Die Formel 1 befindet sich im Moment in ihrer hochverdienten Sommerpause. In den Fabriken werden keine Schrauben mehr gedreht, dafür rotierte es neben der Strecke rund um das letzte GP-Wochenende vor der F1-Pause in Spa noch einmal richtig. Vor allem bei Alpine. Das Renault-Team versucht sich von einer miserablen ersten Saisonhälfte zu erholen, indem man das tut, was man am besten kann: Führungskräfte austauschen. Wir nehmen ihre ersten 14 Rennen des Jahres unter die Lupe.

Ziel vs. Realität:
Alpine hielt sich vor dem Start der Formel-1-Saison 2024 bedeckt und wollte keine konkrete Position als Ziel ausgeben, wohlwissend, dass über den Winter nicht alles gelaufen war, wie man es erhofft hatte. Die Ziele der Franzosen waren seit Jahren, sich weiter an die Spitze anzunähern. Davon war man weit entfernt, zu Saisonbeginn in Bahrain war der A524 sogar das schwächste Paket im Feld. Ein "Schock", wie Teamchef Bruno Famin es beschrieb.

Die rote Laterne war in Bahrain zwar auch tagesform-bedingt, im weiteren Saisonverlauf pendelte sich das Team jedoch im hinteren Mittelfeld ein und erreicht damit das Niveau vergangener Jahre nicht. Der Kampf um die hinteren Punktepositionen ist nur vereinzelt möglich und meist auch nur unter Mithilfe der Konkurrenz. Einzelne Q3-Ergebnisse können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man auch noch regelmäßiger in Q1 scheiterte, dazu kommen noch einige Defekte. Mit drei Stück im Rennen ist man in der Statistik für technisch bedingte Ausfälle gemeinsam mit Sauber das anfälligste Team.

Entwicklung 2024:
Alpine war mit Übergewicht von bis zu 10 Kilogramm in die Saison gestartet, das man laufend abbauen konnte. In Bahrain wirkte sich der Effekt noch am stärksten aus, was wohl auch an der Strecken-Charakteristik lag. Im Laufe der ersten Rennen reduzierte das Team seine Zusatz-Pfunde und erreicht mit einem Upgrade in Miami das Gewichtslimit.

Gemäß dem Motto, dass Gewichtsreduktion dem Gewinn von gratis Rundenzeit gleichkommt, hatten diese Anpassungen einen positiven Trend zur Folge. Seitdem hat Alpine allerdings ein Plateau erreicht, auf dem weitere große Steigerungen ausblieben. Sowohl auf eine Runde als auch im Renntrimm. Auch wenn man die Ergebnisse vor Miami außen vor lässt, ist die Statistik gegenüber den vergangenen Jahren rückläufig.

Alpine 2024: Viele Tiefen, wenig Höhen

Höhepunkt 2024: Spanischer Aufwind
Dass Alpine unter den Erwartungen bleibt und vor allem den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird, ist nichts Neues. Doch in den vergangenen Jahren durfte das F1-Team aus Enstone zur Saisonmitte immerhin Top-5-Resultate, Podien und sogar einen Rennsieg als Highlights bejubeln. 2024 backt man kleinere Brötchen. Der größte Hoffnungsschimmer für Alpine war das F1-Wochenende in Barcelona. Dort erreichten beide Piloten Q3 und sicherten sich mit P9 und P10 auch Punkte, und das alles aus eigener Kraft. Ausgerechnet auf der Strecke, die als aussagekräftigster Richtwert für die allgemeine Performance des Autos gilt. Das machte Hoffnung. Die restliche Formel-1-Saison bislang zeigt aber, dass diese Einordnung wohl nicht mehr uneingeschränkt zutreffend ist.

