Auto oder Fahrer - was macht den Unterschied? Diese Frage wird in der Formel 1 häufig gestellt. Bei Red Bull soll die Antwort darauf deutlich sein. Trotz überlegenem RB19 meint Motorsportchef Dr. Helmut Marko, dass Max Verstappen das ausschlaggebende Element bei den Bullen ist. Sergio Perez' Bemühen um den WM-Titel 2023 seien folglich am Vergleich mit dem Niederländer gescheitert.

"Die Überlegenheit kommt von Verstappen, nicht vom RB19", so Marko. "Man muss ihn mit Perez vergleichen. Perez ist, wenn man den Rennspeed hernimmt, sicher unter den fünf schnellsten Fahrern. Seine Schwäche hat er im Qualifying. Der Vergleich zeigt, dass Max im Qualifying im Schnitt eine halbe Sekunde, teilweise sogar sechs Zehntel, schneller ist. Und im Rennen ist Ähnliches der Fall."

Teamduell zwischen Verstappen und Perez nach Belgien-GP, Foto: LAT Images / Motorsport-Magazin.com
Teamduell zwischen Verstappen und Perez nach Belgien-GP, Foto: LAT Images / Motorsport-Magazin.com

Dass der RB19 eine Rakete im Formel-1-Feld ist, lässt sich jedoch nicht verneinen. "Wir haben sicher ein sehr gutes Auto, das wir entsprechend vom Vorjahr weiterentwickelt haben", sagt der Red-Bull-Motorsportchef. "Unsere Gegner Ferrari und Mercedes waren überraschend enttäuschend. Sie haben diese Weiterentwicklung nicht geschafft und jetzt noch mit unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen. Der RB19 ist sicher das universellste und schnellste Auto im Moment, aber die Überlegenheit, diese krasse Überlegenheit von teilweise einer halben Minute, kommt von Max Verstappen."

Marko: WM-Gedanke wurde Perez zum Verhängnis

Kurz sah es in der Formel-1-Saison 2023 sogar so aus, als könnte es ein knappes Bullen-Duell um den WM-Titel geben. Nach vier Rennen trennten Verstappen und Perez nur sechs Punkte an der Spitze der Königsklasse. Seit dem Miami-GP wurden Perez' Bemühen im Kampf gegen seinen Teamkollegen jedoch auffällig erfolgslos.

"Es gab einen Unterschied von sechs Punkten und dann kam bei Perez und den mexikanischen Fans, die sehr groß in der Anzahl und sehr enthusiastisch sind, der WM-Gedanke auf", erinnert sich Marko. "Von dem Moment an, war es für Perez ein großes Ziel, als erster Mexikaner Weltmeister zu werden. Das hat er dann im Hinterkopf so abgespeichert, dass er das aktuelle Renngeschehen ganz unter dieses Motto gestellt hat. Er wusste, dass er Max schlagen muss, um dieses Ziel zu erreichen und dabei ist der Fokus bei ihm verloren gegangen."

Weniger Fokus auf Verstappen - Perez auf besserem Weg

Dennoch zeigt sich Red Bull nicht unzufrieden mit den Leistungen von Perez. "Wir hatten nur ein einziges Ergebnis, wo Perez nicht in den Punkten war", betont Marko. "Das war nach dem Crash im Q1 in Monte Carlo und auf so einem Kurs kommst du nicht mehr nach vorne. Sonst war er immer in den Punkten."

Mehrfach patzte der Mexikaner 2023 bisher jedoch im Qualifying. Meist konnte der Red-Bull-Pilot seine Fehler im Rennen wieder ausbügeln. "Das Qualifying ist sein Manko", weiß auch Marko. "Da hat er sich psychologisch ein bisschen zu sehr unter Druck gesetzt." Doch Besserung sei in Sicht. "Perez ist jetzt wieder auf dem vernünftigen Weg, indem er nicht nur auf Max schaut", so der Red-Bull-Motorsportchef.

Ist Sergio Perez für Red Bull Racing sein Geld wert? (31:52 Min.)

Dazu gehöre auch der Versuch, bereits beim Freitagtraining näher dran zu sein und weniger mit eigenen Auto-Abstimmungen zu experimentieren. Der Fokus von Perez soll stattdessen darauf liegen, das Setup, das im Simulator herausgefahren wurde, weiterzuentwickeln und sich mehr an Verstappen anzulehnen. Eine knifflige Aufgabe, da die beiden Red-Bull-Piloten einen unterschiedlichen Fahrstil haben.

RB19: Entwickelt nach Verstappens Vorlieben?

"Max braucht eine sehr griffige Vorderachse. Er kann mit Untersteuern nicht leben", so Marko. "Wenn das Heck lose ist und das Auto ausbricht, auch bei 300 km/h, dann stört das einen Verstappen nicht, der hat das unter Kontrolle. Die meisten anderen Fahrer können mit einem nervösen Auto schwerer umgehen. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, dass die Abstimmung so ist, dass sich auch Perez halbwegs wohlfühlt, aber das Auto trotzdem schnell ist. Denn ein schnelles Auto ist in der Regel nervös und sicher nicht leicht zu fahrenden."

Die Vorwürfe, Red Bull würde das Auto konsequent in Verstappens Richtung entwickeln, weist Marko zurück. "Das ist nicht das Fall. Am Beginn der Saison 2022 hatte das Auto aufgrund des Übergewichts eine untersteuernde Tendenz, wegen der Gewichtsverteilung. Mit der Abspeckung ist das Auto wieder auf die Übersteuer-Tendenz gekommen", erklärt der Motorsportchef der Bullen.