emilia-Romagna-GP von der Strecke boxte, haben wir dadurch nie erfahren. Ebenso wenig Marc Marquez' Reaktion auf den legendären 'Sepang-Clash' mit Valentino Rossi oder Andrea Doviziosos Gedanken, als ihn sein damaliger Ducati-Teamkollege Andrea Iannone in der vorletzten Kurve des Argentinien-GP 2015 um ein sicheres Podium brachte. Wie viele hunderte legendäre Sprüche und Wutausbrüche den Fans der Motorrad-WM dadurch wohl schon durch die Lappen gegangen sind? Wir werden es nie erfahren. Ab 2025 soll nun aber auch die Königsklasse auf zwei Rädern ein Funksystem erhalten, das sickerte rund um den Misano-Test im September durch. Aber wie soll das 'Team-Radio' der MotoGP funktionieren? Und warum sollen die Gedanken der Fahrer trotzdem (vorerst) geheim bleiben? Das Motorsport-Magazin liefert euch alle Antworten.

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MotoGP folgt Funk-Vorreiter Formel 1

Offiziell bestätigt ist die Einführung des Boxenfunks übrigens noch nicht, bis dato sind also sämtliche Informationen noch mit Vorsicht zu genießen. Dass das Teamradio kommen wird, gilt in Insider-Kreisen im MotoGP-Paddock aber als gesichert. Sollte das tatsächlich auch so geschehen, würde die MotoGP damit in einem Bereich nachziehen, in dem die Formel 1 bereits seit knapp 40 Jahren Vorreiter ist. Dort wurde nämlich schon in den 80er-Jahren erstmals ein Funkverkehr zwischen Fahrer und Team eingeführt. Der Hintergedanke war damals rein sportlicher Natur: Der Fahrer sollte das Team beispielsweise über mögliche Beschädigungen am Auto informieren können, damit potenzielle Reparaturen beim Boxenstopp besser vorbereitet werden können oder der Kommandostand dem Fahrer in Mischbedingungen über die Entwicklungen rund um ihn herum informieren könnte. Zuvor erfolgte sämtliche Kommunikation nämlich noch ausschließlich über die sogenannten Pitboards, also Boxentafeln, auf denen der Fahrer über Zeitabstände, Rundenzahl und Ähnliches informiert werden konnte. Sonderlich effektiv und schnell war diese Art der einseitigen Kommunikation - der Fahrer hatte keine Möglichkeit, seinem Team Informationen zukommen zu lassen - jedoch nicht. Dadurch entstand der Gedanke der direkten Kommunikation mittels Funk. Ohne Zweifel die deutlich sinnvollere Variante in einem Sport, in dem es um jede Tausendstelsekunde geht. Anfangs noch sehr primitiv, entwickelte sich das Funksystem in der Königsklasse des Motorsports schnell weiter und wurde auch von immer mehr anderen Rennserien aufgegriffen.

Mittlerweile hat sich der Funkverkehr zwischen Team und Fahrer sogar zu einem der elementarsten Bestandteile der Formel 1 entwickelt und spielt in diesem immer komplexeren Sport eine zentrale Rolle, um die maximale Performance aus dem Auto herauszuholen. Heutzutage läuft in der Formel 1 sämtliche Kommunikation über den Funk ab. Nicht nur die Kommunikation zwischen Fahrer und Kommandostand, sonderlich auch sämtliche teaminterne Kommunikation. Alle Teamangestellten sind in das Funksystem integriert, kommunizieren auf eigenen Kanälen miteinander. Über zahlreiche Schnittstellen sind sie miteinander verknüpft. Das ermöglicht jedem Formel-1-Team Reaktionen innerhalb von Sekundenschnelle. Meldet der Fahrer ein Problem, kann die Motorenabteilung sofort prüfen und Hilfestellung leisten. Die Strategieabteilung ist im ständigen Austausch, um jederzeit auf mögliche 'Under-' oder 'Overcuts' durch Konkurrenten sowie potenzielle Safety-Cars und VSCs [Virtual Safety-Car] reagieren zu können und der Renningenieur kann dem Fahrer detailliert erklären, in welchen Kurven er Zeit auf seine Konkurrenten verliert oder an welchen Stellen er seine Reifen besser verwalten muss. Nicht selten wurden in den vergangenen Jahren auf diese Art und Weise Rennen gewonnen - oder im Fall von schlechter Kommunikation verloren.

