George Russell hat mittlerweile zahlreiche WM-Punkte und seinen ersten Rennsieg in der Tasche. Mit der Beförderung zum Mercedes-Stammpilot gelang der ersehnte Karrieresprung. Obwohl Russell 2022 die ersten großen Erfolge in der Formel 1 feierte, kennt er auch die Schattenseiten der Königsklasse. Im High Performance Podcast denkt der Brite zurück an seine Zeit bei Williams.

"Mein erstes Jahr in der Formel 1 war eine einzigartige Saison", erinnert sich Russell. "Ich ging zu Williams, einem Team am Rande des Bankrotts. An jedem Rennwochenende haben wir ums Überleben gekämpft, nicht um Performance. Die Jobs von 800 Mitarbeitern standen auf dem Spiel."

Nachdem Russell 2018 den Formel-2-Titel gewann, kam er 2019 erstmals in der Formel 1 unter. An der Seite von Robert Kubica übernahm er das Williams-Cockpit. Die Lage des Traditionsrennstalls war zu dieser Zeit drastisch. Neben finanziellen Nöten, war der FW42 deutlich der schwächste Bolide im Feld.

"Als ich zu meinem ersten Formel-1-Rennen nach Australien kam, war der Traum von der Königsklasse erstmal erfüllt", schildert Russell. "Ich ging auf die Strecke und mir fehlten vier Sekunden auf die Bestzeit. Das Auto fiel auseinander und wir wurden zwei bis dreimal überrundet. Da denkst du dir: Ist das wirklich der Traum?"

Russell: F1-Erfolge von Albon und Norris waren schwer zu verdauen

Russells britische F2-Kollegen Lando Norris und Alexander Albon stiegen zur selben Zeit in die Königsklasse auf. Norris kam bei McLaren unter. Albon bei AlphaTauri und später bei Red Bull. "Zu sehen, dass Alex und Lando Punkte holten und um Podien kämpften war schwer zu verdauen", so Russell. "Ich kam gerade aus der Formel 2, wo ich sie geschlagen hatte."

Russell mit Albon 2019, Foto: LAT Images
Russell mit Albon 2019, Foto: LAT Images

Dennoch fand der damalige Williams-Pilot einen Weg, mit der Situation umzugehen. "Mein Ziel war es nicht Punkte und Podien zu holen. Mein Ziel war es zu gewinnen. Ich war Teil das Mercedes-Programms und dachte mir, dass meine Zeit noch kommen wird", erklärt der Brite.

Williams-Überlebenskampf bot einzigartige Gelegenheit

So kam es später auch. Nach drei Jahren bei Williams bestritt Russell 2022 eine erfolgreiche Saison bei Mercedes. Von seiner Zeit am Ende des Feldes, konnte Russell jedoch auch profitieren. "In schwierigen Situationen, musst du immer das Positive finden", so der heutige Mercedes-Pilot.

"Im Williams war ich das Schlusslicht. Ich fuhr unter dem Radar. In meiner ersten Saison habe ich ein paar Fehler gemacht, aber der Fokus lag nicht auf mir. Er lag auf den Fahrern weiter vorne. Wenn Alex und Lando einen Fehler machten, bekam das die ganze Welt mit. Das war meine Gelegenheit zu lernen und Dinge auszuprobieren. Diese Gelegenheit hatten die beiden nicht."

Russell: Das hätte ich nicht bei Mercedes lernen können

Russells erstes Jahr bei Williams war punktetechnisch die schwächste Saison in der Geschichte des Rennstalls. "Erfolg ist relativ", benennt der Brite die wichtigste Lektion, die er in diesem Jahr bei Williams gelernt hat. "Pole Positions und Rennsiege waren nicht erreichbar, deswegen musste ich meine Ziele und Erwartungen anpassen. Ich habe gefeiert, wenn ich nur eine halbe Sekunde von P18 weg war, anstatt eine ganzen Sekunde."

Rückblickend ist Russell froh über seine Zeit bei Williams. "Jede Gelegenheit und Saison ist Teil meiner Entwicklung und macht mich aus", so der 24-Jährige. "Diese Erfahrungen hätte ich nicht bei Mercedes sammeln können. Alex und Lando haben solche Erfahrungen nicht gemacht, und das muss ich als Vorteil sehen."