Der Start des Formel-1-Sprints beim Belgien-GP musste aufgrund des regnerischen Wetters mehrfach verschoben werden. Erst als die Sonne wieder schien, fuhren die Boliden los. Das Sprintrennen wurde dennoch erst nach vier Runden hinter dem Safety-Car freigegeben. In den ersten beiden Runden entledigten sich alle Piloten der Full-Wet-Reifen und gingen auf Intermediates. Wurde das Rennen also zu spät gestartet, und wofür braucht die Formel 1 überhaupt noch Full-Wets, wenn damit nicht Rennen gefahren wird? Das sagen Fahrer und Teamchefs zur Lage der Formel 1 im Regen.
Fahrer sind sich einig: Sichtverhältnisse furchtbar
Zunächst zur Startentscheidung. Die Rennleitung wartete ab und gab dann erst nach vier Runden hinter dem Safety-Car das Rennen frei. Während die Fans auf Rennaction warteten, war dies für die Fahrer absolut nachvollziehbar. "Es war definitiv richtig, aufgrund der Sicht. Ich war auf Platz 8 und konnte nichts sehen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das für die Leute hinter mir gewesen sein muss", meinte etwa Sergio Perez. Lewis Hamilton stimmte zu: "Es machte wirklich keinen Sinn, du konntest nichts sehen. Es war gut, dass sie diese Runden anordneten. Selbst als es losging, konnte man vor Kurve 5 die Bremszone nicht sehen. Wir blieben einfach ewig auf dem Gas."
Rennsieger Max Verstappen konnte zumindest die Startprozedur nachvollziehen: "Ich denke, dass der rollende Start bei diesen Bedingungen eine kluge Entscheidung war, denn ich denke, dass niemand wirklich sehen konnte, was vor ihm passierte, und besonders auf dem neuen Asphalt hier gibt es viel mehr stehendes Wasser. In Kurve eins und in der Eau Rouge wäre es ziemlich gefährlich gewesen, und ich denke, dass man das nicht will, wenn alle Autos super eng beieinander sind und was passieren kann. Das war also eine gute Entscheidung." Ob es allerdings unbedingt vier Runden hinter dem Safety-Car gebraucht hätte, stellte er leicht in Frage: "Wir hätten etwas früher fahren können - vielleicht zwei Runden früher - aber ich ziehe es vor, es so zu machen, als da rauszugehen, wenn es unsicher ist und sie uns freigeben."
Pierre Gasly, der als Dritter ebenfalls in der Pressekonferenz saß, reagierte auf die Aussagen des Weltmeisters aus seiner Sicht: "Ich war Sechster, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es etwas anderes ist, wenn man Erster oder Zweiter ist, und wenn man ganz hinten steht, ist es wahrscheinlich schlimmer. Man muss alle 20 Fahrer fragen, was sie gefühlt haben, aber ich konnte nichts sehen. Wenn Oscar [Piastri] oder Max in der Mitte der Geraden gewesen wären, wäre ich direkt in ihnen gewesen. Ich konnte nicht einmal 10, 20 Meter vor mir sehen, selbst als wir alle die Reifen aufwärmten. Man hofft einfach das Beste, aber ich fühlte mich nicht sicher."
Mit Daniel Ricciardo bestätigte ein weiterer Pilot die furchtbaren Sichtverhältnisse. Der Australier hätte sogar noch weiter warten wollen: "Mir wurde anfangs gesagt, dass wir zwei [Runden] machen würden. Also dachte ich mir: Gut, wir brauchen mindestens zwei, um die Strecke zu sehen. Ich fuhr im vierten Gang bis zur Kurve 5 und nicht einmal mit Vollgas. Ich konnte das Licht von George [Russell] vor mir nicht sehen. Dann wurden es vier Runden. Dann dachte ich mir: Wenn kein Regen vorhergesagt ist, können wir vielleicht einfach die rote Flagge zücken und 40 oder 45 Minuten warten, dann können wir ein richtiges Rennen fahren, anstatt Runden hinter dem Safety-Car zu verlieren. Am Ende bin ich froh, dass wir das Rennen zu Ende gebracht haben."
Teams decken Rennleitung ebenfalls: Sicherheit besonders in Spa wichtig
Am Ende gab es keine wirkliche Stimme der Kritik an der Rennleitung. Auch aus den Chefetagen der der Rennställe gab es Verständnis für Rennleiter Niels Wittich und Co. "Sie haben den Wetterbericht genau beobachtet, der zweite Schauer, das hat alles gestimmt. Die Entscheidungen waren richtig, dass man gewartet hat. In der Gischt war es anfangs unmöglich. So ist glaube ich für Spa ein sicheres Rennen unter doch widrigen Umständen abgehalten worden", meinte etwa Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko am Mikro von ServusTV.
