Max Verstappen und Red Bull schockten im 2. Freien Training zu Belgien-GP erst einmal den Rest der Formel 1. Mit 0,862 Sekunden Vorsprung deklassierte Verstappen die versammelte Konkurrenz, angefangen beim in FP2 zweitplatzierten Hauptgegner Charles Leclerc im Ferrari.

Bei Red Bull ist die Laune daher trotz einer bereits fixen Motor-Strafe nicht schlecht. Das Team traf die Entscheidung, hier taktisch das Motoren- und Getriebe-Limit zu überschreiten. Mit viertem Motor und fünftem Getriebe muss Verstappen von ganz hinten losfahren. Dass Red Bull irgendwann im Laufe der Saison eine Strafe nehmen muss, war spätestens nach Ungarn, als man am Sonntag kurzfristig auf die dritte von drei erlaubten Power Units wechseln musste, absehbar.

Die Zwangsversetzung auf der Highspeed-Strecke von Spa in Kauf zu nehmen könnte sich für Verstappen richtig bezahlt machen. Denn auch Leclerc wird aufgrund von einem Motorwechsel von weiter hinten losfahren. Und am Freitag schien sich dann ein eklatanter Topspeed-Vorteil bei Red Bull abzuzeichnen. Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Spa gibt es hier im Liveticker.

Red Bull: Trotz mehr Flügel in Spa bester Topspeed

Neu ist das in der Saison 2022 nicht, schon immer hatte der RB18 meist die besten Topspeed-Werte und gilt als das aerodynamisch effizienteste Auto im Feld. Am Messpunkt am Ende der langen Kemmel-Geraden offenbarte sich am Freitag gar ein massiver Vorteil. Der lag nicht nur am neuen Verstappen-Motor, auch Sergio Perez war pfeilschnell. Selbst ohne Windschatten schienen die beiden Red Bulls mit Leichtigkeit am Messpunkt an der 340-km/h-Marke zu kratzen.

Formel 1 Spa, 2. Training: Topspeed Ende Kemmel-Geraden

P.Fahrerkm/h
1Perez344,6
2Verstappen338,9
3Bottas337
4Zhou334,9
5Leclerc334,5
6Gasly334,4
7Tsunoda334,3
8Sainz334
9Russell331,5
10Magnussen329,8
11Hamilton329,8
12Alonso329,4
13Schumacher329,3
14Albon328,8
15Ricciardo328,6
16Ocon328,2
17Norris328
18Stroll325,3
19Vettel325
20Latifi322,3

Bei der direkten Konkurrenz ging das nicht so locker. Kein anderes Auto fuhr konstant so schnell wie der Red Bull. Die Ferrari-Bestmarken von Leclerc und Carlos Sainz kamen mit leichter Windschatten-Hilfe zustande. Die Scuderia baute in der Mittagspause einen deutlich kleineren Heckflügel auf das Auto, und dennoch war Charles Leclerc auf seiner schnellsten Runde neun km/h langsamer als Verstappen.

Fahrerkm/h auf bester Runde
Verstappen338
Leclerc329,1
Norris328
Stroll325,3
Sainz330,2
Hamilton329,8

Das Massive am Vorteil ist aber nicht die absolute Zahl in der Tabelle. Sondern die Tatsache, dass Red Bull trotz eines größeren Heckflügels immer noch an der Spitze der Tabelle zu finden ist. Red Bull kann es sich erlauben, mehr Flügel zu fahren, und eben dank dem größeren Flügel fuhr Verstappen seinen wirklichen Vorsprung im kurvigen Mittelsektor heraus. Fast sechs Zehntel nahm er dort Leclerc ab, sieben Zehntel Sainz.

Ferraris Low-Downforce-Heckflügel vs. Red Bulls Heckflügel, Foto: LAT Images
Ferraris Low-Downforce-Heckflügel vs. Red Bulls Heckflügel, Foto: LAT Images

Obendrauf schien der Red Bull von allen Autos bei den kühlen Spa-Bedingungen am Freitag am besten aussortiert und zeigte, anders als die Konkurrenz, kaum Probleme beim Anwärmen der Reifen. "Das Auto hat sich sofort beim Rausfahren gut angefühlt", freut sich Verstappen. "Natürlich gibt es kleine Dinge, die du feintunen willst, bei der Balance, aber vom ersten Anlauf war ich eigentlich happy mit dem Auto."

Formel 1 Spa, 2. Training: Sektor-Analyse der besten Zeiten

"
P.FahrerSektor 1Sektor 2Sektor 3Zeit
1Verstappen31,05345,35829,0961:45,507
2Leclerc+ 0,139+ 0,584+ 0,139+ 0,862
3Norris+ 0,075+ 1,014- 0,007+ 1,082
4Stroll+ 0,147+ 0,757+ 0,224+ 1,128
5Sainz+ 0,066+ 0,771+ 0,305+ 1,142
6Hamilton+ 0,056+ 1,027+ 0,303+ 1,386

"Sektor zwei ist er eine Klasse für sich, das schaut gut aus", ist Motorsportchef Dr. Helmut Marko gegenüber Motorsport-Magazin.com beeindruckt. Ganz so gigantisch schätzt er die Lücke dann aber nicht ein: "Die werden sicher ihre Autos adaptieren bei Ferrari. Ich nehme an, dass sie mehr Flügel fahren werden." Außerdem soll es für den Rest des Wochenendes wärmer werden, das negiert den Vorteil beim Anwärmen der Reifen.

Verstappen will Aufholjagd, Perez strauchelt mit Problemen

Topspeed wird für Verstappen im Rennen aber kritisch werden, um sich von der Strafversetzung weg zurück nach vorne zu kämpfen. Mindestens 15 Autos wird er am Sonntag vor sich haben, und mit einem so großen Speed-Vorteil wird das Überholen natürlich leichter. Und es wird auch leichter, sich gegen den direkten Konkurrenten Leclerc zu behaupten, der voraussichtlich direkt vor ihm starten wird. Wie weit es nach vorne geht, das traut sich Verstappen noch nicht einzuschätzen: "Wir werden es versuchen. Wir müssen es."

Theoretisch könnte Red Bull mit Sergio Perez ganz vorne natürlich um Pole und Sieg kämpfen. Der Mexikaner hat keine Motorstrafe, lieferte am Freitag in Spa aber auch keine gute Rundenzeit. Allerdings lag das daran, dass ihn ein Problem mit dem Heckflügel in FP2 zu einer Reparaturpause zwang: "Da sind wir ein bisschen gestanden, und dann war es zu feucht." Spät einsetzender Regen sabotierte seinen letzten Schuss.

"So lange, wie er gefahren ist, war er in den ersten Phasen halbwegs dran", versichert Dr. Helmut Marko. "Es war dann nur bedingt dadurch, dass er so lange gestanden ist, und die Strecke ist ja deutlich schlechter geworden."

Also hat Red Bull gute Gründe für Zuversicht, trotz der Verstappen-Strafe. Diese sollte auch die letzte sein, hofft Marko: "Theoretisch sollte das ausreichen." Für die verbleibenden Rennen plant Red Bull, bei Verstappen mit dem bereits verwendeten Motoren-Kontingent auszukommen.