Tiefpunkt 2024: Alpines persönliches Sommerloch
Beim Formel-1-Rennen in Großbritannien ging bei Alpine gefühlt alles schief, was nur schiefgehen kann. Trotzdem schafften es die Franzosen zwei Wochen später, noch einen draufzusetzen. Denn in Silverstone wog das Aus von Pierre Gasly auf der Einführungsrunde nicht so schwer. Aufgrund einer Motorstrafe war seine Startposition sowieso kompromittiert. In Ungarn beorderte man sich auch ohne Strafe ganz zurück. Auf auftrocknender Piste fuhren alle anderen im Qualifying nochmal raus, während Alpine diese Chance vollkommen verpeilte. Die Rechnung: P19 und P20. Im Rennen dann ein Hydraulik-Defekt von Pierre Gasly und Esteban Ocon nur auf P18. So schlecht war selbst Alpine in diesem Jahr sonst nie.

Pierre Gasly und Esteban Ocon: Die Streithähne gehen getrennte Wege

Pierre Gasly
WM: 15. Platz (6 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,03 (12. Platz)
Auf dem Papier befinden sich die beiden Alpine-Piloten auf einem Level. Pierre Gasly erwies sich in diesem Jahr als der etwas stabilere Fahrer der Renault-Marke. Im Auto, aber eben vor allem daneben. Auf der Strecke etablierte er sich erst in den Sommermonaten als Nummer 1 bei Alpine, nachdem der Saisonstart noch danebenging. Doch eine Setup-Angleichung mit den Einstellungen des Teamkollegen brachten ihn seit dem Miami-Wochenende im Mai einen Schritt nach vorne. Seitdem war er der konstantere Punktesammler und im Rennen durchschnittlich einen Hauch schneller als Esteban Ocon. Mit drei technisch bedingten Ausfällen (gegenüber null beim Ocon) war ihm aber auch das Pech hold.

Esteban Ocon
WM: 17. Platz (5 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,14 (13. Platz)
Ocon erwischte einen deutlich stärkeren Start in die Formel-1-Saison als Gasly, seit dem Mai ist dieser Unterschied aber verschwunden. Pacemäßig liegt inzwischen nicht viel zwischen den beiden. Was Ocon allerdings viel Kritik einbrachte, waren sein verhaltensauffälligen Episoden zu Lasten des Teams, mit denen er sich schon in der Vergangenheit bei anderen ehemaligen Arbeitgebern unbeliebt gemacht hatte. Nachdem er in Monaco eigenmächtig eine Teamanweisung ignorierte und dabei eine Kollision mit Gasly verursachte, war das Tischtuch zwischen ihm und Alpine zerschnitten. In Österreich bugsierte er seinen ungeliebten Stallgefährten erneut vom Kurs. Ocon kann seinen Abschied aus Enstone kaum erwarten und soll zeitweise sogar an einem Wechsel zu Williams als Sargeant-Ersatz für die zweite Saisonhälfte gearbeitet haben. Jetzt muss er doch bis Abu Dhabi durchhalten, ehe er zu Haas wandert.

Fazit und Ausblick:
Die Performance von Alpine 2024 ist alarmierend, genauso wie der allgemeine Trend des Teams in den letzten Jahren - vor und hinter den Kulissen. Das Aus von Renault als Motorenhersteller lässt nicht wenige an einem langfristigen Fortbestand der Mannschaft in ihren jetzigen Eigentums-Verhältnissen und unter dem derzeitigen Namen zweifeln. Der Abgang von Bruno Famin als Teamchef zur Saisonmitte war schon der dritte Führungswechsel in zwei Jahren, und brachte mal wieder Unruhe in die eigenen Reihen. Mit Oliver Oakes übernimmt jemand, der zwar noch keine Erfahrung in der Formel 1 vorweisen kann, dem aber in Sachen Teamführung viel zugetraut wird. Um Impulse für Veränderungen in diesem Jahr zu geben, könnte es schon zu spät sein. Zunächst einmal muss Ruhe in der britisch-französischen Truppe einkehren und die Entscheidung gefällt werden, welcher Motor ab 2026 im Auto verbaut wird.