Nach seinem kapitalen Motorschaden im Rennen in Österreich war klar, dass Ferrari-Pilot Caros Sainz in Bälde eine Strafe aufgrund des Einbaus einer neuen Power Unit kassieren würde. Ferrari entschied sich diesen Wechsel bereits in Frankreich vorzunehmen, vor allem weil man auf der Strecke in Le Castellet besser überholen kann als auf dem Hungaroring, der am folgenden Wochenende auf dem Programm der Königsklasse steht. Alle News zur Formel 1 heute in Frankreich gibt es im Liveticker.

Für Sainz stand der Ablauf seines Wochenendes damit schon vorher fest und dies zog auch Konsequenzen für das, angesichts seiner Strafversetzung eigentlich sportlich bedeutungslose, Qualifying nach sich. "Der Plan war es, es ins Q3 zu schaffen und dann Charles [Leclerc, Anm. d. Red.] zweimal Windschatten zu geben und das haben wir auch gemacht. Das war schon das ganze Wochenende der Plan", berichtete Sainz von seiner Hilfe für den Teamkollegen im WM-Kampf gegen Max Verstappen.

"Ich habe das als ziemlich leicht empfunden, das war kein Problem. Wir haben es gut durchgezogen und es gab keinerlei Probleme", berichtete der Spanier von seiner Windschattenhilfe auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Ich weiß wie man Windschatten gibt, denn ich weiß aus meinen eigenen Quali-Runden wann ich gerne zwei, drei Zehntel durch einen Windschatten hätte. Ich wusste also von Anfang an, was zu tun war und wir haben das dann auch sehr schön umgesetzt." Der Ferrari mit der Nummer 55 gab dem Schwester-Auto mit der Nummer 16 zweimal nach der Schikane auf der Mistral-Geraden Unterstützung.

Sainz glücklich für Ferrari, aber: Pole wäre drin gewesen!

Charles Leclerc sicherte sich so die Pole-Position für den Frankreich Grand Prix, mit mehr als drei Zehnteln Vorsprung auf den Red Bull von Max Verstappen. Sainz setzte in Q3 aufgrund seiner Schützenhilfe keine Zeit. Der Spanier trauerte einer vergebenen Chance hinterher: "Es ist sehr schade, dass das [die Motorenstrafe, Anm. d. Red.] an einem Wochenende ist, an dem ich mich im Auto bestens fühle. Ich war schon gestern im Training sehr schnell und auch heute in der Qualifikation. Meine Q2-Runde war ganz vorne dabei." Tatsächlich wäre Sainz mit seiner Q2-Bestzeit in Q3 in die erste Startreihe gefahren. Nur Charles Leclerc unterbot die Zeit seines Teamkollegen mit Hilfe von dessen Windschatten.

Das Fazit des Qualifyings ist für den Sieger von Silverstone daher bittersüß: "Ich bin glücklich für das Team und es ist schön zu sehen, dass Charles von mir profitiert und sich die Pole gesichert hat." Trotz allem Teamplay konnte er seine Enttäuschung nicht verhehlen: "Dennoch ist es frustrierend, denn die Pace für die Pole war auch auf meiner Garagenseite vorhanden." Anstatt auf Pole-Position wird Sainz am Sonntag jedoch in der letzten Startreihe an der Seite von Kevin Magnussen im Haas, der ebenfalls eine Motorenstrafe absitzt, stehen.

Ferrari-Strategie gut, Sainz-Pace immer besser

Der Spanier nutzte die erfolgreichen Windschattenspiele von Ferrari allerdings auch für einen Seitenhieb in Richtung der Kritiker der Scuderia. "Wir haben viel Kritik einstecken müssen aufgrund unserer Strategien und ich empfinde das als etwas unfair", bemängelte Sainz. Der Windschattengeber sah sich durch den Qualifying-Erfolg in seiner Einschätzung bestätigt: "Unser Team arbeitet sehr solide in Sachen Strategie und heute haben wir das bewiesen."

Nicht nur in Sachen Strategie, sondern auch in Sachen Pace ging es für Sainz in den letzten Rennen nach vorne. Gegenüber Motorsport-Magazin.com äußerte er: "Ich finde immer wieder kleine Dinge seit Barcelona, was vermutlich mein Tiefpunkt der Saison war. In Kanada habe ich um den Sieg gekämpft und ihn in Silverstone erreicht. In Österreich war ich mit Charles in Sachen Pace auf Augenhöhe. Auch hier habe ich mich sehr schnell gefühlt. Es zeigt, dass sich mein Lernprozess auszahlt und ich zur Spitze hinkomme."

Carlos Sainz wird Charles Leclerc am Sonntag kaum gegen Red Bull helfen können, Foto: LAT Images
Carlos Sainz wird Charles Leclerc am Sonntag kaum gegen Red Bull helfen können, Foto: LAT Images

Stehen Rückenwind und Reifen einer Aufholjagd im Weg?

Der Weg zurück an die Spitze ist von seinem Startplatz weit. Trotz der starken Pace des Ferrari sieht Sainz Probleme auf sich zukommen. "Es gibt viel Rückenwind auf den beiden Gegengeraden, wo die Überholmanöver passieren. Das heißt der DRS-Effekt und der Windschatten sind minimal, denn der Wind schiebt dich an. Es wird also schwierig durchzukommen", erklärte der Zurückversetzte. Im Vorjahr gab es im Rennen Gegenwind, der den DRS-Effekt sogar verstärkte.

Das große Trauma bei Ferrari in der Ausgabe von 2021 war jedoch der Reifenverschleiß. Das schwarze Gold könnte auch ein Jahr später wieder für Probleme sorgen. "Es wird darauf ankommen, wie sich der harte Reifen im Vergleich zum Medium anfühlt und wie schwer es wird, mit diesen Vorderreifen anderen zu folgen", erklärte Sainz. Der Spanier schraubte mit Blick auf die Erfahrungen seines Teamkollegen die Erwartungshaltung nach unten: "Dieses Jahr wurde bereits gezeigt, dass es nicht einfach ist. Bei Charles haben wir in Kanada gesehen, dass man einem Punkt angelangt, an dem man ein großes Delta zum Vordermann braucht." Damals hatte Leclerc eine Motorenstrafe abgesessen und fuhr im Rennen von Platz 20 auf Platz 5 nach vorne.