Das Coronavirus ist zurück in der Formel 1: Erst verpasste Daniel Ricciardo wegen einer Infektion mit Covid-19 die Testfahrten in Bahrain, jetzt musste Sebastian Vettel sogar den Start in die Formel-1-Saison 2022 absagen. Ebenfalls an Corona erkrankt, darf der Aston-Martin-Pilot beim ersten Rennen in Bahrain nicht starten.

Selbst wenn Vettel sich fit genug für eine Teilnahme am Rennwochenende in Sakhir fühlen sollte, das Fahrerlager dürfte der viermalige Weltmeister mit seinem positivem Testergebnis nicht betreten. Von einem Verlassen der häuslichen Isolation und dem Betreten eines Flugzeugs oder anderer Fortbewegungsmittel ganz zu schweigen.

Sergio Perez: Wir selbst sind die besten Richter

Ungeachtet dessen bemängeln nun einige F1-Fahrerkollegen den aktuellen Status quo in der Formel 1. Der Tenor: Selbst mit aktiver Corona-Infektion sollte eine Rennteilnahme nicht pauschal ausgeschlossen sein. "Ich denke, wir sind die besten Richter, um zu bewerten, ob wir damit Rennen fahren können oder nicht", sagt Sergio Perez in Bahrain. Nicht jeder Verlauf müsse schlimm genug sein, um körperlich nicht in der Lage zu sein, ins F1-Cockpit zu steigen, behauptet der Mexikaner.

"Daniel [Ricciardo] wäre vielleicht nicht in der Lage gewesen, zu fahren, aber andere Fahrer würden sich auch mit Covid vielleicht okay fühlen", meint Perez. Zuvor hatte Ricciardo erklärt, seine Corona-Infektion habe ihn regelrecht ausgeknockt. Im F1-Auto zu sitzen? Schwer vorstellbar. Ricciardo: "Ich war ziemlich übel dran, ich hätte zu kämpfen gehabt."

Ricciardo schlägt Fitnesstest für infizierte Fahrer vor

Doch auch der Australier verweist darauf, dass es bei einem milderen Krankheitsverlauf ganz anders aussehen könnte. "Es ist eine Sache, die man Fall für Fall ansehen kann", sagt Ricciardo. Der Vorschlag des McLaren-Piloten: "Wenn du denkst, dass du es kannst, du dich fit, stark und gesund fühlst, könnte man vielleicht einen Fitnesstest machen, um das zu beweisen. Das würde vielleicht reichen. Aber ich hätte auf jeden Fall zu kämpfen gehabt."

Ähnlich sieht es Pierre Gasly - ebenfalls mit einer, allerdings anderen, Corona-Vorgeschichte. "Körperlich gab es bei mir gar kein Problem. Ich wurde nach einem 18-Kilometer-Lauf getestet und der hat sich so gut angefühlt wie immer. Deshalb war ich schockiert, als ich die Nachricht erhalten haben. Ich hatte keine Symptome, physisch wär es also kein Problem gewesen", berichtet der Franzose. "Aber du musst verantwortungsvoll sein. Wenn die Wissenschaftler und Doktoren denken sollten, dass es kein Problem ist, dann sollten wir es machen. Denn als Fahrer willst du nicht, dass eine WM so beeinflusst wird. Du willst nicht, dass der Titel entschieden wird, nur weil jemand ein Rennen verpasst hat."

Perez hingegen, 2020 mit zwei verpassten Rennen selbst Opfer einer Corona-Infektion, fühlt sich im inzwischen dritten Pandemie-Jahr zunehmend eingeschränkt. "Man sieht es auch in einigen Ländern. Es fühlt sich an, als wäre die Welt vollständig offen, aber in der Formel 1 ist es noch sehr restriktiv mit dieser Covid-Sache", meint der Mexikaner. "Ich denke, wir sollten es dem Fahrer überlassen, zu entscheiden. Ich denke, wir sind alle schon einmal gefahren, obwohl wir uns gesundheitlich nicht gut fühlten. Wenn du dich als Fahrer damit wohlfühlst, ist es kein Problem. Die Welt scheint sich da weiterbewegt zu haben ..."

Sainz & Perez ermüdet von Corona-Restriktionen

Carlos Sainz fühlt sich ermüdet von den Maßnahmen. "Es fühlte sich gerade so an, als würde es weitergehen, aber dann kamen die Fälle von Daniel und Sebastian, haben die Alarmglocken läuten lassen und plötzlich war wieder alles wie vor zwei Jahren", klagt der Spanier. "Es ist; als würde es uns nie verlassen. [...] Es ist eine Plage und ich will nicht lügen: Es ist ermüdend, es das dritte Jahr in Folge zu haben." Lance Stroll ergänzt: "Die Hauptsache ist, aufzupassen und verantwortungsvoll zu sein. Aber es kommt der Punkt, wo wir nicht unser restliches Leben einstellen können und auch weiterleben müssen."

