Für Mick Schumacher beginnt mit dem Einstieg in die Langstrecken-Weltmeisterschaft ein neues Kapitel seiner Motorsport-Karriere. Der Sohn des siebenmaligen Formel-1-Champions Michael Schumacher debütiert 2024 mit Alpine und dessen neuentwickeltem LMDh-Auto in der WEC. Schumacher teilt sich den sogenannten A424 mit seinen französischen Teamkollegen Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere, die auf jahrelange Langstrecken-Erfahrung zurückblicken.
"Ich war schon länger kein Rookie mehr, aber so fühle ich mich gerade", sagte Schumacher am Rande der Präsentation im britischen Enstone, wo Alpine an diesem Mittwoch parallel auch sein neues Formel-1-Auto vorstellte.
Mick Schumacher: "Geschlossenes Cockpit etwas klaustrophobisch"
Schumacher, der bislang ausschließlich Formel-Boliden gefahren ist, musste sich bei den vergangenen Testfahrten erst einmal an das neue Arbeitsgerät gewöhnen. Die Umstellung begann hier schon mit dem Einsteigen... "Zu Beginn gebe ich zu, dass ein geschlossenes Cockpit für mich etwas klaustrophobisch war, aber ich habe mich sehr schnell angepasst", wurde der 24-Jährige in einem PR-Interview von Alpine zitiert.
Der Einsteigeprozess in den nach dem IMSA-Reglement aufgebauten Le-Mans-Daytona-hybrid-Rennwagen dürfte für Schumacher noch die kleinste Hürde gewesen sein. Auf der Langstrecke gelten andere Herausforderungen als im Formelsport, darunter das Management des Verkehrs bestehend aus unterschiedlichen Kategorien, die längere Renndistanz, ungeheizte Reifen auf der Outlap und auch die enge Zusammenarbeit mit den Teamkollegen.
Sich erstmals das Auto zu teilen, sei jedoch kein Problem. Den größten Kompromiss habe Schumacher bei der Pedalstellung im Cockpit eingehen müssen. Mick: "Es ist kein Geheimnis, dass ich noch nie mit geschlossenen Autos und in einem so vollen Feld gefahren bin. Die größte Herausforderung wird wahrscheinlich sein, den Verkehr zu bewältigen. Aber ich freue mich darauf, in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln und meinen Horizont zu erweitern."
Schumacher: Alpine-LMDh erinnert an Formel-2-Auto
Dass Schumacher in der Lage ist, auch einen Prototypen schnell durch die Kurven zu bugsieren, daran zweifelt niemand. Die maximale Systemleistung aller LMDh-Autos beträgt per Reglement rund 680 PS je nach Balance of Performance, und sollte für Schumacher, der knapp 1.000 PS starke Formel-1-Autos gewohnt war, keine größere Herausforderung darstellen.
Kniffliger könnte es mit Blick auf das höhere Fahrzeuggewicht und den deutlich geringeren Anpressdruck werden. Während ein F1-Wagen im Vergleich wie ein Brett in der Kurve liegt, verlangen die behäbigeren Prototypen nach einem deutlich angepassten Fahrstil.
Hier kann Schumacher aus seinem Rennsport-Repertoire schöpfen, wie er selbst feststellte: "Sicherlich ist es ein sehr schweres Auto im Vergleich zu den Einsitzern, mit denen ich aufgewachsen bin, und man fährt es anders. Aber in gewisser Weise erinnert es mich an das F2-Auto, das ich gefahren bin. Ich bin sicher, dass ich es genießen werde, den Alpine A424 zu fahren. Es ist immer noch ein sehr cooles und leistungsstarkes Auto."
LMDh-Autos rund 230 Kilo schwerer als Formel 1
Zum Vergleich: Bei einem LMDh-Auto beträgt das vorgeschriebene Mindestgewicht 1.030 Kilogramm. Ein Formel-1-Wagen muss aktuell mindestens 798 Kilo auf die Waage bringen - sogar 3 Kilogramm mehr als ein Formel 2 (795 kg), mit dem Schumacher 2020 die Meisterschaft gewann und sich durch den nächsten Titelsieg für ein Cockpit bei Haas empfahl. Für das US-Team ging er für zwei Saisons an den Start, bevor er nicht mehr berücksichtigt wurde und bei Mercedes als Ersatzfahrer andockte.
Ein Formel-2-Auto verfügt über eine Leistung von rund 620 PS und damit rund 60 Pferdestärken weniger als ein LMDh-Bolide. Den Motor im Alpine kennt Schumacher faktisch schon: Hier werkelt ein 3,4-Liter-V6-Turbomotor von Mecachrome, der gleiche, den das Unternehmen auch für die FIA Formel 2 entwickelt hat. Neu ist das einheitliche Hybridsystem an der Hinterachse, das Bosch, WAE und Xtrac für alle LMDh-Autos bereitstellen.
Schumacher: Formel-1-Wissen kann Vorteil sein
Während Schumacher reichlich Erfahrung aus seinen hochprofessionellen Formel-Zeiten ins Team einfließen lassen kann, stehen ihm die Teamkollegen Lapierre und Vaxiviere ihrerseits mit Langstrecken-Knowhow zur Seite.
Mick: "Mit einem Hintergrund in der Formel 1 habe ich Einblicke und Wissen, das die anderen Fahrer nicht haben, und ich bin sicher, dass dies für die Entwicklung des Teams von Vorteil sein wird. Und andererseits haben die anderen Fahrer unterschiedliches Wissen, verschiedene Wege und Ansichten und zum Teil viel Erfahrung, sodass ich im Gegenzug davon profitieren kann."
Alpine geht WEC-Debüt mit Demut und Ambitionen an
Alpine zählt zusammen mit BMW (bisher nur IMSA) und Lamborghini zu den Neueinsteigern in der WEC. Im vergangenen Jahr taten sich die LMDh-Vertreter Porsche und Cadillac über weite Strecken schwer im direkten Kampf mit den LMH-Hypercars von Toyota, Ferrari und Co. Noch ist öffentlich nicht bekannt, wie der WEC-Veranstalter ACO die Balance of Performance in der Hypercar-Topklasse gestalten wird. Mit weiteren Marken auf LMDh-Seiten dürfte der politische Druck nicht kleiner werden.
Alpine sprach bei der Präsentation des A424 zusammen mit dem Formel-1-Auto von einer Lern-Saison in der WEC.
"Wir müssen bescheiden, aber ehrgeizig sein", sagte Teamchef Philippe Sinault vom Einsatzteam Signatech. "Wir müssen bescheiden sein, da wir beträchtliche Veränderungen durchmachen und als Team einen großen Schritt nach vorne machen. Mit unserem Potenzial müssen wir jedoch ehrgeizig sein, da wir den Namen Alpine auf höchstem Niveau repräsentieren. Ich denke, es ist schwer zu sagen, ob wir dieses Jahr gewinnen können, aber wir werden bald nach guten Ergebnissen streben."
Mick Schumacher gibt 2024 sein Debüt in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans. Damit tritt er in die Fußstapfen seines Vaters Michael, der selbst einst den französischen Langstrecken-Klassiker bestritt. Die Hintergründe zu Schumis einmaligem Le-Mans-Start lest ihr in dieser Geschichte:
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