Was ist da los? Red-Bull beendet die ersten zwei Ungarn-Trainings mit Max Verstappen auf dem elften Platz im Nirgendwo, und ist meilenweit entfernt von Ferrari und McLaren. Ein Ergebnis, das von verrückt bis unverständlich mit vielen Worten beschrieben werden kann. Die Trainings-Analyse erklärt, wie ein neues Format, welches prompt zur Zielscheibe für die frustrierten Fahrer wird, das Ungarn-Wochenende beherrscht.

Denn wenn es einen Grund für das bizarre Kräfteverhältnis gibt, dann ist es dieses neue Format. Nein, Max Verstappen wird morgen wohl kaum ein Problem haben, es unter die Top-10 zu schaffen, selbst wenn Red Bull noch mit der Qualifying-Pace hadert. Regeln und Longruns geben im Anschluss Aufschluss.

Neues Reifen-Format bremst die Formel 1 in Ungarn aus

Der Schlüssel zum Freitag in Ungarn liegt in den Reifen. Im Sparen dieser. Hier, und in Monza, wird 2023 erstmals eine neue Reifen-Verteilung getestet. Sie nennt sich "Alternative Tyre Allocation" und ist eine Nachhaltigkeits-Idee. Die Anzahl der Reifensätze pro Fahrer fällt von 13 auf 11. Dafür werden in den drei Qualifying-Segmenten die Mischungen vorgegeben. Q1 muss mit Hard, Q2 mit Medium und Q3 mit Soft gefahren werden.

Das Problem ist: Irgendwo muss man die Reifen sparen. Und kein Team will in diesem neuen Szenario mit zu wenigen neuen Reifen im Qualifying ankommen. Jeder will mehrere Versuche auf frischen Reifen fahren und Material für das Rennen haben. Prompt blieben die Teams in Ungarn am Freitag in der Garage stehen. Es kam zu mehr als ungewöhnlichen Szenarien: Max Verstappen, Lewis Hamilton und George Russell griffen gar nur zu einem einzigen Reifensatz.

Das Reglement verpflichtet jeden Fahrer, am Freitag nach jedem Training einen Reifensatz abzugeben. Weil es im 1. Training regnete, warf das die Pläne der Teams noch einmal über den Haufen. Viele entschieden sich, nach FP1 einen unbenutzten, fabrikneuen Reifensatz zurück zu Pirelli zu schicken, mit dem sie im Regen nicht hatten fahren können.

In FP2 wurde dann so wenig wie möglich gefahren. Teams gingen es unterschiedlich an: Charles Leclerc fuhr ein Mini-Programm auf einem neuen Medium, den er sich für FP3 weiter aufhebt, und dann einen Longrun auf Soft. Max Verstappen packte nur einen neuen Soft aus, fuhr mit dem zu Beginn halbherzige schnelle Runden und dann einen halbherzigen Longrun. Lando Norris fuhr einen Longrun auf Medium, und minimierte mit nur drei Runden seine Qualifying-Simulation auf dem Soft.

Reifen-Dilemma wirbelt Ungarn-Ergebnis durcheinander

Die Strecke tat ihr Übriges. Der Regen zu Mittag hatte viel Gummiabrieb vom Asphalt gewaschen. Zu Beginn des 2. Trainings war der Grip niedrig, er nahm erst im Trainingsverlauf wieder zu. Die Reifen rutschten anfangs zu sehr, das löste Graining aus, und das begann die Reifen stark abzunutzen. Je später man neue Reifen aufzog, desto besser sah man aus. Letzter Faktor: Dieses Jahr sind erstmals die weichsten drei Reifenmischungen in Ungarn mit dabei. Die Soft-Reifen sind voraussichtlich wertlos, wenn es ums Rennen geht.

All das erklärt das verworrene Ergebnis. Max Verstappen fuhr nur mit dem Soft. Der ging ihm gleich in den ersten Minuten bei schwierigen Grip-Verhältnissen in die Knie. "Auf eine Runde müssen wir noch einiges klären", meint Motorsport-Chef Dr. Helmut Marko. "Es waren unterschiedliche Probleme in unterschiedlichen Kurven mit Kerbs und dergleichen. Das ist hier eine relativ kurze Strecke. Wenn es dann nicht passt, hast du schnell so einen Rückstand beieinander." Am Red-Bull-Update liegt es nicht. Marko schließt einen Rückbau kategorisch aus.

