Max Verstappen erlebte beim Formel-1-Rennen in Ungarn eine wahre Achterbahnfahrt. Der Red-Bull-Pilot leistete sich noch auf dem Weg in die Startaufstellung einen fatalen Unfall, der ihn um ein Haar die Teilnahme am Grand Prix gekostet hätte. Die Mechaniker reparierten den RB16 auf dem Grid in Rekordzeit. Verstappen bedankte sich mit einem sensationellen zweiten Platz.

"Du fährst danach auch nicht wie ein Oma durch diese Kurve", lachte Verstappen anderthalb Stunden nach seinem Unfall in der Besichtigungsrunde schon wieder über die haarsträubenden Minuten vor dem Rennen. Der Niederländer hatte auf dem Weg in die Startaufstellung die Kontrolle verloren und war bei feuchter Strecke in Kurve zwölf in die Streckenbegrenzung gerutscht.

"Max hat auf der Runde ins Grid mit den Intermediates wirklich sein Bestes gegeben, es wegzuwerfen. Ich glaube, er war drei Mal neben der Strecke. Das letzte Mal sah ziemlich verheerend aus", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Verstappen erklärt das Malheur mit einem simplen Fahrfehler: "Ich habe blockiert, bin von der Bremse runter, dann wieder drauf und habe nochmal blockiert. Danach bin ich einfach rausgerutscht. Als es blockierte, hatte ich keine Chance mehr."

Im ersten Moment rechnete nicht nur sein Teamchef mit dem Schlimmsten. "Ich dachte das Rennen wäre vorbei, aber dann habe ich es geschafft aus dem Reifenstapel zurückzusetzen", so der 22-Jährige. "Das ist einfach diese Mentalität, niemals aufzugeben. Also habe ich das Auto in die Startaufstellung gebracht und geschaut, was noch geht."

Diese Entscheidung war rückblickend die erste strategische Meisterleistung des Teams, das Verstappen davon abhielt in die Boxengasse einzubiegen. Wäre er in die Garage gefahren, hätte er das Rennen nicht von seinem siebten Startplatz in Angriff nehmen können. "Nachdem er das Auto zurückgesetzt hatte und wieder losgefahren war, hatten wir schon am Fernseher eine Ahnung, was kaputt ist", so Horner.

Red-Bull-Crew rettet Verstappens Auto in Rekordzeit

Im Grid bestätigte sich die Vermutung des Teams. Neben dem Frontflügel hatte es die linke Vorderradaufhängung schwer erwischt. "Wir konnten sofort sehen, dass die Spurstange und der Push-Rod gebrochen waren", so Horner. "Die große Frage war, ob der Querlenker auch erledigt war. Das hätte dann 'game over' bedeutet."

Die erste Diagnose stellte sich glücklicherweise als korrekt heraus. "Ich saß im Auto und habe gesehen, wie sich die Mechaniker gegenseitig angeschrien haben: Noch zehn Sekunden, noch fünf Sekunden! Mach den Reifen drauf!", beschreibt Verstappen, wie er die hektischen Szenen aus dem Cockpit heraus miterlebte. "Ich war dabei aber ganz ruhig und habe nur abgewartet, ob sie es schaffen. Wenn nicht, wäre ein enttäuschendes Wochenende komplett gewesen."

Doch seine Jungs retteten das Auto in Rekordzeit. "Die Mechaniker haben einen unglaublichen Job gemacht. Für etwas, das normalerweise anderthalb Stunden dauert, haben sie nur 20 Minuten gebraucht. Sie hätten am Ende nur noch 25 Sekunden gehabt", erklärt Horner. Ein letztes Pflaster für den lädierten Red Bull beendete die Notoperation. "Sie haben noch etwas Tape angebracht, damit die Aufhängung auch hält, dann habe ich ihnen den Daumen gezeigt und sie haben mir signalisiert, dass es repariert ist", so Verstappen.

Was mehr nach gängigen Praktiken im Tourenwagensport klingt, funktionierte an diesem Sonntag auch in der Formel 1. "Das Auto hatte natürlich einen ziemlichen Schlag abbekommen. Um zu schauen, ob es sicher ist, haben wir in der Startaufstellung die Teile geröntgt und der Befund war negativ", sagt Horner. "Die Frage war nur, ob es alles richtig passte."

Verstappen nach Unfall noch motivierter

Verstappens Performance in den darauffolgenden 70 Runden gab die Antwort. "Ich habe in der Einführungsrunde alles gecheckt und es hat sich gut angefühlt", so der achtfache Grand-Prix-Sieger, der gleich am Start loslegte, als wäre nie etwas passiert. "Max hat es offenbar erfolgreich verdrängt. Es war ihm im Grid natürlich sehr peinlich, dass er so viel Arbeit verursacht hatte. Aber er hat es ihnen [Mechanikern] mit seinem Rennen auf die bestmögliche Weise zurückgezahlt", lobt der Teamchef seinen Fahrer.

Auf dem Weg in die erste Kurve fuhr Verstappen außen von der siebten auf die dritte Position vor. "Ich sah, wie sich innen alle stauten und ich wusste, dass außen Grip ist. Ich war schließlich schon genug Runden im Nassen gefahren", erklärt er. Nach der Meisterleistung seiner Crew gab es für ihn keinen anderen Weg: "Sie haben einen unglaublichen Job gemacht und ich wollte ihnen unbedingt zeigen, dass ihre Anstrengungen nicht umsonst waren."

Sein entschlossener Start war letztendlich der Grundstein für einen erfolgreichen Sonntag. "Wenn ich da hinten auf Platz sieben geblieben wäre, hätte ich jede Menge Ärger gehabt, all diese Autos zu überholen", sagt er. Die schlechte Erfahrung in Kurve zwölf hatte er nur auf der ersten Runde noch einmal im Hinterkopf: "Ich habe nur die Bremsbalance etwas nach hinten verstellt, um sicherzugehen, dass das nicht nochmal passiert."

Ein Overcut beim Wechsel von Intermediates auf Slicks lotste ihn schon nach vier Runden an Lance Stroll im Racing Point auf die zweite Position vor. "Unsere Strategie war immer richtig. Sowohl wann wir gestoppt haben, als auch die Reifenwahl", lobt er Red Bulls Kommandostand. In der Schlussphase hielt Mercedes für ihn allerdings ein kleines Deja-vu bereit.

Verstappen feiert Platz zwei wie einen Sieg: Wochenende gerettet

2019 hatte Verstappen den Ungarn GP knapp gegen Lewis Hamilton verloren, der hinter ihm liegend einen frischen Reifensatz aufgezogen und daraufhin erfolgreich Jagd auf ihn gemacht hatte. Diesmal war es Valtteri Bottas, der auf neuen Reifen über 20 Sekunden aufholte. Doch der Finne war zu langsam. Verstappen rettete seinen zweiten Platz mit einer halben Sekunde Vorsprung über die Linie.

"Die Mercedes nach so einem schwierigen Wochenende noch zu splitten, ist für uns ein großartiges Resultat, das wir nicht erwartet hatten", so Verstappen, der in Trainings und Qualifying äußerst unzufrieden mit der Balance seines Autos war. Der Unfall in der Besichtigungsrunde sorgte im Nachhinein für noch mehr Freude über dieses Podium: "Ich dachte, dass ich das Rennen gar nicht fahren würde. Zweiter zu sein ist heute wie ein Sieg."