In wohl keinem Sport spielt das Material eine so große Rolle in der Formel 1, und daher ist das beste Messinstrument seit jeher der Teamkollege. Daran hat sich auch 2023 nichts daran geändert. Jetzt kommt die finale Abrechnung.

Besonders populär: Das Qualifying-Duell. Statistisch gesehen bot die Formel-1-Saison 2023 so viel Material wie noch nie. Zusätzlich zu 22 regulären Qualifyings gab es noch sechs Sprint-Shootouts, als 28-mal Kampf um die beste Rundenzeit. Nur ein Fahrer schlug bei jeder vergleichbaren Session den Teamkollegen. Und schaffte damit etwas Bemerkenswertes.

Alex Albon ist ungeschlagener Qualifying-König: Revanche für 2020

Kurz zur Methode: Jedes Qualifying und Shootout wurde in die Gesamt-Statistik miteinbezogen. Gewertet wird jeweils das letzte gemeinsame Segment. Fällt ein Fahrer in Q1 aus, ist die Leistung des zweiten in Q2 für den Vergleich schließlich bereits irrelevant, denn es ändern sich Streckenbedingungen. Kam ein Fahrer unschuldig in Probleme, wurde das Qualifying aus der Wertung genommen.

Unter dem Strich bleibt nur ein Fahrer ungeschlagen. Alex Albon. Das ist zum einen sein Verdienst, er lieferte mehrere spektakuläre Samstage ab. Sein durchschnittliches Qualifying-Ergebnis von 12,4 ist sogar besser als das von Lance Stroll (12,5). Auf der anderen Seite steht allerdings auch ein Logan Sargeant, der über sein ganzes Rookie-Jahr hinweg massive Probleme hatte, auf eine Runde das Limit des Autos zu finden und die Anwärmphase der F1-Pirellis zu verstehen.

Konsequenz: 27 zu 0. Revanche für Albon, der davor der letzte Fahrer war, der in einem Teamduell zu null unterging, 2020 gegen Max Verstappen. Nur das Spa-Shootout fehlt in der Wertung, beide Fahrer waren dort in Q2 wegen eines Abbruchs ohne Zeit geblieben und daher nicht zu vergleichen. Im Schnitt landete Sargeant in der Zeitentabelle 5,2 Plätze hinter Albon. Viermal verabschiedete er sich selbstverschuldet als Letzter ohne Zeit in Q1: Ein Unfall, mehrere Track-Limit-Vergehen und Fehler zeichneten ein düsteres Bild.

Sergio Perez: Statistischer Tiefpunkt im Qualifying

Sargeant war aber nicht in allen Wertungen Letzter. War er konstant schlecht, so trifft das auch auf Sergio Perez zu. Der die zweifelhafte Ehre des größten Zeitabstandes auf den Teamkollegen hat. 0,589 Sekunden hat ihm Max Verstappen als Hausaufgaben für den Winter mitgegeben. Perez landete im Schnitt sechs Plätze hinter Verstappen. Auch das ist der schlechteste Wert des Feldes. Er beendete das Jahr 25 zu 2. Im Vorjahr war er bei 18:4 mit 0,396 Sekunden und 2,4 Plätzen Rückstand gelandet. Hier gibt es die Verstappen-Dominanz in Zahlen und Rekorden aufgeschlüsselt.

Immerhin - anders als Albon 2020 schaffte Perez zwei Stiche im Zeitfahren. Nur minimal besser als Sargeant und Perez präsentierte sich Lance Stroll. 23 zu 3 mit einem Rückstand von 0,481 Sekunden auf Fernando Alonso und vor allem ein durchschnittliches Ergebnis von 12,5 - im Schnitt fünf Plätze hinter Alonso - ist für ein Team, das Ambitionen auf die Spitze hegt, schon eine Gefahr. Und ein deutlicher Rückschritt gegenüber 2022, als er Sebastian Vettel 13:7 mit 0,232 Sekunden Rückstand unterlag.

Das engste Qualifying-Duell: George Russell bezwingt Lewis Hamilton

Bei drei Teams blieb der Zeitrückstand im Jahresschnitt am Ende unter einer Zehntel. Das legitim engste Qualifying-Duell? Mercedes. Im Vorjahr hatte Lewis Hamilton einen aufmüpfigen George Russell mit einer starken zweiten Saisonhälfte doch noch mit 13:8 und 0,132 Sekunden niedergerungen. 2023 setzte sich Russell 15:13 durch und behielt auch nach Zeit knapp mit 0,035 Sekunden Vorsprung die Oberhand. Freude kommt bei beiden nicht auf. Immer wieder hatten sie Wochenenden, an dem der eine sich völlig im Setup-Irrgarten des W14 verlief.

Nach Zeit noch enger ist tatsächlich Alpine. Aber nicht nach Ergebnissen: Team-Newcomer Gasly schloss die Lücke zum etablierten Esteban Ocon, nachdem er in Bahrain mit sieben Zehnteln Rückstand mit einem Totalausfall gestartet war und das zwei weitere Male wiederholte, mit konstanten Leistungen zum Saisonende. 17:10 gewinnt Gasly, seit Spa steht es 12:3. Ocon konnte an sein 10:10 gegen Fernando Alonso im Vorjahr nicht anknüpfen.

