McLaren und Lando Norris befinden sich im Aufschwung und haben Ex-Formel-1-Dominator Red Bull den Rang abgelaufen. In der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft hat McLaren bereits einen Vorsprung von 41 Punkten auf die Titelverteidiger aus Milton Keynes. In der Fahrerwertung sieht die Situation allerdings anders aus: Verstappen führt mit 52 Zählern vor dem Briten. Kann Norris diese Lücke in den verbleibenden sechs Rennen schließen? Motorsport-Magazin.com blickt auf Fahrer, die ähnliche Aufholjagden in der Formel 1 zu meistern hatten.

Vettel-Aufholjagd zum WM-Titel 2012 - Norris' größter Hoffnungsschimmer?

Vorbild für Lando Norris könnte Sebastian Vettels Aufholjagd vor seinem Titelgewinn in der Formel-1-Saison 2012 sein. Der damals zweifache Weltmeister hatte eine schwierige erste Saisonhälfte: Ein Ausfall und mangelnde Konstanz sorgten dafür, dass der Rückstand auf Fernando Alonso nach Vettels Heim-GP in Hockenheim 44 Punkte betrug - nur acht Zähler weniger als Norris derzeit auf Verstappen fehlen.

Innerhalb von sechs Rennen konnte Vettel das Blatt jedoch zu seinen Gunsten wenden. In Ungarn nahm er dem Ferrari-Piloten zwei Punkte ab, das Duo belegte den vierten bzw. den fünften Rang. In Belgien gewann Vettel 18 Zähler auf seinen Kontrahenten, da dieser in einer der heftigsten Startkollisionen der F1-Geschichte verwickelt war und das Rennen nicht beenden konnte.

Wie auch schon im Vorjahr sollte die Rivalität zwischen den beiden beim nächsten Rennen in Monza erneut für alle sichtbar werden. Gegen Rennmitte setzte Alonso Vettel zunehmend unter Druck. Dieser verteidigte hart, sodass Alonso in Runde 26 übers Kiesbett ausweichen musste. Vettel erhielt dafür eine Strafe und musste das Rennen schließlich aufgrund eines technischen Defekts aufgeben. Alonso belegte den letzten Podiumsplatz und vergrößerte den Abstand auf den Deutschen somit wieder.

Vettel und Alonso im Duell in Monza, Foto: Sutton
Vettel und Alonso im Duell in Monza, Foto: Sutton

Beim Großen Preis von Singapur konnte Vettel einen dominanten Sieg verbuchen, seinen zweiten in dieser Saison. Alonso gelang nur Rang 3. Dieses Momentum brachte der Red-Bull-Pilot auch mit zu den nächsten Rennwochenenden. In Japan gewann er mit mehr als 20 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Fernando Alonso wurde unterdessen vom Pech verfolgt: Eine Startkollision mit Kimi Räikkönen sorgte dafür, dass er das Rennen aufgeben musste - sein Vorsprung in der WM wurde somit auf vier Punkte reduziert.

Nach einer Kollision vor Kurve 1 musste Alonso das Rennen aufgeben, Foto: Sutton
Nach einer Kollision vor Kurve 1 musste Alonso das Rennen aufgeben, Foto: Sutton

Beim Großen Preis von Korea sollte die Aufholjagd Vettels ihren Höhepunkt erreichen: Mit einem Start-/Ziel-Sieg übernahm er die WM-Führung. Sein Rivale Alonso erreichte nur Rang 3. Damit wurden aus 44 Punkten Rückstand innerhalb von sechs Rennen 6 Punkte Vorsprung - ein Szenario, was Lando Norris aktuell begrüßen würde.

Zum Saisonfinale 2012 sollte es aber noch einmal spannend werden: Der Deutsche reiste mit 13 Punkten Vorsprung nach Brasilien - scheinbar in der Favoritenrolle. Von Startplatz vier aus ging Vettel ins Rennen, sein Rivale Alonso startete von Rang acht.

Nach einem schlechten Start fiel der Deutsche auf den siebten Platz zurück, bevor er kurz vor Kurve vier mit Bruno Senna kollidierte - zu diesem Zeitpunkt war er Letzter und Alonso auf Kurs, Weltmeister zu werden. Es folgte ein durch Wetterchaos geprägter Rennsonntag, an dem sich Vettel nach vielen Überholmanövern und Funkproblemen auf Rang sechs wiederfand - genug, um zum dritten Mal Weltmeister zu werden.

Lewis Hamilton 2016: Sensationelle Aufholjagd geht leer aus

Lewis Hamilton gab 2016 alles. Ein starker Saisonstart seines damaligen Teamkollegen Nico Rosberg mit vier Siegen in Folge führte zu einer enormen Herausforderung für den Briten: 43 Punkte lag er nach dem Russland-GP zurück.

