Alles hatte vor dem Qualifying in Zandvoort auf eine Pole von Lando Norris hingedeutet. "Das war die Definition von 'im richtigen Moment den Höhepunkt erreicht'", lacht aber WM-Leader Oscar Piastri am Ende mit 12 Tausendsteln Vorsprung und Startplatz eins zuletzt. Woher kam diese Piastri-Pole, die vor dem Qualifying eigentlich nie in Reichweite schien?
"Es war das ganze Wochenende eng", spielt Norris die Niederlage erst einmal etwas herunter, trotz Bestzeiten in allen drei vorangegangenen Trainings der Formel 1: "Ich hätte auch locker hinten sein können, indem ich einfach ein halbes oder ein Zehntel hier oder da verloren hätte. Ist jetzt nicht so, dass ich dominiert hätte. Ich war knapp vorn, und im Qualifying war es einfach andersrum."
In FP1 und FP3 waren es allerdings tatsächlich fast drei Zehntel gewesen, die Norris an Vorsprung auf Piastri aufgefahren hatte. "Gestern schien ich in FP2 Fortschritte zu machen, aber dann in FP3 heute weniger", resümiert Piastri. "Der Wind hatte über Nacht etwas gedreht. Dann war ich in ein paar der Kurven, in denen ich gestern stärker war, wieder etwas schwächer."
Grundsätzlich hadert Piastri in Zandvoort mit den langen Kurven. Über zwei Zehntel gingen in den Kurven 9 und 10 dort am Freitag stets auf Norris verloren. In der Schikane meist ein weiteres Zehntel. Im Gegenzug hatte Piastri aber auch eine Stärke - die Highspeed-Mutkurve Scheivlak. Dort gewann er oft eineinhalb Zehntel.
Piastri vs. Norris im Qualifying: Wer spickt in Zandvoort am besten?
Die Frage für das Qualifying war also: Wer konnte seine Problem-Stellen eindämmen? Beide konnten schließlich die Daten des anderen einsehen, erinnert Teamchef Andrea Stella. "Oscar und Lando haben beide gesehen, wo eine Möglichkeit bestand, schneller zu werden, und haben ihren Fahrstil angepasst."
Norris reduzierte im Qualifying daraufhin sein Defizit zu Piastri in der Hugenholtzbocht. Doch er vermochte das größere Defizit hoch die Dünen und dann hinein in Scheivlak nicht einzudämmen: "Es gab ein paar Stellen, wo ich nicht ganz an einem ausreichenden Limit war, und heute und das ganze Wochenende habe ich dort konstant zu viel Zeit verloren."
Piastri verlor noch immer in der darauffolgenden langsamen Rechtskurve, aber nur mehr eineinhalb Zehntel, und raus aus Kurve 10 legte er nun den Pole-Grundstein. Am Freitag hatte er ab Kurve 9 eigentlich nur mehr verloren. Im Qualifying aber bekam er nicht nur den Ausgang von Kurve 10 auf die Reihe, sondern nahm Norris durch die Schikane erstmals 8 Hundertstel ab. Damit war er jetzt vorne - und 12 Tausendstel davon rettete er über die Linie.
"Fühlte sich dieses Wochenende so an, als hätte es sehr viele Versuche gebraucht, um an ein paar Stellen besser zu werden, und letztendlich waren es gerade ausreichend Anläufe", freut sich Piastri. Das ist der Vorteil des Qualifyings. Man bekommt meist innerhalb von einer Stunde gleich vier neue Sätze Soft-Reifen und sehr viele Push-Runden, anders als in den Trainings, wo es nur eine sehr beschränkte Anzahl an Qualifying-Simulationen auf Soft gibt.
Hatte Piastri in FP1 so ab Kurve 9 in der zweiten Hälfte der Runde gute vier Zehntel auf Norris verloren, waren es am Ende von Q3 aufsummiert dort nur mehr acht Hundertstel. Mit diesem Fortschritt holte er die Pole: "War gut, das rauszuholen. Aber ja, das hat viel harte Arbeit und Geduld gebraucht, um diese Zeit zu finden."
Lando Norris nach Qualifying-Niederlage um Rennen besorgt
Norris will nicht klagen. 12 Tausendstel sind fast nichts: "Schwierig auch mit dem Wind. Raus aus der letzten Kurve bin ich zwei Hundertstel vorne, und bis zur Ziellinie verliere ich das, und die Pole ist weg." Ohne dass er sich darüber beschweren will: "Ein paar Stellen und Dinge, an denen ich arbeiten muss, aber sonst waren die Runden gut, und ich war happy."
Nur steht er jetzt direkt hinter Piastri. Überholen ist in Zandvoort schwer, und den eigenen Teamkollegen mit identischem Material abzufangen ist noch schwerer: "Es wird ein bisschen Magie, gute Strategie oder wahnsinniges Reifensparen brauchen oder so. Mal schauen, was ich mir in der Nacht erträumen kann."



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