(Fast) alles neu bei Mercedes. In Monaco verabschiedeten sich die Silberpfeile von ihrem geliebten/gehassten Konzept. Nach dem Imola-Ausfall kein optimaler Ort für Update-Experimente, trotzdem macht sich leichter Optimismus bei den ehemaligen Serienweltmeistern breit. Feiern mit den Seitenkästen auch die Mercedes-Siege ihr Comeback?

Mercedes: Daten ist das neue Gold

"Barcelona ist nicht genug, wir brauchen mehr Daten", erklärt Toto Wolff den Grund, die neuen Teile bereits in Monaco zu bringen. "Dann können wir in Barcelona und Montreal weitere Analysen durchführen." Der Technische Direktor James Allison trauert dem Emilia Romagna Grand Prix hinterher. "Monaco ist ein furchtbar schwieriger Ort, um Vorhersagen zu treffen." Unklar, wie sich das Update geschlagen hat. Erstes Fazit: "Wir haben die Welt im Qualifying nicht abgebrannt, aber die Pace im Rennen sah gut aus."

P4 für Lewis Hamilton, P5 und ein durch einen Fahrfehler verschenktes Podium für George Russell. "Aerodynamisch ist es sehr schwer einzuschätzen, weil das Auto nie mehr als einen kurzen Moment lang unter denselben Bedingungen ist", wagt Trackside Engineering Director Andrew Shovlin aufgrund der limitierten Daten in Monte Carlo ebenfalls keine Prognose über das Update. "Aber grundsätzlich sieht alles gut aus."

Erster Testlauf in Monaco ohne Alarmglocken

Kurze Hoffnungsschimmer blitzten schon auf dem engen, 3,337 Kilometer langen Stadtkurs in Monaco durch. "Wir sahen zeitweise konkurrenzfähiger aus als im finalen Lauf von Q3. Aber wir müssen das auf einer richtigen Strecke wie Barcelona ausprobieren und sehen, wo wir landen", meint Shovlin. Vor allem die Qualifying-Schwäche soll sich verbessern, im Zeittraining landet Mercedes 2023 im Durchschnitt auf Startplatz 6,3.

"Das Feedback war gut, und auch die Arbeit am Simulator zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich bin zuversichtlich, dass was wir gemacht haben, ein Schritt nach vorne ist", so der Brite. "In Barcelona wird sich zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Aber wir erwarten schon jetzt, dass noch eine Menge Arbeit vor uns steckt." Zumindest die ersten aerodynamischen Daten ließen aber keine Alarmglocken schrillen.

Nur ein Sieg in 27 Rennen war nicht genug für Mercedes, Foto: LAT Images
Nur ein Sieg in 27 Rennen war nicht genug für Mercedes, Foto: LAT Images

Vor allem Lewis Hamilton zeigte sich bereits in Monaco glücklich über den rundum erneuerten W14. "Es war schwierig, hier in Monaco zu wissen, wie sich die Upgrades auswirken", so der Brite. Aufgrund der vielen Bodenwellen fühlte sich das Auto sehr steif an. "Aber Barcelona ist vermutlich die beste Teststrecke, die wir uns wünschen können, um mehr über das Paket zu erfahren. Ich freue mich darauf, zu sehen, wie das Auto reagiert."

Mercedes: Die ewigen Leiden des Budget-Caps

Aus Kostengründen konnte Mercedes kein neues Chassis bauen, und musste so bei der Vorderradaufhängung einen Kompromiss eingehen. "Wir hatten dieses Jahr eine neue Aufhängung und Aufhängungen sind sehr teuer", erklärt Shovlin. "Die Realität ist: Wir schauen da immer auf unsere Position in der Weltmeisterschaft. Und wir glauben nicht, dass wir damit einen Riesen-Schritt nach vorne gemacht hätten."

"Um ehrlich zu sein, gibt uns das sogar ein bisschen mehr Freiheiten", sieht es Shovlin positiv. "So bekommen wir etwas mehr Stabilität ins Auto." Bei den Vorgängerversionen kämpften Lewis Hamilton und George Russell entweder mit einer schwachen Front beim Apex oder einem schwachen Heck beim Bremsen und Einlenken. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com verrät der leitende Ingenieur, wie das Update entstanden ist: "Wir überlegen uns, was wir mechanisch haben wollen und optimieren es dann aerodynamisch."