In Spanien konnte er seine Aufholjagd aber noch nicht starten. Das Mercedes-Duo sorgte in Runde 1 für Furore, indem sie sich vor Kurve vier gegenseitig aus dem Rennen kegelten - ein Symbolbild ihrer Rivalität. Hamilton ließ sich von diesem Unfall aber nicht beeindrucken: Innerhalb der nächsten sechs Grands Prix fuhr der Brite nicht nur fünf Siege ein, sondern sicherte sich zu Beginn der Sommerpause wieder den Spitzenplatz in der Fahrerwertung.

Nach dem Deutschland-GP hatte er sogar ein Polster von 19 Punkten herausgefahren. Zusammen mit dem Rückstand, den der Brite gutmachte, knöpfte er Nico Rosberg innerhalb von sieben Rennen satte 62 Punkte ab.

Der Schlagabtausch der beiden Silberpfeile dauerte bis zum Finale in Abu Dhabi an. Zwischenzeitlich hatte sich Nico Rosberg beim Großen Preis von Singapur die Gesamtführung zurückerkämpft und gab diese auch nicht mehr her. Fünf Zähler lag Hamilton nach Zieldurchfahrt hinter dem Deutschen. Trotz zehn Saisonerfolgen ging er ohne Titel aus, kann aber auf eine Aufholjagd par excellence zurückblicken.

Hamilton gratuliert Rosberg nach verlorenem Titel, Foto: Sutton
Hamilton gratuliert Rosberg nach verlorenem Titel, Foto: Sutton

Damon Hill 1994: Aufholjagd endet in Enttäuschung

Die Formel-1-Saison 1994 gehört zu den wohl geschichtsträchtigsten in der Königsklasse: Das schwarze Wochenende von Imola, bei dem Roland Ratzenberger und Ayrton Senna ihr Leben ließen, die Titel-Kontroverse beim Finale in Adelaide und damit einhergehend Michael Schumachers erster WM-Titel. In ebendieser Saison gelang Williams-Fahrer Damon Hill beinahe eine spektakuläre Aufholjagd. Nach den ersten sieben Rennen hatte er 37 Punkte Rückstand auf Schumacher.

1994 galt in der Formel 1 noch ein anderes Punktesystem. Anders als heute erhielt der Sieger zehn Zähler, den letzten Punkt ergatterte damals der Sechstplatzierte. Ein Abstand von 37 WM-Punkten konnte also frühestens nach vier Rennen eingeholt werden. Zum Vergleich: Bei zwei Nullrunden von Max Verstappen und zwei Siegen inklusive schnellster Runde könnte Lando Norris heutzutage schon nach zwei Grands Prix (ohne Sprint!) mit dem Niederländer gleichziehen.

Sechs Rennen, einige Nullnummern von Schumacher und vier Siege für Hill später lag der Vorsprung des Deutschen bei einem Zähler. Diese Differenz nahmen die beiden Rivalen nach zwei weiteren Rennen mit nach Australien. Der Saisonhöhepunkt in Adelaide lieferte Bilder für die Ewigkeit: Michael Schumacher im Benetton lag zunächst in Führung, wurde aber im Verlauf des Rennens zunehmend von Hill unter Druck gesetzt. In Runde 36 kam der Deutsche von der Strecke ab, beim Zurückfahren auf die Piste kollidierte er mit dem Briten.

Unfall zwischen Schumacher und Hill, der die WM 1994 entschied, Foto: Sutton
Unfall zwischen Schumacher und Hill, der die WM 1994 entschied, Foto: Sutton

Sein Rennen kam zu einem Ende und der Hauptkonkurrent des Deutschen war drauf und dran, die Weltmeisterschaft zu gewinnen - zumindest für wenige Augenblicke: Damon Hill konnte mit seinem beschädigten Williams an die Box fahren, der Schaden an der Radaufhängung seines FW16 war allerdings zu groß, um das Rennen wieder aufzunehmen. Michael Schumacher krönte sich so erstmalig zum Weltmeister, der Brite musste sich mit einem Zähler Rückstand geschlagen geben. Zwei Jahre später konnte er sich aber auch die Weltmeisterkrone aufsetzen.

Um 2024 Weltmeister zu werden, muss Lando Norris seine Bestform an den Tag legen. Dabei kann er von seinem Teamkollegen Oscar Piastri noch etwas lernen, meint unser F1-Experte Christian Danner. Mehr darüber erfährst du in diesem Video:

Danner: Lando Norris kann von Oscar Piastri lernen! (12:27 Min.)