Nur ein Red Bull fuhr im Renntrimm. Sergio Perez leistete sich einen teuren Verbremser, der rechte Vorderreifen war danach nicht mehr fahrbar. Perez musste einen so wertvollen Medium-Satz anpatzen, um noch eine Qualifying-Simulation fahren zu können. Dann stellte er ab. Den Medium heute noch für einen Longrun zu verheizen wollte sich Red Bull nicht leisten. Ein übler Tag für Perez, der in FP1 schon das Auto in die Wand setzte. Nur 14 Runden wurden es in Summe. Schlimmer noch: Bei seinem Abflug ging einiges kaputt. Für ihn gibt es keine Update-Ersatzteile mehr.

Verstappen war von all dem unbeeindruckt, als es mit vollen Tanks in den Longrun ging. Auch von den vermeintlich filigranen Soft-Reifen wurde er nicht ausgebremst, und war klar der schnellste Pilot im Renn-Trimm. Das ist die Realität, und ein klares Warnsignal an die Konkurrenz: Es geht zuallererst um Red Bull.

Longruns in Ungarn: Soft

P.FahrerZeitRundenReifenalter
1Verstappen1:23,335618
2Leclerc1:23,626614
3Ricciardo1:23,831618
4Sainz1:23,946614
5Tsunoda1:24,1381423

Ferrari & McLaren stark, Mercedes ein großes Fragezeichen

Ferrari fuhr wie Verstappen Longruns auf Soft. Charles Leclercs Reifen waren vier Runden jünger, trotzdem verlor er im Schnitt drei Zehntel pro Runde. "Das Gefühl ist ziemlich gut, das ist positiv", bilanziert er und nennt Red Bull als Favoriten. Lando Norris, der auf eine Runde nur 15 Tausendstel hinter Leclerc landete, unterstrich mit einem guten Medium-Longrun den zuletzt so positiven Eindruck von McLaren. Allerdings sorgt man sich dort um das Wetter. Ab morgen soll die Sommerhitze zurückkehren, und Hitze mag der McLaren nicht.

Longruns in Ungarn: Medium

P.FahrerZeitRundenReifenalter
1Bottas1:23,368718
2Zhou [1]1:23,4091222
3Piastri1:23,640418
4Norris1:23,6751627
5Gasly1:23,7231225
6Alonso1:23,7811222
7Stroll1:23,9051324
8Ocon1:23,9131430
9Albon1:23,9151321
10Russell [2]1:23,949721
11Hamilton1:24,0881530
12Sargeant1:24,2861422
13Hülkenberg1:25,0091627

[1]: Zhou stoppte mitten im Longrun.
[2]: Russell stoppte spät im Longrun, fuhr später erneut - aber nur kurz.

Auf dem Medium-Reifen ist Norris aber nicht der Schnellste. Diese Ehre wird überraschend Alfa Romeo zuteil. Der Alfa ist bekannt dafür, stärker auf langsamen Strecken zu sein, auch wenn das Trainings-Ergebnis etwas optimistisch ist. Beide Fahrer fuhren ungewöhnliche Programme, stoppten zu Beginn ihrer Longruns noch einmal. Das dämpft die Vergleichbarkeit.

Alpine, Aston Martin und Williams sind in einem engen Paket allesamt vor Mercedes. Dort zierte man sich am Freitag besonders. Weder Lewis Hamilton noch George Russell griffen zu den Soft-Reifen, und fuhren auch keine Qualifying-Simulationen. Bei schlechten Grip-Verhältnissen war Hamilton zunehmend frustriert mit der Balance des W14. Russell nahm es optimistischer. Was Mercedes wirklich kann, bleibt völlig im Dunkeln.

Daniel Ricciardo war beim Comeback im Dauerlauf schneller als Yuki Tsunoda - aber der Japaner fuhr viel länger. Seine Reifen gingen am Ende eines richtig langen Longruns in die Knie. Ricciardo fing später an, kam nie an diesen Punkt. Wirklich eindeutig erscheint einmal mehr nur das Schlusslicht. Zwar ist Haas im Qualifying-Trimm nicht zu unterschätzen, aber trotz verbessertem Unterboden war Nico Hülkenbergs Medium-Longrun nicht schön. Kevin Magnussen bemühte als einziger Pilot den Hard-Reifen, war damit der über alle drei Mischungen zweitlangsamste Pilot.

Kein anderes Team wagte es, die Hard-Reifen am Freitag anzurühren. Bei steigenden Temperaturen wird am Sonntag wohl nicht das Kalt-Graining zum Problem werden. Pirelli erwartet Streckentemperaturen bis zu 50 Grad. Das vernichtet hier die Hinterreifen. Zwei Stopps sind zu erwarten, vielleicht sogar drei.

Formel 1 Ungarn 2023: Der Zeitplan

Alle Infos zu den TV-Zeitplänen der Formel 1 von Sky, ServusTV und Co. gibt es hier in der Übersicht. Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Ungarn gibt es hier im Liveticker.