Trotzdem: "Wenn du solche Updates mitten in einem Chassis-Entwicklungs-Zyklus bringst, bekommst du natürlich nie ganz genau, was du willst. Wir haben genaue Ideen, was wir wollen. Was wir mit dem nächstjährigen Auto machen wollen", so der Trackside Engineering Director. "Was wir jetzt getan haben, war ein Fall von: Was kannst du unter dem Budget-Cap in einer kurzen Zeit erreichen. Es ist ein Schritt, aber eigentlich nicht das, was wir haben wollen."

"Wir wollten schnell etwas machen, dass uns kein Vermögen kostet", hieß die Devise. "Wir nehmen das Chassis, das wir haben und machen das Beste daraus. Das ist das erste Projekt", erklärt Shovlin. Simultan daneben laufen Simulationen mit einem neuen Chassis, für den nächstjährigen Mercedes-Boliden.

Mercedes und ihr Konzept: Eine Hassliebe

2022 schockte Mercedes mit ihrem Zero-Sidepod-Konzept das Fahrerlager. Angst machte sich breit: Hatte Mercedes das nächste, alles dominierende Auto gebaut? Bilanz nach 28 Rennen: Ein Sieg (Brasilien), eine Pole Position (Ungarn), beides für George Russell. "Wir haben das blind entwickelt: Du siehst ja 2022 vorher von keinem das Auto. Wir haben eine Möglichkeit in den Regeln entdeckt, die uns das erlaubt hat und gedacht, dass uns das viel Spielraum für aerodynamische Entwicklung gibt", verteidigt Shovlin die Vorgängerversion des W14.

"Wir haben uns dann darauf festgelegt. Du kannst ja nie vorher wissen, ob jemand eine bessere Idee hat. Wir sahen darin unsere beste Chance", führt Shovlin aus. Nach langem Hin und Her warf Mercedes das Konzept schließlich aus dem Fenster, testete im Windkanal andere Konzepte und steckte viel Arbeit in den Wechsel. Nachsatz zur alten Liebe: "Manche Elemente daraus waren brauchbar."

Shovlin: Schmerzhafter Prozess, aber jetzt froh darüber

"Es war eine Art von Akzeptanz. Wir haben dem Konzept lange eine Chance gegeben, aber es ließ sich nicht so gut weiterentwickeln wie das der Konkurrenz", so Shovlin. "Ein Konzeptwechsel ist ein ziemlich schmerzhafter Prozess. Du verlierst sehr viel Entwicklungszeit, nur um dorthin zurückzukommen, wo du warst. Zumindest ist es gut, dass wir uns da jetzt durchgekämpft haben."

Denn: Mercedes tröstet sich mit den Vorteilen, die (hoffentlich) folgen werden. "Unsere Aerodynamik-Abteilung ist schon jetzt ganz aufgeregt, dass sie an etwas Anderem arbeiten können", meint Andrew Shovlin. Für Barcelona und folgende Rennen sind bereits weitere Updates geplant. "Das ist das Problem derzeit: Aston Martin bringt Updates, Alpine auch. Jeder bringt neue Teile ans Auto. Aber du musst einfach auf deine Werkzeuge und deine Entwicklungsrichtung vertrauen."

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Fahrer-Tabelle

  • 1. Max Verstappen (144 Punkte)
  • 2. Sergio Perez (105 Punkte)
  • 3. Fernando Alonso (93 Punkte)
  • 4. Lewis Hamilton (69 Punkte)
  • 5. George Russell (50 Punkte)
  • 5. Carlos Sainz Jr. (48 Punkte)
  • 7. Charles Leclerc (42 Punkte)
  • 8. Lance Stroll (27 Punkte)
  • 9. Esteban Ocon (21 Punkte)
  • 10. Pierre Gasly (14 Punkte)
  • 11. Lando Norris (12 Punkte)
  • 12. Nico Hülkenberg (6 Punkte)
  • 13. Oscar Piastri (5 Punkte)
  • 14. Valtteri Bottas (4 Punkte)
  • 15. Guanyu Zhou (2 Punkte)
  • 16. Yuki Tsunoda (2 Punkte)
  • 17. Kevin Magnussen (2 Punkte)
  • 18. Alexander Albon (1 Punkt)
  • 19. Logan Sargeant (0 Punkte)
  • 20. Nyck de Vries (0 Punkte)

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (249 Punkte)
  • 2. Aston Martin (120 Punkte)
  • 3. Mercedes (119 Punkte)
  • 4. Ferrari (90 Punkte)
  • 5. Alpine (35 Punkte)
  • 5. McLaren (17 Punkte)
  • 7. Haas (8 Punkte)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (2 Punkte)
  • 10. Williams (1 Punkt)