Sonderlich restriktiv geht die Formel 1 tatsächlich allerdings längst nicht mehr vor. Im Fahrerlager gilt zwar eine absolute Impfpflicht, Testnachweise sind allerdings nicht länger obligatorisch, sondern werden lediglich stark empfohlen, wie es heißt. Etwa die Teams haben sich parallel jedoch eigene Testprogramme auferlegt, um interne Infektionsketten zu verhindern und das Tagesgeschäft nicht zu gefährden.

Formel 1 lockert Coronaregeln

Noch dazu gilt die Maskenpflicht beim Saisonstart nur noch in Innenräumen. Bei den Testfahrten musste die Maske im Fahrerlager auch außerhalb von Hospitalities und anderen Räumlichkeiten sitzen. Eine Isolation im Coronafall hingegen ist in der Regel ohnehin schon von staatlicher Seite weiter unumgänglich.

Nicht nur Perez hält in der Formel 1 allerdings Ausnahmen für möglich - und weitgehend sicher. "Wenn es einen Sport gibt, in dem man antreten kann, ohne das Virus zu sehr oder sogar gar nicht zu verbreiten, dann ist es die Formel 1", meint Carlos Sainz. "Ich denke, du könntest die ganzen Meetings [remote] in deinem Hotelzimmer machen, 15 Minuten vor der Session mit dem Helm und im Anzug ins Fahrerlager kommen, ins Auto springen und wieder gehen." Motorsport biete die Möglichkeit, besser geschützt zu sein, behauptet Sainz. "Deshalb sollte die Entscheidung bei uns Fahrern liegen", fordert der Ferrari-Fahrer.

Sainz: Formel 1 idealer Ort für Sport trotz Infektion

"Ich bin sicher, dass es Wege geben wird, noch immer zu fahren, solange alle sicher sind", meint auch Gasly. Lance Stroll sieht es ähnlich. "Es gibt Wege, vorsichtig und verantwortungsvoll mit Covid zu sein und noch immer anzutreten. Du kannst dich isolieren und den Helm schon in deinem Zimmer aufsetzen, du kannst deine Kontakte komplett reduzieren", meint der Kanadier. Bereits zweimal war Stroll infiziert. Immer sei er rennfit gewesen, meint der Aston-Martin-Fahrer. "Als F1-Fahrer könntest du isoliert sein und aus Entfernung durch das Wochenende kommen", sagt Kevin Magnussen.

"Carlos hat da einen guten Punkt gebraucht, dass unser Sport sich das erlauben kann, wenn der Fahrer sich wohlfühlt", bekräftigt Perez. Noch dazu müsse sich die Formel 1 wie die Welt weiterbewegen. "Und wir Fahrer sind besonders eingeschränkt. Denn wenn wir es bekommen, sind wir gerade gar nicht mehr in der Lage, zu arbeiten. Aber wir sind Medien und Fans ausgesetzt", sagt der Red-Bull-Fahrer über durchaus zahlreiche Kontakte der Piloten.

Valtteri Bottas fühlte sich bei der Ankunft an der Strecke deshalb unwohl, als sich Fans, ohne Maske auf Autogrammjagd, näherten und hielt Abstand. Wie Perez, Sainz und - unter der Prämisse eines Fitnesschecks - Ricciardo schließt sich der Finne der Forderung nach einer Startfreigabe trotz Infektion an. "Ich würde für Ja stimmen. Es sollte erlaubt sein", meint Bottas. Wichtig sei dann allerdings, wirklich wirksam zu verhindern, jemanden anzustecken.

Bottas mahnt: Ansteckung muss wirksam verhindert werden

Bottas: "Für jemanden, der Covid hat, sollte es zusätzliche Protokolle geben, um sicherzustellen, dass sich kein anderes Teammitglied ansteckt." Immerhin sind selbst symptomfreie Menschen mit Corona-Infektion ansteckend und können beim Gegenüber durchaus zu Krankheitsverläufen mit Symptomen führen. "Bei jedem können die Symptome anders sein. Für die einen ist es riskanter als für die anderen", weiß und warnt Bottas.

