Am Mittwochnachmittag stellte Alpine als fünftes Team ihren Boliden für die Formel-1-Saison 2024 vor. Zum ersten Mal in diesem Jahr bekamen Fans der Königsklasse des Motorsports ein echtes neues Auto zu Gesicht. Dem A524 wurde im Vergleich zu seinem Vorgänger über die Winterpause eine Generalüberholung verpasst. Neue Nase, Chassis, Unterboden, Heckflügel und vieles mehr brachte das französische Werksteam aus ihren Fabriken in Viry und Enstone hervor. Mit einem aggressiven Ansatz will Alpine in der kommenden Saison den Friedhof des Mittelfelds verlassen und wieder an die Spitzengruppe aufschließen. Doch dafür braucht es, neben vielen anderen Dingen, vor allem eins: Einen leistungsstarken Motor.

Dieser erwies sich in der vergangenen Saison allerdings als die große Schwäche bei Alpine. Die Power Unit aus dem Hause Renault zählte in der letzten Saison sowohl zu den schwächsten als auch zu den unzuverlässigsten Antrieben im kompletten Feld. In Monza, der Strecke, bei der es vor allem auf die hohe Endgeschwindigkeit ankommt, ging Alpine mit Pierre Gasly und Esteban Ocon chancenlos unter. Letzterer kann auch über die seit Jahren bekannten Zuverlässigkeitsprobleme ein Lied singen. Ocon war 2023 der Fahrer, der am häufigsten aufgrund technischer Probleme ein Rennen vorzeitig aufgeben musste.

Famin gibt zu: Alpine-Motor weiterhin ein Nachteil

Bruno Famin, der 2024 in seine erste komplette Saison als Alpine-Teamchef startet, dämpfte am Rande des Fahrzeug-Launches bereits die Erwartungen für einen stärkeren Motor in der Saison 2024. Vor allem bei der elektronischen Energierückgewinnung, dem sogenannten ERS, mangelt es dem Renault-Motor weiterhin am meisten. Das ERS versorgt einen Fahrer auf Knopfdruck mit zusätzlicher Energie, welche vor allem in harten Bremszonen gewonnen wird.

"Um ehrlich zu sein, fehlt es uns noch immer an der elektronischen Energierückgewinnung", gab Famin zu. "Wir haben versucht, das zu verbessern, weil wir jedes Jahr eine neue Software homologieren dürfen. Das ist etwas, woran wir gearbeitet haben, um die Lücke zur Spitze zu verkleinern. Aber es wird keine großen Unterschiede zum letzten Jahr geben, denn wie Sie wissen, ist die Power Unit eingefroren."

Wie der Franzose bereits andeutete, sind Alpine für die Verbesserung des Motors aktuell die Hände gebunden. Die Motorenlieferanten der Formel-1-Teams dürfen an ihren Antrieben bis Ende 2025 keine performance-relevanten Änderungen vornehmen. Lediglich die Zuverlässigkeit darf verbessert werden. Grund dafür ist das neue Motorenreglement, welches 2026 in Kraft tritt. Durch eine Entwicklungssperre der Hersteller soll den neuen Motorenherstellern wie Audi oder Red Bull Powertrains, die 2026 zur Formel 1 stoßen werden, der Einstieg erleichtert werden.

Erste Präsentations-Fotos vom Alpine A524 im Fotostudio
Der neue A524 von Alpine, Foto: Alpine F1 Team

Famin: Schlechter Motor nur schwer auszugleichen

Bereits vor der Saison 2024 steht also fest: Alpine wird mit einem Nachteil in die Saison gehen. Umso wichtiger sind daher andere Faktoren bei der Fertigung eines neuen Boliden, wie zum Beispiel die aerodynamische Effizienz oder auch das Gewicht des Fahrzeugs. Auch deshalb wählte Alpine beim A524 den Weg der großen Veränderungen. Das alte Konzept war, wie Technik-Chef Matt Harman zugab, am Zenit angekommen. Doch einen großen Sprung erwartet sich Teamchef Famin davon nicht - der Nachteil bei der Leistung ist laut ihm zu schwer zu kompensieren.

"Man kann es [PU-Nachteil] nicht ausgleichen, denn wenn man Gewicht einsparen kann, muss man etwas mehr an der Gewichtsverteilung arbeiten. Wenn deine Motoren x Kilowatt weniger haben als die anderen, wirst du mit x Kilowatt mehr immer besser abschneiden. Das ist nun mal so, wie es ist", zeigte sich Famin wenig zuversichtlich.

"Aber am Ende der Geschichte gibt es keinen Grund, sich darauf zu konzentrieren. Was wir brauchen, ist ein wettbewerbsfähiges Auto. Das wettbewerbsfähige Auto ist das Ganze, das Chassis, die Aerodynamik, das Reifenmanagement, die Antriebseinheit, die Energierückgewinnung und so weiter. Und das ist es, was wir brauchen, die globale Integration des globalen Autos ist das, was wir verbessern müssen", fügte er anschließend hinzu.

Formel-1-Saison 2024: Nächste Durchschnittssaison für Alpine?

Steht Alpine also eine weitere Saison im absoluten Niemandsland der Formel 1, sprich das unangefochtene Mittelfeld, bevor? Was wäre in den Augen des französischen Werksteams, bei dem Anspruch und Wirklichkeit oft so weit voneinander entfernt liegen, eine erfolgreiche Saison? Darauf wollte sich Famin am Rande des Launches nicht festlegen.

"Wir setzen uns keine Erwartungen in Bezug auf Positionen. Eine gute Saison 2024 wäre zunächst einmal eine Verbesserung der Art und Weise, wie wir alle im Werk zusammenarbeiten", erklärte Famin. "Wir wissen nicht, wo wir zu Beginn der Saison in der Startaufstellung stehen werden, denn ich denke, dass viele Teams mit einem ganz neuen Auto den gleichen Ansatz verfolgen. Es geht viel mehr um die Dynamik, die wir in unserer Entwicklung zeigen werden, die eine gute oder schlechte Saison ausmachen wird."