Einseitige MotoGP-Kommunikation über Pit- und Dashboard

In der MotoGP gibt es all das nicht, dort wurde auch 2024 lediglich auf zwei Möglichkeiten der (einseitigen) Kommunikation zwischen Fahrer und Team gesetzt. So gab es weiterhin die Boxentafeln, die von den Teams auf Start-Ziel von der Boxenmauer herausgestellt werden. Auf diesen kann der Fahrer etwa über seinen Vorsprung auf den Hintermann oder den Rückstand vom Führenden informiert werden. Aufgrund des begrenzten Platzes auf dem Pitboard muss jedoch mit Kürzeln gearbeitet werden, die zu Saisonbeginn mit dem Fahrer abzustimmen sind, damit dieser sie auch versteht. Auf einer Boxentafel steht während des Rennens dann bspw.: "L20, P3, +1.2" Bedeuten würde das in diesem Fall, dass der Fahrer nun in Runde 20 geht, auf Platz drei liegt und 1,2 Sekunden Vorsprung auf seinen ersten Verfolger hat. Wichtige Informationen für den Piloten - wenn er sie denn lesen kann. Garantiert ist das nämlich nicht. Zum einen ist es gar nicht so einfach, die doch recht kleinen Ziffern und Buchstaben auf dem Pitboard zu erkennen, wenn der Fahrer mit über 300 km/h auf Start-Ziel an der Boxenmauer vorbeidonnert. Zudem muss unter den 22 verschiedenen Boxentafeln erstmal die richtige gefunden werden. Und dann kann es im Rennen auch noch jederzeit passieren, dass sich der Fahrer auf Start-Ziel im Zweikampf befindet, seinen Fokus also auf das Motorrad neben ihm verlagern muss. Da kann so ein Pitboard schnell mal untergehen und dann gibt es erst eine komplette Runde später wieder die Möglichkeit, die Informationen darauf abzulesen. Schließlich kommen die MotoGP-Stars nur einmal pro Umlauf am Kommandostand auf Start-Ziel vorbei. Und dann gibt es noch das Problem, dass die Informationen nicht immer brandaktuell sind, schließlich müssen die Pitboards rechtzeitig besteckt werden, um bei Ankunft des Fahrers auf Start-Ziel ausgehangen zu sein. Die Informationen, die dann auf dem Pitboard zu lesen sind, stammen folglich schon aus der Zeitmessung des zweiten oder dritten Sektors und könnten schon wieder veraltet sein.

Über das Dashboard erhält der Fahrer Informationen vom Team, Foto: KTM
Über das Dashboard erhält der Fahrer Informationen vom Team, Foto: KTM

Aus genau diesen Gründen führte die MotoGP Mitte der 2010er Jahre zusätzlich die Kommunikation über das Dashboard ein: Ein kleines Display, das zentral zwischen Windschild und Lenker angebracht ist. Dort können dem Fahrer zu jedem Zeitpunkt brandaktuelle Informationen mitgeteilt werden, etwa welcher Kontrahent gerade hinter ihm liegt, dass er zum Reifen- oder Bike-Wechsel an die Box kommen oder auf welches Motoren-Mapping er wechseln soll. Zudem nutzt auch die Rennleitung das Dashboard, um dem Fahrer Mitteilungen zukommen zu lassen. Flaggensignale oder Strafen werden so beispielsweise an ihn übermittelt. Ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem herkömmlichen Pitboard, aber auch kein perfektes System. Denn der Fahrer kann durch das Aufleuchten des Dashboards durchaus auch abgelenkt werden und Fahrfehler machen, ist er nicht auf die Nachricht vorbereitet. Jorge Martin lieferte erst im September im Sprint in Misano das perfekte Beispiel, wurde er doch von einer Tracklimits-Warnung überrascht und machte daraufhin einen letztlich entscheidenden Fehler. Er verbremste sich und ging weit, Titelrivale Francesco Bagnaia sagte 'Danke' und gewann.