Carlos Sainz denkt dagegen mehr an mögliche dramatische Auswirkungen auf die WM. "Ich habe das Gefühl, dass, wenn ich Covid hätte und mitten im Titelkampf wäre, es für mich hart zu akzeptieren wäre, Rennen zu verpassen, wenn ich mich gut und absolut fit fühle", sagt Sainz. Als Aufforderung, sich auch krank durchzubeißen, will Sainz das nicht verstanden wissen. "Wenn ich mich schlecht fühle, bin ich der Erste, der die Hand hebt und sagt, nicht fahren zu können", sagt Sainz.

Sport trotz Corona: Keine gute Idee

Allerdings sind sportliche Aktivitäten im Infektionsfall auch ohne Symptome riskant, geht es nach Medizinern. Das gilt selbst noch in den Tagen und Wochen nach der Infektion. "Sportler sollten Covid-19 nicht unterschätzen, auch wenn sie keine Symptome hatten", mahnte Univ.-Prof. Martin Halle, Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie der TU München schon Ende 2020 in einem Spiegel-Interview. Wer asymptomatische an Covid-19 erkranke und weiter intensiv trainiere, riskiere unter anderem eine Herzmuskelentzündung oder Infiltrationen an der Lunge und setzte sich der Gefahr aus, den Verlauf der Krankheit negativ zu beeinflussen.

Halle weiter: "In unseren Ambulanzen erleben wir fast täglich junge, eigentlich gesunde Athleten, die keinen schweren Verlauf, aber dennoch Veränderungen an Herz oder Lunge hatten, welche deren Leistungsfähigkeit über Wochen, teils sogar Monate, stark beeinträchtigt haben."

Hamilton versteht Lockerungskurs nicht: Corona ist noch da

Das passt auch zu Erfahrungen im Formel-1-Fahrerlager. "Es hätte keine Möglichkeit für mich gegeben, Rennen zu fahren. Ich war sehr, sehr krank", erinnert sich Lewis Hamilton an seine Corona-Infektion Ende 2020. Damals verpasste der Mercedes-Pilot das Rennen in Sakhir und kehrte erst beim Saisonfinale in Abu Dhabi zurück, allerdings noch angeschlagen. "Auch als ich zurückkam, da war ich gerade kurz nach dem Ende [der Infektion], habe ich es gerade noch durchs Rennen geschafft", berichtet der Brite. Mehrfach hatte Hamilton zuvor schon davon gesprochen, noch längerfristig die Folgen seiner Ansteckung gespürt zu haben.

Vettel habe er geschrieben. "Es ist traurig, ihn nicht hier zu sehen. Ich hoffe, es ist okay. Und ich weiß, dass Daniel davon schwer getroffen ist", sagt Hamilton. Aussagen, die Welt habe sich weiterbewegt, irgendwann müsse man zur Normalität zurückkehren kann der Rekordsieger der Formel 1 nicht nur angesichts aktuell wieder hoher Infektionszahlen, gerade in Europa, nicht nachvollziehen. "Ich finde es merkwürdig, dass die Welt sich mehr und mehr daran gewöhnt und es kaum noch in den Nachrichten ist", kritisiert Hamilton. "Aber es ist noch da und wir müssen weiter vorsichtig sein, Masken tragen und Vorkehrungen treffen."

Streichresultate bei Formel-1-Fahrern unbeliebt

Konkret zu den Forderungen von Perez, Sainz & Co. äußert sich Hamilton in Bahrain nicht. Grundsätzlich scheint Hamilton von einem derartigen Schritt jedoch abzuraten. "Besser keine Risiken eingehen. Es ist auch wichtig, welche Message wir als Sport senden. Deshalb Maske aufbehalten", fordert der Brite nur allgemein. "Wenn du in der Garage keine Maske trägst und einer es hat, kann es sein, dass alle krank werden - und es trifft die Leute unterschiedlich. Manche merken gar nicht, dass sie es haben, andere werden krank."

Streichresultate, eine aus anderen Sportarten ganz abseits von Corona bekannte Alternative, um die Folgen eines Ausfalls auf das Sportgeschehen zu dämpfen, stößt im Kreis der F1-Fahrer auf wenig Gegenliebe. "Nein", winken Lando Norris und Charles Leclerc ab. "Auf keinen Fall", ergänzt Zhou. "Nein, ich hatte das in der Vergangenheit in den Nachwuchsserien und es war nicht so mein Ding", meint Mick Schumacher. Weltmeister Verstappen schließt sich dem an. "Glück ist auch Teil des Racings", meint der Niederländer. "Das wichtigste ist, dass es einem gut geht. Wer kümmert sich am Ende dann um das [verpasste] Rennen. Es geht darum, dass es einem gut geht."