Mehrmals drehte der Wind bei Ferrari. Charles Leclerc startete stark und ließ im Sommer stark nach. Ein heißer Carlos Sainz holte zwei Poles in Monza und Singapur, lag dann kurz vorne - doch mit dem Japan-Update bekam Leclerc ein besseres Gefühl für die davor zu stumpfe Vorderachse des SF-23, und fand sein Qualifying-Mojo wieder. Den Sainz-Aufstand schlug er mit drei Poles in den letzten fünf Rennen und einem Gesamtstand von 18 zu 10 mit 0,062 Sekunden Vorsprung nieder.

Alle Qualifying-Statistiken: Hülkenberg dreht das Schumacher-Bild

Die Abstände des restlichen Feldes bewegen sich im Rahmen. Rookie Oscar Piastri ist mit 0,192 Sekunden Rückstand und 9 Tagessiegen deutlich respektabler gegen Lando Norris aufgetreten als Daniel Ricciardo im Vorjahr (20:1, + 0,479). Mit dafür verantwortlich ist vor allem aber auch eine in der zweiten Saisonhälfte steigende Fehlerquote von Norris. Drei Mal vergeigte der McLaren-Pilot in einem Qualifying im Herbst den entscheidenden Schuss komplett, mehrmals streute er Fehler ein. Seit Spa unterlag er 8 Mal. Es sei angemerkt: Wenn Norris durchkam, dann war er oft deutlich schneller. 7 seiner 18 Siege kamen mit über 4 Zehnteln Vorsprung.

Für Kevin Magnussen, der im Vorjahr noch 15:6 mit + 0,348 gegen den als schwachen Qualifier bekannten Mick Schumacher gewann, gab es ein böses Erwachen. Gegen den im Gegenzug als Single-Lap-Spezialisten geltenden Nico Hülkenberg unterlag er 7:17 mit 0,328 Sekunden Rückstand. Hülkenberg, vom ersten Wochenende an schnell, sorgte deutlich öfter für Ausrufezeichen, stand im Schnitt drei Startplätze vor Magnussen.

Renn-König Fernando Alonso - oder Stroll schlechtester Spitzenpilot?

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Rennergebnisse dafür schwer vergleichen lassen. Zu viel Glück und Pech mit Strategie, Rennverlauf, Verkehr verzerren das Bild. Über den Verlauf der Saison liefert aber die prozentuale Aufteilung der Punkte pro Team einen groben Vergleich. Weniger aussagekräftig ist der für Hinterbänkler wie Williams oder Haas, die nur selten und mit Glück punkten, wenngleich Albon mit 96 Prozent der Jahresausbeute das bereits Thematisierte verstärkt. In den 18 Rennen und Sprints, die beide beendeten, lag Albon immer vor Sargeant.

Gefährlich sieht es wieder bei Lance Stroll aus. Fernando Alonso holte 74 Prozent von Aston Martins Punkte und alle Podien. 17:3 steht es in den 20 Rennen, die beide beendeten. Nur drei davon beendete Alonso außerhalb der Punkte, Stroll derer neun. Mit einer durchschnittlichen Renn-Platzierung von 9,5 ist er nicht mehr in der Klasse der anderen Top-Fahrer unterwegs, sondern nur knapp vor Alpine. Nur Oscar Piastri, der in seinem Rookie-Jahr noch mit Reifenmanagement zu kämpfen hatte, leistet ihm Gesellschaft.

Was wurde eigentlich aus der AlphaTauri-Rochade?

Separat zu betrachten ist das Vierergespann von AlphaTauri. Nur Yuki Tsunoda fuhr eine ganze Saison, dafür hatte er drei Teamkollegen. Am besten schnitt er gegen Nyck de Vries ab (10:2 im Qualifying, + 0,224). Gegen Daniel Ricciardo (5:5) sah er deutlich blasser aus. Ricciardo hatte in 10 gemeinsamen Qualifyings im Schnitt einen besseren Startplatz, und war 0,256 Sekunden schneller.

Tsunoda blieb fehleranfällig. Das zeigte sich auch in seinem Zwischenduell mit Ersatzmann Liam Lawson, den er nur mit 4:2 abfertigen konnte. Bei seinem Debüt ins kalte Wasser geworfen, war Lawson in Zandvoort 1,6 Sekunden langsamer gewesen, an den darauffolgenden Wochenenden aber bis auf wenige Zehntel an Tsunoda dran.

Die vollständigen Daten, Team für Team, gibt es für 2023 hier in der abschließenden Galerie. Wie lassen sich die Leistungen aller Fahrer nun in einem Ranking einordnen? Diese Frage wird hier auf Motorsport-Magazin.com am Wochenende beantwortet, anhand der Daten des MSM-Fahrerrankings. Jedes Wochenende haben Redakteure und Leser fleißig benotet, nun werden die besten (Samstag) und die schlechtesten (Sonntag) gekürt werden.