Beide Systeme sind also weit von der Perfektion entfernt und alles andere als ideal - speziell, weil sie eben nur einseitig funktionieren. Der Fahrer hat keine Möglichkeit - von Handzeichen abgesehen - Informationen an sein Team zu senden. Warum also wurde ein Funksystem wie in der Formel 1 nicht längst auch in der MotoGP eingeführt? Nun, es gibt mehrere Gründe. Nachgedacht wird über ein Teamradio im Grunde schon seit Bestehen der MotoGP, doch es sprach bislang immer etwas dagegen. Eine Umsetzung gestaltet sich in der Motorrad-WM nämlich deutlich schwieriger als in der Formel 1. Ein Motorrad-Rennfahrer ist körperlich deutlich aktiver als ein Kollege auf vier Rädern, muss sich während des Fahrens auf deutlich mehr Aspekte konzentrieren. "Man könnte argumentieren, dass es der richtige Weg wäre, aber ich glaube nicht, dass es richtig ist. Das Team redet in dein Ohr und das könnte ablenkend sein, also ziehe ich es vor, so etwas nicht zu haben", erklärte etwa Chris Vermeulen schon im Jahr 2007. Trotzdem wurde immer wieder mit möglichen Funksystemen experimentiert.

Die Startaufstellung ist die letzte Möglichkeit für direkte Kommunikation zwischen Fahrer und Teammitgliedern, Foto: LAT Images
Die Startaufstellung ist die letzte Möglichkeit für direkte Kommunikation zwischen Fahrer und Teammitgliedern, Foto: LAT Images

MotoGP wehrt sich lange Zeit gegen Einführung eines Funksystems

Die letzte Testreihe, die nun auch zur finalen Einführung führen wird, begann während der Corona-Saison 2020. Honda-Testfahrer Stefan Bradl - seinerzeit als Ersatz für den verletzten Marc Marquez unterwegs - durfte das neue System damals als erster Pilot während des San-Marino-GP testen, die restlichen 21 Stammfahrer zogen beim Misano-Test nach. "Wir sind natürlich mit diesem Projekt noch ganz am Anfang, aber es hat gut funktioniert. Ich habe einige Nachrichten bekommen und konnte die Stimme gut hören. Es hat mich auch nicht abgelenkt", zog Bradl damals ein positives Fazit. Gleichzeitig wurde aber auch schnell klar, dass es noch einige Dinge zu verbessern gab. Speziell die unterschiedlichen Geräuschkulissen während der Fahrt und der Komfort im Helm bereiteten Probleme. In den vergangenen Jahren wurde das Funksystem deshalb anhand des Fahrerfeedbacks immer wieder überarbeitet und bei weiteren Testfahrten eingesetzt. 2023 wurden etwa zwei unterschiedliche In-Ear-Kopfhörer ausprobiert. Fabio Quartararo testete seinerzeit als einer von drei Piloten und erklärte anschließend: "Das funktionierte gut und wenn sie es auf gute Art und Weise nutzen, ist das eine coole Sache." Ein echter Fortschritt, aber der grundsätzliche Tenor blieb stets ablehnend. "Wir brauchen diese Funk-Verbindung nicht wirklich, wir haben ja schon das Dashboard-System mit den Pop-Up-Infos darauf", kommentierte Jack Miller und Luca Marini meinte: "Für mich ist das unmöglich umzusetzen, wir brauchen das nicht. Wir haben kaum Zeit zum Atmen. Jemand, der dir ins Ohr spricht, ist meiner Meinung nach ziemlich ablenkend." Eine Meinung, die auch der amtierende Weltmeister teilt. Bagnaia erklärte nach dem Flag-to-Flag-Chaos im San-Marino-GP: "Wir bekommen schon jeden nötigen Input um die Strecke herum [durch Marshals und Light-Panels, Anm.], über das Pitboard oder über das Dash. Ich bin daher gegen eine Einführung."

Nur 24 Stunden später sickerte am Rande des Misano-Tests jedoch durch, dass die MotoGP zur kommenden Saison genau das tun wird: Ein Funksystem einführen. Bereits 2025 sollen die Piloten der Königsklasse mit einem Kommunikationssystem im Helm ausgestattet werden. Doch warum kommt das Teamradio, wenn es doch von der Mehrheit der Fahrer gar nicht gewünscht wird? Nun, das letzte Wort hat MotoGP-Promoter Dorna Sports. Und dass die Spanier um CEO Carmelo Ezpeleta keine Scheu davor haben, Entscheidungen gegen den Willen der Fahrer durchzudrücken, zeigte sich erst im August 2022 mit der Einführung der Sprints. Doch diesmal ist die Situation eine etwas andere. Denn im Vordergrund steht beim Teamradio kein kommerzieller Aspekt, sondern die Sicherheit der Piloten. Geplant ist nämlich eine schrittweise Einführung des Funksystems, welches zunächst nur einseitigen Kontakt von der Rennleitung zum Fahrer zulässt. 2025 wird es einzig Rennleiter Mike Webb möglich sein, den MotoGP-Stars auf das Ohr zu sprechen. Die Kommandos sollen dabei kurz und prägnant ausfallen sowie ausschließlich in Gefahrensituationen zur Anwendung kommen - etwa, wenn ein gestürzter Fahrer und/oder sein Motorrad mitten auf der Strecke liegengeblieben sind oder sich in einer Kurve Öl auf der Ideallinie befindet.

