McLaren hat mit dem Haas F1 Team um Mick Schumacher und Kevin Magnussen in der Formel-1-Saison 2022 einen neuen, ernstzunehmenden Gegner ausgemacht. Anders als manche Experten glaubt das Team aus Woking nicht daran, dass Haas bei den Testfahrten vor einer Woche in Bahrain reine Show-Zeiten mit wenig Benzin hinlegte als Magnussen am zweiten Tag die Bestzeit markierte und Schumacher zum Abschluss auf dem zweiten Rang, nur hinter Formel-1-Weltmeister Max Verstappen, klassierte.

"Wir werden wohl gegen mehr Autos fahren", prophezeit Lando Norris ein 2022 engeres Feld. Insbesondere die US-Truppe hebt der Brite dabei hervor. "Haas sieht ziemlich stark aus. Kann sein, dass wir etwas öfter mit Mick kämpfen werden", meint Norris. Was zunächst nur wie eine lockere Aussage in der Pressekonferenz an der Seite Schumachers wirkt, erhält durch Teamchef Andreas Seidl mehr Gewicht.

McLaren: Haas scheint ein starkes Auto zu haben

"Damit, was Haas beim Test gezeigt hat, haben sie bei allen einen starken Eindruck hinterlassen. Sie scheinen ein starkes Auto zu haben und wir nehmen sie als Konkurrenten auf jeden Fall sehr ernst. Wie wir es immer getan haben", sagt der Bayer in Bahrain auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

McLarens jüngst erneuerte Bedenken hinsichtlich zu enger Kooperationen von A- und B-Teams in der Formel 1 sollen davon unabhängig sein. McLaren forderte, mehr als Power Units und das Innenleben der Getriebe sollten nicht geteilt werden dürfen. "Sehr wichtig zu erwähnen ist, dass unsere Position hinsichtlich der A- und B-Teams nichts mit der Performance gewisser Autos zu tun hat", betont Seidl ohne Namen zu nennen.

Seidl erklärt B-Team-Ärger: Hat nichts mit aktueller Pace gewisser Teams zu tun

Seidl weiter: "Für uns ist es ein generelles Problem in der Formel 1. Das ist nicht, was die Formel 1 sein sollte. Diese Kooperationen. Aus vielen verschiedenen Gründen. Das Problem hat aus unserer Sicht mehrere Dimensionen." Darunter befinden sich neben möglicherweise unfairer Lagerbildung bei sportpolitischen Entscheidungen und einem aus McLaren-Sicht generellen Widerspruch zur DNA einer Formel 1 der Konstrukteure auch Sorgen um Performance-Vorteile. Und das nicht einmal für ein B-Team wie Haas, sondern für das dazugehörige Hauptteam, in diesem Fall Ferrari.

"Eine der größten Sorgen, die wir bei diesen Konstellationen haben, ist nicht nur die Performance dieser B-Teams, sondern hauptsächlich der Performance-Gewinn der A-Teams durch diese Kooperationen", betont Seidl. So können die Hauptteams durch Einsatz ihrer Teile bei ihren sogenannten B-Teams wichtige Daten sammeln und daraus zusätzliche Lehren ziehen. Gerade in Zeiten einer Budgetgrenze, eingeschränkter Windkanalzeiten für erfolgreiche Teams und generell rar gewordener Testfahrten ist das ein potenziell essentieller Vorteil. "Das ist für uns die noch größere Sorge, deshalb ist das für uns ein wirklich ernstes Problem", sagt Seidl.

Bremsbelüftungen: McLaren in Bahrain nur mit Übergangslösung aus 3D-Drucker

Im ersten freien Training in Bahrain landete Haas unmittelbar hinter McLaren, das allerdings auf niedrigem Niveau. Norris und Ricciardo belegten nur die Ränge 16 und 17, Schumacher und Magnussen landeten auf P18 und P19. Dahinter rangierte nur der wegen Defekten ohne Rundenzeit gebliebene Alfa Romeo von Valtteri Bottas. Allerdings setzte McLaren im ohnehin nicht repräsentativen ersten Training längst nicht auf Performance, sondern drehte Longruns, um neue Bremsbelüftungen am MCL36 zu testen.

Dort hatte es beim vorherigen Test in Bahrain massive Überhitzungsprobleme gegeben. An längeren Runs war nicht mehr zu denken. Bei kühleren Temperaturen in Barcelona war zuvor noch alles in Ordnung gewesen. Für das Rennwochenende in Bahrain hat McLaren nun zumindest eine Übergangslösung mit Metallteilen aus dem 3D-Drucker an die Strecke gebracht. Um reguläre Karbonteile anzufertigen, reichte die Zeit nicht aus. "Immerhin sind die Bremsbelüftungen recht komplexe Teile eines Formel-1-Autos", sagt Seidl.

Formel 1 2022: Kräfteverhältnis für McLaren großes Fragezeichen

Wie groß der Nachteil gegenüber der eigentlich geplanten Spezifikation ausfällt, vermag Seidl noch nicht zu sagen. "Das müssen wir noch quantifizieren, auch wie wir diese Interimslösung jetzt überhaupt fahren werden", sagt der McLaren-Teamchef. "Hoffentlich können wir wieder normal fahren." Ideal sei die Lösung nun allerdings noch ganz sicher nicht. Final klären wird sich das frühstens im zweiten Training, wenn die Sonne verschwindet und wieder repräsentative Bedingungen für Qualifying und Rennen herrschen. "Es könnte ein perfektes Rennen ohne Probleme geben. In einer perfekten Welt. Aber es könnte auch ein Rennen werden, in dem wir noch viele Dinge managen müssen", mahnt Norris.

Abseits dessen herrscht große Unsicherheit auch im Hinblick auf die grundlegende Performance des Teams in Relation zur Konkurrenz. "Ehrlich gesagt ist es auch für uns sehr schwer zu bewerten. Wir hatten in Barcelona einen positiven Start in die Testfahrten, aber mit den Problemen, die wir dann beim zweiten Test hatten, haben wir natürlich ein bisschen unseren Rhythmus verloren", erinnert Seidl bei Motorsport-Magazin.com. "Deshalb ist es echt schwierig zu sagen, wo genau wir stehen."

McLaren überzeugt: Plattform des MCL36 passt

Zuversichtlich bleibt der Bayer dennoch. "Ich denke, dass uns mit der Arbeit, die wir beim Bahrain-Test noch verrichten konnten, bei der Performance des Autos noch immer Fortschritte gelungen sind", sagt Seidl. "Wir haben eine gute Plattform für diese neue Saison. Ich hoffe, dass wir verglichen mit vergangenem Jahr wieder ein gutes Eck näher dran am Top-Auto dieses Jahres sein können, wer auch immer das sein mag. Das ist unser Ziel."