Lewis Hamilton hat beim Ungarn GP 2020 gleich mehrfach Geschichte geschrieben. Einen Grand Slam (Pole, schnellste Runde und Sieg ohne Führungsverlust) verpasste der Mercedes-Pilot bei seinem dominanten Triumph auf dem Hungaroring zwar haarscharf - in Runde vier gab er die Führung durch einen früheren Boxenstopp als Max Verstappen für die Streckenlänge von 4,381 Kilometern ab -, doch lieferte Hamilton auch so mehr als genug Bestmarken.

So führte der Brite in Ungarn zum 150. Mal einen Grand Prix an. Dieses Jubiläum hatte vor Hamilton nicht einmal Michael Schumacher gefeiert. Sehr wohl gefeiert hatte der Rekordweltmeister acht Siege auf ein- und derselben Strecke. Was Schumi in Magny-Cours geglückt war, hat Hamilton nun auf dem Hungaroring vollbracht. Hinzu kommen der klar neue Streckenrekord im Qualifying und Hamiltons 36. Punktankunft in Folge im Rennen am Sonntag. Superlative ohne Ende also. Selbst auf Schumachers 91 Siege fehlen Hamilton nur noch fünf.

Lewis Hamilton stellt Schumacher-Rekord ein

Bei all diesen großen Zahlen bedeutete eine ganz kleine Zahl dem amtierenden Weltmeister - und nun auch wieder WM-Führenden - jedoch am meisten: der Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde. Den sicherte sich Hamilton mit einer 1:16.627 Minuten im letzten Umlauf. 25 WM-Punkte reichen eben nicht, wenn man auch 26 einfahren kann - auch wenn das ein Risiko bedeutete.

Mit 27 Sekunden Vorsprung auf Max Verstappen bog Hamilton in Runde 66 zu einem dritten und letzten Boxenstopp ab, um sich noch einem weiche Reifen für die Hatz auf die schnellste Runde zu holen. Ein komfortabler Vorsprung, ja. Und doch kein Vorsprung, bei dem ein gröberer Fehler beim Reifenwechsel vorkommen darf. Genau deshalb - und wegen Berechnungen zum Verkehr durch Überrundete - zögerte Mercedes den Stopp nach einer ersten Info an Hamilton in Runde 60 auch so lang hinaus.

Mercedes war Risiko für FL-Jagd zu groß

„Der Abstand war nie wirklich komfortabel genug. Es waren eine Sekunde oder zwei, dann 2,5 und wir sind im Verkehr“, berichtete Toto Wolff. Perfekt gelaufen sei die Kommunikation da nicht, gesteht der Motorsportchef. „Daraus können wir einiges lernen - aus der Intercom-Konversation in der Garage und der Kommunikation mit dem Fahrer. Das lief sicherlich nicht 1A, aber am Ende zählt das Ergebnis.“

Mitverantwortlich für die Verwirrung bei Mercedes: Am Morgen hatte man eigentlich festgelegt, keinen zusätzlichen Stopp für eine schnellste Runde versuchen zu wolle. „Das wäre zu viel Risiko“, erinnerte Wolff an Mercedes’ Absprachen vor dem Rennen. Warum dann doch? Weil Lewis Hamilton selbst unbedingt wollte.

Hamilton: Habe schon eine WM um einen Punkt verloren …

„Ich habe schon einmal eine WM um einen Punkt verloren. Ich weiß also, wie entscheidend es ist, jeden Moment optimal zu nutzen“, erklärte der Weltmeister seinen Antrieb. 2007 war er Kimi Räikkönen im Titelkampf um genau diesen einen WM-Punkt unterlegen. Noch dazu habe Valtteri Bottas dieses Jahr schon groß aufgezeigt. Deshalb habe er nichts liegen lassen wollen. „Irgendwann war dieser Vorsprung da und ich bekam das Gefühl, dass es nötig ist, auf den Punkt zu gehen.“

Hamilton sieht kein großes Risiko: Runde war kontrolliert

Das Risiko? „Musst du am Ende abwägen“, sagte Hamilton. „Aber ich habe auf der Runde auch nicht so sehr gepusht, dass ich einen Fehler machen würde und abfliege. Es war eine kontrollierte Runde.“ Der Stopp selbst sei natürlich auch ein Risikofaktor, so Hamilton. Doch da könne er sich voll auf seine Jungs verlassen. „Wir sind ein professionelles Team. Es war die richtige Entscheidung“, sagte Hamilton.

Bis auf dieser etwas brisante Schlussphase meldete Hamilton keinerlei Dramen. „Nein, es war ein ziemlich schöner Tag ehrlich gesagt“, sagte der Brite mit einem Grinsen. Klar sei die Anfangsphase bei noch feuchten Bedingungen stressig gewesen. „Es war so rutschig, nicht wahr Max?“, fragte Hamilton in der Pressekonferenz nach dem Rennen in Richtung Verstappen. Der war auf der Sichtungsrunde in die Startaufstellung gecrasht.

Hamilton-Sieg mal ohne Drama: Schöner Tag!

Abgesehen davon drehte sich Hamiltons Rennen jedoch einzig und allein darum, alles zu kontrollieren und die Reifen zu managen. „Da lernst du mit diesen Reifen auf unterschiedlichen Strecken und bei verschiedenen Bedingungen immer neu“, sagte Hamilton. Sonderlich schwer fiel dem Briten das in Ungarn jedoch nicht.

„Wir hatten eine tolle Pace. Der Medium war kein toller Reifen. Aber ich hatte meinen Vorsprung und konnte gleichzeitig den Reifen managen und Max’ Zeiten managen“, schilderte Hamilton. „Er [Verstappen] ist dann sogar immer mal wieder eingebrochen, aber ich konnte die Zeiten halten. Die Reifen haben dann eigentlich sehr lang gehalten. Auch am Ende des Stints [vor dem Stopp für die FL-Jagd] hatte ich noch Gummi übrig.“

Klingt nach einem Spaziergang. Gant so sei es aber auch nicht gewesen, versichert Hamilton: „Glaubt es mir oder glaubt es nicht, aber ich musste da draußen noch immer pushen! Ich war ja auch ganz allein, aber das ist einfach nur eine andere Art von Herausforderung.“

Eine Herausforderung, die der sechsfache Formel-1-Weltmeister gemeistert hat. Genauso wie er seinen durchwachsenen Saisonstart in Österreich überwunden hat. Jetzt ist Hamilton allerdings in gewohnter Stärke zurück - sofern er überhaupt je weg gewesen ist. So soll es weitergehen. Hamilton: „Beim ersten Rennen musste ich definitiv diverse Schläge einstecken, auf die ich vielleicht nicht vorbereitet war. Aber ich habe mich neu fokussiert und zwei fantastische Wochenenden geliefert. So muss ich jetzt weitermachen.“