"Ich denke, dass das eine gute Idee sein kann", sagt Alex Rins deshalb. Mitentscheidend, dass das Funksystem ab 2025 Realität werden wird, ist aber auch, dass das Problem mit dem Komfort wohl endlich gelöst werden konnte. So gehören die gefährlichen und unbequemen In-Ear-Köpfhörer, die speziell bei Stürzen ein großes Sicherheitsrisiko darstellten, der Vergangenheit an. Stattdessen testeten Quartararo und Co. in Misano ein neues System, bei dem der Kopfhörer nicht im Ohr, sondern außerhalb des Ohres im Ohrläppchen platziert wird. Das soll den Piloten deutlich mehr Komfort bieten, der Sound wird mittels Vibration übermittelt. Dort ist zwar noch Feinarbeit gefragt, grundsätzlich zeigte sich Quartararo aber schon sehr zufrieden mit der neuen Variante. "Wir müssen noch an der Lautstärke der Audio-Nachrichten arbeiten, weil du sie manchmal nicht gut verstehen kannst", sagt der Franzose. Speziell unter Vollgas auf Geraden sei es noch schwierig, schließlich produziert ein MotoGP-Motor unter Volllast etwa 130 Dezibel, vergleichbar mit einem startenden Düsenjet. In den Anbremszonen seien die Kommentare der Rennleitung jedoch schon sehr gut zu verstehen und somit eine willkommene Hilfe im Kampf für mehr Sicherheit auf der Rennstrecke.

Das Funksystem soll die Möglichkeit geben, vor Fahrern zu warnen, die auf der Strecke liegen geblieben sind, Foto: LAT Images
Das Funksystem soll die Möglichkeit geben, vor Fahrern zu warnen, die auf der Strecke liegen geblieben sind, Foto: LAT Images

MotoGP plant schrittweise Einführung von Funk ab 2025

Im zweiten Schritt der geplanten Einführung soll es ab 2026 dann auch den Fahrern möglich gemacht werden, Kommentare an die Rennleitung zu schicken. Auch hier steht zunächst nur der Sicherheitsgedanke im Vordergrund. Heißt: Die MotoGP-Stars sollen die Rennleitung über mögliche Teile auf der Strecke benachrichtigen können oder sie wissen lassen, wenn die Bedingungen unter Starkregen zu gefährlich werden. Diskussionen über die Rechtfertigung von Strafen oder Ähnlichem soll es nicht geben - zumindest auf dem Papier. Ob es ein Fahrer nicht irgendwann doch versuchen wird, sich während des Rennens aus einer Strafe herauszudiskutieren, wird die Zukunft zeigen. Die grundlegende Idee ist jedoch, dass das neue Funksystem einzig zur Verbesserung der Sicherheit genutzt wird - und genau aus diesem Grund werden die Gedanken der Fahrer zu kontroversen Szenen wie Kollisionen, Stürzen oder harten Überholmanövern auch in Zukunft geheim bleiben, zumindest vorerst. Grundsätzlich geplant ist die Einführung eines Teamradios wie in der Formel 1 aber auch in der MotoGP. Das soll dann im dritten und letzten Schritt erfolgen, einen genauen Zeitplan gibt es dafür aber noch nicht. Denn wenn die Kommunikation zwischen Fahrer und Team kommt, dann kommt sie rein aus kommerziellen Gründen. Die Dorna sieht darin nämlich keine Sicherheitsmaßnahme und somit kein Muss mehr, sondern allen voran eine Möglichkeit, den Zuschauern vor dem Fernseher noch mehr Hintergründe zu liefern und das TV-Spektakel zu verbessern. Heißt also: Mehr TV-Inhalte, um die TV-Lizenzen teurer verkaufen und damit mehr Einnahmen generieren zu können.