Sein Landsmann Toto Wolff erinnerte angesichts der tödlichen Unfälle von Anthoine Hubert und Dilano van 't Hoff an die besondere Verantwortung der Rennleitung in Spa: "Man kann absolut verstehen, warum alle in Spa auf der sicheren Seite sein wollen. Wir hatte zwei fürchterliche Unfälle, der letzte war unter ähnlichen Bedingungen, als die Fahrer nichts sehen konnten. Es ist klar, dass der Zugang sein muss, auf der ganz sicheren Seite zu sein. Das war richtig. Die Gischt auf dem neuen Asphalt war ziemlich übel."
Gischt der Formel 1 schlimmer, oder erhöhte Vorsicht nach Unfällen?
Doch ist es wirklich so viel schlechter geworden oder geht die Formel 1 angesichts dieser Unfälle einfach sensibler mit dem Thema Regen und Sicht um? Für Daniel Ricciardo ist es eindeutig ersteres: "Die Sichtverhältnisse sind eine Schande. Ich betreibe diesen Sport schon ziemlich lange und kann mich an so etwas nicht erinnern. Natürlich war es in den letzten Jahren schlecht, aber vor fünf, zehn Jahren sind wir unter solchen Bedingungen gefahren. Wir wollen Rennen fahren, weil diese Bedingungen Spaß machen können. Aber ehrlich gesagt denke ich, dass die Onboard es gut einfängt. Wir sehen wirklich nichts."
Max Verstappen bestätigte seinen Ex-Teamkollegen, sah aber auch den Einfluss der Unfälle: "Ich denke, dass es schlimmer geworden ist als damals, als ich in der F1 angefangen habe. Das liegt einfach an den breiteren Reifen und den Ground-Effect-Autos, die wir haben. Aber ich erinnere mich, dass es auch in den Junior-Kategorien ziemlich schwierig war, die Sicht war sehr schlecht. Unglücklicherweise gab es im Laufe der Jahre immer wieder Unfälle, und wahrscheinlich - das ist wohl immer das Unglück, wenn man versucht, etwas zu verbessern - muss erst etwas Schlimmes passieren, bevor man es wirklich ändert oder sich damit befasst. Aber ich erinnere mich an Rennen in der F3, bei denen ich nichts sehen konnte, wenn ich im Pulk war. Und auch heute konnte ich zum Beispiel manchmal nicht einmal das Safety-Car sehen, und ich bin der erste Fahrer. Das ist nicht einmal ein F1-Auto."
Full-Wets nutzlos: Performance zu weit weg vom Intermediate
Neben dem alles bestimmenden Thema Sicht waren auch die Reifen ein Diskussionspunkt. Aktuell scheint die Formel 1 die Full-Wets gar nicht zu brauchen, weil in der Gischt ohnehin keine Rennen gefahren werden können. Charles Leclerc sah großen Nachholbedarf: "Da muss noch einiges getan werden. Wir haben Extremwetter-Reifen, die sehr langsam sind, aber sehr gut für Aquaplaning geeignet sind. Aber wir fahren nie unter diesen Bedingungen, wegen der Sichtverhältnisse. Wann immer es also fahrbar ist, müssen wir auf Inters gehen. Das ist im Moment ziemlich schwierig. Die Full-Wets sollten schneller und näher an den Inters sein, so dass wir mehr auf den Full-Wets als auf den Inters fahren."
Verstappen sah dies ähnlich: "Eine andere Sache ist, dass wir im Moment sehr schnell von einem Full-Wet auf einen Inter wechseln wollen, selbst wenn es ein bisschen stehendes Wasser gibt. Ich denke also, dass auch beim Wechsel zwischen den Reifen der Regenreifen in einem besseren Fenster funktionieren muss, damit wir nicht immer direkt auf einen Inter wechseln müssen, aber das ist wieder ein anderes Problem, denn natürlich ist die Sicht wahrscheinlich das Wichtigste. Wenn man nicht sieht, wohin man fährt, ist das nicht das, was man will."
Lösungsansätze: Neue Regenreifen und Kotflügel
Die Formel 1 steht mit dem Regen momentan also auf Kriegsfuß. Freuten sich die Fans früher auf mögliche Überraschungen und Sensationen, stellt sich heute die Frage, ob überhaupt gefahren werden kann. Die Full-Wets zu verändern könnte der erste Ansatz sein. Gegen die Gischt wurden zuletzt in einem Reifentest Kotflügelmodelle getestet. Diese Lösung ist aber leider bei weitem noch nicht einsatzbereit. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Spa gibt es hier im Liveticker.
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