McLaren befand sich zum Formel-1-Saisonstart 2023 im freien Fall. Von Podien konnten Lando Norris und Oscar Piastri nur träumen. Doch der britische Rennstall gab die Hoffnung nicht auf: Ein Update nach dem nächsten beförderte McLaren zurück in den Kampf um den Sieg. Dass der Traditionsrennstall 2023 einen Red Bull jagen würde, überraschte auch Norris. Der Brite war sich sicher: Das ganze Jahr wird wie der Saisonstart sein.
McLaren erlebt Horror-Saisonstart
"Der Anfang war schwierig, weil ich dachte, dass es das ganze Jahr so sein würde. Wir wussten nicht, wie stark wir uns verbessern würden. Vor allem ganz am Anfang", erinnert sich Lando Norris. Alles Begann mit dem Launch des MCL60: Teamchef Andrea Stella warnte schon bei der Präsentation vor falschen Hoffnungen.
"Die Tatsache, dass das Launch-Auto noch nicht das ganze Potenzial ausschöpft, ist keine direkte Konsequenz des letzten Jahres", erklärte Stella und appellierte zur Geduld. Doch dann das böse Erwachen: McLaren steckte zum zweiten Jahr in Folge bei den Wintertests in einer Krise. Anstatt auf der Strecke das geplante Programm abzuspulen, werkelten die Mechaniker am ersten Testtag lange in der Garage.
Und dann machte es der Teamchef amtlich: "Wir haben zu spät gesehen, dass eine andere Richtung bei der Aerodynamik mehr verspricht." Der Saisonauftakt in Bahrain entpuppte sich als regelrechtes Desaster: Keiner der beiden McLaren-Piloten sah am Ende die Zielflagge. "Man will nie mit dem Gedanken in eine Saison starten: 'Wow, noch 23 Rennen und ich komme nicht einmal aus Q1 raus", so Norris. "Dann denkt man: 'Verdammt, das wird eine verdammt lange Saison."
Aufwärtstrend nach Riesen-Update
"Natürlich haben wir gesagt, dass wir Geduld haben werden, und wir wussten, dass wir einige gute Teile hatten, die kommen werden", sagte Norris. Den Weiterentwicklungsplan hatte McLaren bereits beim Launch verkündet. In Baku reiste das Team mit dem ersten Teil des Riesen-Updates an, in Österreich folgte - zumindest für Lando Norris - der zweite Teil. Und die Weiterentwicklung fruchtete sofort.
"In der Vergangenheit haben die Weiterentwicklungen sich nicht immer als große Verbesserung erwiesen. Dieses Jahr war genau das Gegenteil der Fall", meinte Norris. Den großen Durchbruch hatte McLaren in Großbritannien: P2 für Norris, P4 für Oscar Piastri. "Es stellte sich heraus, dass es eine viel größere Verbesserung war, als wir erwartet hatten", freut sich der Brite.
In Ungarn folgte für Norris der nächste 2. Platz, bis McLaren in Belgien und den Niederlanden den letzten Teil des Update-Pakets an den Start brachte. Doch damit war nicht Schluss: Nur zwei Rennen danach - in Singapur - folgte das nächste Mega-Update für Norris. Dort versuchte der britische Rennstall, die Achillesferse des MCL60 endgültig zu eliminieren: Und zwar die Charakteristik in den langsamen Kurven.
McLaren: Schlechtes Auto war gute Vorbereitung
Trotz des schleppenden Saisonstarts konnte McLaren einige Lehren aus 2023 ziehen. "Was uns sehr geholfen hat, ist, dass jeder ausgesprochen hart gearbeitet hat, alles zu erreichen, was man mit einem schlechten Auto erreichen konnte. Das hat uns sehr gut darauf vorbereitet, als wir endlich ein gutes Auto hatten", freute sich Lando Norris.
Fünfmal stand der 24-Jährige in der zweiten Saisonhälfte auf dem Podium. Oscar Piastri konnte in seiner Rookie-Saison gleich zweimal auf dem Treppchen mit Champagner feiern. Im Sprint in Katar gipfelte dann der Erfolg des Australiers, als er als Sieger über die Ziellinie fuhr. "Ich glaube, wir waren, was die Maximierung der Punkte an jedem Wochenende und die Zuverlässigkeit angeht eines der besten Teams", sagte der Brite.
"Vielleicht nicht nach [Las] Vegas - aber abgesehen davon sind wir sehr gut gewesen. Und dass wir zu Beginn des Jahres in einer schlechten Position waren, hilft dann ein wenig." Für McLaren standen zur Sommerpause 111 Punkte zu Buche, zum Saisonende konnten sie diesen Wert mehr als verdoppeln (302 Punkte). Norris trug ab dem Italien GP sogar mit einer Ausbeute von 130 Zählern bei.
Vom Sorgenkind zum Red-Bull-Jäger
"Ich bin sehr stolz auf das ganze Team. Dass sie eine so große Wende geschafft haben, wenn nicht sogar die größte Wende in den letzten 10 Jahren. Und das in einer Zeit, in der es schwieriger ist als je zuvor", sagte Lando Norris. Denn durch die begrenzte Zeit im Windkanal und die Budgetobergrenze haben die Teams in Sachen Updates keine Narrenfreiheit.
"Mercedes dominierte die Formel 1 vor einigen Jahren fünf bis sechs Jahre gegen Ferrari, die immer eines der besten Teams waren. Und mit Red Bull, die das dominanteste Auto und die dominanteste Team-Kombination haben, die es je gab, dass wir dann bei einigen Rennen nah dran waren, sie zu schlagen, ist ziemlich beeindruckend", schwärmt der 24-Jährige von der Entwicklung.
Jetzt geht es für das Traditionsteam in die Winterpause. Und hier will McLaren die Saison noch einmal genau unter die Lupe nehmen: "Ich bin stolz und sehr glücklich, weil ich glaube, dass wir nicht erwartet haben, so gut zu sein. Und wir wissen, dass wir definitiv mehr herausholen können. Sobald die Winterpause kommt, haben wir Zeit, alles noch einmal durchzugehen."
Formel-1-Teams, die aus einer Krise hervorgehen, sind keine Seltenheit. Ausgerechnet McLaren selbst konnte sich zuletzt im Jahr 2009 vom Sorgenkind zum Podiums-Jäger verwandeln. Welche Teams die Kehrtwende noch geschafft haben, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen:
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