Kaum ein Thema dominierte in den letzten Wochen die Silly Season in der Formel 1 so sehr, wie das Thema Superlizenz. Der mögliche Transfer von Colton Herta zu AlphaTauri in die Königsklasse scheiterte daran, dass der US-Amerikaner keine Ausnahmeerlaubnis der FIA erhielt. McLaren-CEO Zak Brown rechnet deshalb mit dem Punktesystem für die F1-Zulassung ab.

Im Rahmen des Finalrennens der Indycar-Saison forderte er: "Das komplette Superlizenz-System muss überarbeitet werden." Konkret stört er sich daran, dass die Indycar in der Vergabe der Punkte deutlich schlechter wegkommt als die direkten Nachwuchsserien unter der Formel 1. Dass Herta nicht für eine Superlizenz infrage kommt, sei für ihn der neueste Beweis dafür.

Formel-1-Lizenz: Indycar zu schlecht bewertet?

"Wenn jemand wie Colton, der eine Menge Indycar-Rennen gewonnen hat, nicht für eine Superlizenz infrage kommt, dann denke ich müssen wir das gesamte Superlizenz-System unter die Lupe nehmen", argumentierte Brown.

Er untermauerte diese Argumentation mit zwei prominenten Beispielen aus der Vergangenheit: Max Verstappen und Kimi Räikkönen. "Ich glaube nicht, dass Max Verstappen für eine Superlizenz infrage gekommen wäre, ich glaube nicht dass Kimi Räikkönen für eine Superlizenz infrage gekommen wäre", zählte Brown auf.

Max Verstappen: Erfüllte bei F1-Debüt die heutigen Kriterien nicht

Die beiden Formel-1-Weltmeister betraten den Sport bevor das heute gültige strikte Punktesystem für F1-Superlizenzen errichtet wurde. Der damals erst 17-jährige Verstappen gilt auch als Grund, für diese Regelverschärfung. Heutzutage dürfte der Niederländer sogar aus drei verschiedenen Ursachen zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere nicht in die Formel 1 aufsteigen.

Neben den nicht ausreichenden Superlizenz-Punkten gilt inzwischen ein Alterslimit von 18 Jahren, außerdem muss man mindestens zwei Jahre Erfahrung in Nachwuchs-Kategorien mitbringen. Verstappen absolvierte lediglich eine Saison im Formelsport ehe er sein Debüt als Formel-1-Stammfahrer feiern konnte, Räikkönen stieg 2001 aus der britischen Formel Renault direkt in die Königsklasse auf.

"Wenn man also zurückblickt, dann gibt es ein Duo an Fahrern, Weltmeistern, die unter heutigen Umständen keine Superlizenz erhalten hätten", so Brown. Der McLaren-Chef argumentiert aber nicht ganz uneigennützig. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen F1-Teams, welche ein breites Nachwuchs-Programm aufgestellt haben, führt die Mannschaft aus Woking ein Indycar-Team und unternimmt regelmäßig Testfahrten mit Piloten aus der Meisterschaft. Auch Herta testete schon einen Vorjahres-Boliden für McLaren.

Indycar-Titel garantiert Superlizenz

Dabei ist die Indycar-Serie neben der Formel 2 die einzige Meisterschaft, in der man in einer Saison direkt ausreichend Punkte für die Formel-1-Lizenz sammeln kann: 40 Zähler gehen an den Indycar-Champion, also exakt die für die F1 benötigte Anzahl. Anschließend geht die Punkteausbeute aber rapide nach unten. Für den zweiten Meisterschaftsrang erhält man 30 Zähler, Platz 3 ist mit 20 Punkten nur noch die Hälfte des Titels wert, für P4 gibt es zehn Punkte.

Die Verteilung orientiert sich an der Formel 2. Dort erhalten allerdings die Top 3 die volle Punktzahl, danach geht es nach demselben Muster bergab. Ab P4 erhält man auch in der F3 mehr Punkte als in der amerikanischen Formelserie. Brown bezweifelt aber, dass die fahrerische Qualität in der Indycar schlechter sei als in der F2 oder gar der Formel 3. "Jemand vom Kaliber eines Colton (Herta) oder Pato (O'Ward) oder der Hälfte des Indycar-Feldes ist Formel-1-fähig", behauptete der US-Amerikaner.

Superlizenz-Punkte: Rennserien in der Übersicht (Auswahl)

PositionFormel 2IndycarFormel 3Formel E
140403030
240302525
340202020
430101510
5208128
610696
78474
86353
94232
103121

Insgesamt erfüllen derzeit sieben Indycar-Piloten definitiv die Voraussetzungen für eine Formel-1-Superlizenz. Mit Will Power, Alex Palou, Josef Newgarden und Scott Dixon sind das die Champions der vergangenen Jahre, außerdem bringt nach Ex-Manor-Pilot Alexander Rossi genügend Punkte mit. Auch Scott McLaughlin hat in seiner bisherigen Karriere ausreihend Punkte gesammelt mit, der Großteil davon stammt allerdings noch aus der australischen Supercar-Meisterschaft und nicht direkt aus der Indycar.

Romain Grosjean wäre ebenfalls in der Formel 1 startberechtigt, da sein letzter Auftritt in der Königsklasse weniger als drei Jahre zurückliegt. Zu diesen sieben Piloten kommen noch zwei, für die ein Ausnahme-Paragraph gilt. Die ehemaligen Formel-1-Fahrer und damit Ex-Superlizenz-Inhaber Marcus Ericsson und Takuma Sato könnten ebenfalls mithilfe eine Superlizenz erhalten, allerdings würde die endgültige Entscheidung über ihre Konkurrenzfähigkeit der FIA unterliegen. Ein Formel-1-Comeback erscheint aber für keinen der beiden Indy-500-Sieger unrealistisch.