Charles Leclerc und Renningenieur Xavi Marcos Padros sind am Funk immer wieder für kleine Slapstick-Einlagen gut. So auch auf der Auslaufrunde nach dem Qualifying in Austin, welches für Leclerc mit der dritten Pole der Saison und der 21. der Karriere endete. Statt Jubel gab es erst einmal Flüche und Schläge für Lenkrad und Helm.

Denn Marcos Padros wählte seine Worte unglücklich. "Track Limits, Zeit gestrichen …", begann der Funkspruch auf der Gegengerade, was Leclerc auf sich bezog und schon davon ausging, dass seine letzte Runde gestrichen worden war und er den zweiten Platz verloren hätte.

"Ich hatte einen Herzinfarkt!", meint Leclerc. "Dann kam '… für Verstappen', das waren bessere News für uns. In dem Moment sagte ich nur: 'Xavi, sag mir den Namen, bevor du Track Limits sagst!' Damit ich mich nicht zu sehr aufrege." Verstappens vermeintliche Pole-Zeit war gestrichen worden, und das beförderte Leclerc auf den ersten Startplatz für den Grand Prix am Sonntag.

Leclerc geht im Austin-Qualifying maximales Risiko

Aufgeregt war Leclerc nach dem Qualifying sowieso, auch in der Pressekonferenz war er noch aufgekratzt. Nachdem Verstappen am Freitag in Austin nicht wie sonst so oft unschlagbar, aber trotzdem schnell ausgesehen hatte, war Leclerc bereit, für eine Chance auf die Pole absolut alles zu riskieren.

Auf der ersten Q3-Runde fuhr er noch sauber und fehlerlos und holte die Zwischenbestzeit - hatte aber das Gefühl, dass eine zweite sichere Runde einem finalen Angriff von Verstappen nicht standhalten würde: "Auf der zweiten sagte ich mir, schau einfach, was geht. Mit der Mentalität machst du mehr Fehler, aber in Summe kannst du mit mehr Risiko mehr gewinnen als du durch diese kleinen Fehler verlierst."

"Ich habe wie verrückt gepusht", unterstreicht Leclerc. Im Mittelsektor verlor er zwar Zeit auf Verstappen, holte die aber mit einem bärenstarken letzten Streckenteil wieder raus. Verstappen, im Bestreben mitzuhalten, übertrieb es dort schließlich auch und beging jenen Fehler, wegen dem ihm die schnellste Runde gestrichen wurde. Auf der war er auch nur fünf Tausendstel schneller gewesen als Leclerc.

Leclerc & Ferrari die Sprint-Qualifying-Könige

Wirklich erwartet hatten Leclerc und Ferrari die Austin-Pole nicht, hatten vor dem Wochenende stets tiefgestapelt. Ganz im Sinne dessen sind sie sich auch nicht sicher, warum es geklappt hat. Leclerc hebt hervor, dass der SF-23 sich am Freitag in den Highspeed-Passagen im ersten Sektor auf einem Level mit der Konkurrenz befand und gut anfühlte. Ungewöhnlich - ist das Auto doch seit Saisonbeginn dafür bekannt, in schnellen Kurven mit plötzlichem Gripverlust am Heck zu kämpfen.

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Der Ferrari liegt in Austin überraschend gut, Foto: LAT Images

Die sehr unebene Strecke von Austin könnte Ferrari entgegenkommen, erklärt Leclerc. Der SF-23 steckt Bodenwellen nämlich gut weg, und gerade im schnellen ersten Sektor machten eben solche der Konkurrenz zu schaffen. Viele saßen zu stark auf, die Autos schaukelten sich auf und waren deshalb instabil: "Vielleicht konnten wir deshalb mit den anderen mithalten, und in den mittelschnellen und langsamen Kurven war unser Auto dann stark."

Ergänzt wurde das durch die Tatsache, dass Austin wieder ein Sprint-Wochenende ist. Alle drei Leclerc-Poles der Saison 2023 kamen an Sprint-Wochenenden. Kein Team rollt bei diesen Rennen, bei denen es nur ein Training vor dem Einfrieren des Setups geht, so gut vorbereitet auf die Strecke wie Ferrari: "Das ist unsere größte Stärke."

Und zu guter Letzt lobt Leclerc das wachsende Verständnis der Ferrari-Ingenieure des Autos, zu Saisonbeginn noch ein großes Problem. Das Japan-Update half zuletzt, die plötzlichen Übersteuer-Tendenzen ernsthaft einzudämmen: "Jetzt kann ich das Auto mehr in meinem Sinne abstimmen, mit einer stärkeren Vorderachse."

Das restliche Austin-Wochenende muss aber trotzdem nicht unbedingt zum Ferrari-Fest werden. Die Lücken sind eng, und Leclerc hat alle für den Sprint-Tag und für den Grand Prix am Sonntag auf der Rechnung: "Morgen wird schon schwieriger, weil die anderen mehr lernen, aber ich werde alles geben, um auch morgen auf Pole zu stehen."