Dass das Teamradio irgendwann kommen wird, scheint auch mit Blick auf die geplante Dorna-Übernahme durch Liberty Media unausweichlich. Einzig der Zeitpunkt ist noch unklar. Und die große Frage bis dahin lautet natürlich: Welche Auswirkungen hätte das auf den Sport? Verliert die MotoGP mit dem Teamradio nicht ein ganz elementares Merkmal, wenn der Fahrer künftig nicht mehr auf sich allein gestellt ist? Die Meinungen im Paddock fallen gespalten aus. Maverick Vinales fragte zum Beispiel: "Warum sollte es das nicht geben? Die MotoGP ist ein Teamsport und der Fahrer ist Teil des Teams. Daher sollte auch das Team während des Rennens Einfluss auf das Ergebnis nehmen können." Der scheidende Aprilia-Pilot würde ein Teamradio also begrüßen, obwohl er scherzhaft schon meinte: "Meine Lieblingsphrase wird sein: 'Lass mich in Ruhe!'" Dann gibt es das Bagnaia-Marini-Miller-Lager, dem sich auch Pedro Acosta nach dem Misano-Test anschloss: "Ich halte nichts davon. Ich bin lieber auf mich allein gestellt."

Welchen Einfluss nimmt das Teamradio auf MotoGP-Rennen?

Die Wahrheit liegt wohl einmal mehr irgendwo in der Mitte. Denn eines ist sicher: Unter dem aktuellen technischen Reglement der MotoGP können die Teams niemals so viel Einfluss auf ihre Fahrer nehmen, wie das ein Formel-1-Rennstall kann. Denn in der Motorrad-WM gibt es ein Telemetrie-Verbot, die Teams bekommen also keine Live-Daten vom Motorrad gesendet. Die Daten werden zwar aufgezeichnet, können aber erst nach Rückkehr des Fahrers in der Box ausgelesen werden. Während dem Betrieb ist das nicht möglich und somit auch fraglich, ob die Teams während des Fahrens überhaupt einen großen Einfluss auf ihre Piloten nehmen könnten. Kommentare zum aktuellen Reifenbild und dem angebrachten Reifenmanagement wären also gar nicht möglich, ebenso die detaillierte Hilfe bei Motor-Problemen. Des Weiteren gibt es in der MotoGP keine Pflichtboxenstopps, womit auch die strategische Hilfe entfällt. Somit bleiben einzig Flag-to-Flag-Szenarien wie 2024 in Misano, auch da glaubt MotoGP-Superstar Marc Marquez aber: "In derartigen Bedingungen muss der Fahrer selbst entscheiden. Das Team weiß nicht, wie sich die Strecke anfühlt. Das muss der Fahrer über sein Gefühl erkennen. Wenn es vom Nassen ins Trockene geht, kann es schon hilfreich sein. Das Team kann dir dann sagen, wenn jemand schneller ist als du und ob du reinkommen oder draußen bleiben solltest. Wenn es vom Trockenen ins Nasse geht, muss aber der Fahrer selbst entscheiden." Dem stimmt auch Enea Bastianini zu: "Das Team kann dir nicht sagen, wie die tatsächlichen Bedingungen auf der Strecke sind. Das müsste schon sehr technologisch werden, damit sie mehr Informationen haben als du."

Ein Teamradio hätte das Misano-Chaos wohl auch nicht verhindert, Foto: LAT Images
Ein Teamradio hätte das Misano-Chaos wohl auch nicht verhindert, Foto: LAT Images

Solange das Telemetrie-Verbot also nicht aufgehoben wird, dürfte es folglich keine dramatischen Veränderungen in der MotoGP geben. Damit bleibt zu hoffen, was MotoGP-Legende Valentino Rossi schon 2020 ankündigte: "Die DNA unseres Racings wird sich nicht verändern!" Ob er Recht behalten wird? Wir werden es wohl schon bald herausfinden.

Diese ausführliche Geschichte zur Entwicklung und Zukunft des Funkverkehrs in der MotoGP erschien erstmals in der 99ten Ausgabe unseres Print-Magazins. Wenn ihr auf den Geschmack gekommen seid, dann könnt ihr es hier erwerben. Auch Geschenk-Gutscheine für eure motorradverrückten Freunde oder Verwandten haben wir für euch.