Das Debakel rund um Oscar Piastris Formel-1-Zukunft schlug große Wellen. Alpine ging aus der hitzigen Angelegenheit klar als Verlierer empor und warf dem jungen Australier mangelnden Anstand und fehlende Loyalität vor. Nun zweifelt Alpine-CEO Laurent Rossi aufgrund des Vorfalls gar an der Sinnhaftigkeit des Nachwuchsprogramms für junge Talente.

"Wenn du dich dazu entscheidest, Geld einzusparen, indem du in keine Fahrer investierst, und dann mit dem gesparten Geld die Fahrer zu dir holst, ist das ein anderer Zugang", so Rossi bei The Race. "Ich weiß deshalb nicht, ob ich weiterhin Fahrer ausbilden möchte. Die Alternative ist, die Piloten mit einem Vertrag an dich zu ketten, den sie vielleicht nicht gut finden."

Rossi frustriert - Ende der Alpine Academy in Aussicht

Im Fall Piastri gelang es dem Team nicht, den jungen Piloten vertraglich zu binden. Den organisierten Sitz bei Williams schlug der Australier aus. Als Fernando Alonsos seinen überraschenden Wechsel zu Aston Martin verkündete, hatte Piastri bereits einen Vertrag mit McLaren. Der zweite Alpine-Sitz bleibt vorerst leer.

Piastri, der seit 2020 im Nachwuchsprogramm des französischen Rennstalls ist, war somit eine Investition, die nicht aufgegangen ist. Von der Ausbildung des Australiers profitiert nun McLaren. Eine Tatsache, die bei Alpine sauer aufstößt.

"Wir stellen derzeit ernsthaft in Frage, ob wir mit dem Programm weitermachen, nachdem wir die Pflichten gegenüber unseren derzeitigen Nachwuchsfahrern erfühlt haben", verrät Rossi.

Neben Piastri umfasst die Driver Academy von Alpine noch die Formel-2-Piloten Jack Doohan und Oliver Caldwell, sowie den amtierenden Formel-3-Sieger Victor Martins und dessen F3-Kollege Caio Collet. "Wir rätseln, ob wir noch neue Fahrer in das Programm aufnehmen sollen, denn warum sollten wir?", so der der Alpine-CEO.

Causa Piastri: Ein Präzedenzfall der Formel 1?

Zeigt der Fall Piastri grundlegende Fehler der F1-Nachwuchsprogramme auf? Rossi warnt seine F1-Kollegen: "Wir haben uns für alle anderen verbrannt. Der Markt ist viel zu unsicher, wodurch Stakeholder, die in das Projekt investieren, gefährdet sind."

Piastri fährt 2023 für McLaren, Foto: Alpine F1 Team
Piastri fährt 2023 für McLaren, Foto: Alpine F1 Team

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff äußerte nach dem Piastri-Fiasko Bedenken. Er kündigte an, zukünftig mit noch strikteren Verträgen nachzuschärfen, um ähnliche Vorfälle in seinen eigenen Reihen zu vermeiden.

"Die Teams investieren sehr viel Geld in die Juniorprogramme", so Wolff. "Zu sehen, dass du dich aus etwas hinausmanövrieren kannst, wenn du clever bist, ist nicht gut für diese Industrie."

Vom Junior zum F1-Weltmeister - Eine Frage des Vertrags

McLaren-Teamchef Andreas Seidl macht sich in dieser Angelegenheit jedoch keine Sorgen: "Ich denke, die Situation mit Oscar hat keine Auswirkung auf andere Nachwuchsakademien. Du musst nur darauf achten, welche Verträge bestehen, wenn du ein solches Programm hast. Lando [Norris] hätte McLaren vor ein paar Jahren einfach nicht verlassen können, weil wir die richtigen Verträge hatten."

Auch Alfa-Romeo-Teamchef Fred Vasseur spricht sich für ein Nachwuchsprogramm aus: "Ja, es gab den Fall mit Oscar, aber es gibt auch positive Beispiele. Etwa Lewis Hamilton und Sebastian Vettel. Die sind beim Team geblieben und sind Weltmeister geworden."

Bei Alpine scheint der Stachel jedoch tief zu sitzen. "Abgesehen davon, dass Alpine durch den Vorfall einen Kratzer abbekommen hat, denke ich, dass auch der Sport selbst einen Kratzer bekommen hat", bedauert Rossi.