1. - S wie Startaufstellung

Ein krasser Krimi im Qualifying, eine Schlacht um Tausendstelsekunden, hat in Silverstone über die Startaufstellung für den zehnten Lauf der Formel 1 2018 entschieden. Am Ende lachte beim Großbritannien GP jedoch einmal mehr Lewis Hamilton. Der Local Hero startet das Rennen somit von der Pole Position. Abgeschirmt von seinem Mercedes-Teamkollegen wird der Weltmeister allerdings nicht. Valtteri Bottas kam nach einem Fahrfehler nur auf P4.

Stattdessen startet direkt neben Hamilton sein großes Titelrivale Sebastian Vettel aus der ersten Reihe der Startaufstellung. Um einen Wimpernschlag von nur 0,044 Sekunden hatte der Ferrari-Pilot selbst die Pole verpasst. Teamkollege Kimi Räikkönen fehlte kaum mehr. Der Iceman (+ 0,098 Sek.) bildet somit die finnische Speerspitze in Reihe zwei.

Red Bull Racing dagegen spielte wie zuletzt in Spielberg keine Rolle. Nur die Ränge fünf und sechs für die weit abgeschlagenen Max Verstappen und Daniel Ricciardo, knapp nur vor dem Haas-Duo Kevin Magnussen und Romain Grosjean. Ein erneut ganz starker Sauber-Rookie Charles Leclerc und wieder besserer Force India von Esteban Ocon komplettieren die Top-10. Nico Hülkenberg startet im Rennen heute zwar nur von P11, doch hat der Renault-Pilot damit den besten Startplatz aller, die frei über ihren Reifen am Start entscheiden dürfen.

2. - S wie Start

Genau das führt gleich zum nächsten Schlussfaktor: dem Start selbst. Dieses Mal gibt es hier keine haushohen Favoriten. Mehr Grip durch eine weichere Reifenmischung hat in den Top-10 diesmal niemand. Eine Sekunde Delta zum Medium war selbst den Top-Teams in Q2 zu heiß. Alle Fahrer gelangten also mit den gleichen Reifen, den Softs, in Q3. Dennoch fürchtet sich Mercedes vor den nächsten roten Raketen. Geht Ferrari auch ohne Reifenvorteil gleich am Start in Führung?

Toto Wolff zittert - obwohl er eigentlich das stärkste Ass in Händen zu halten glaubt. "Lewis ist in Silverstone eine Macht", sagt der Mercedes-Teamchef über den zuletzt viermal in Folge in Großbritannien siegreichen Briten.

"Aber wenn du am Start überholt werden solltest macht es das natürlich kniffliger. Wir haben unsere Starts angeschaut, denn das ist ein Bereich, in dem wir nicht so gut performt haben. Oder: Eigentlich waren unsere Starts okay, aber Ferraris Starts waren herausragend. Insofern ist das für uns momentan immer ein Risiko ..."

3. - S wie Strategie

Grundsätzlich soll auch der Großbritannien GP ein Einstopp-Rennen werden. Zumindest war das im Vorjahr die siegreiche Strategie und tendierte Pirelli bereits am Freitag zu dieser Empfehlung. Doch wirklich abschließend überzeugt war man beim italienischen Fabrikat rund um Racing-Chef Mario Isola selbst noch nicht. Theoretisch, wie es so schön heißt, sei ein Stopp aber der schnellste Weg, die 306,198 Kilometer Renndistanz zu überwinden.

Doch gibt es eine Reihe an Abers. Allen voran das extrem heiße Wetter (s.u.), das sowohl zu Blasenbildung als auch starkem Abbau der Pneus führen kann. Übersteigt der einen gewissen Punkt hält Pirelli zwei Stopps für schneller. Noch dazu abermals das große Delta zwischen den Mischungen. Mit einem Zwischensprit auf Soft statt eines ausgedehnten Medium-Finishs lässt sich bei entsprechend freier Bahn womöglich entscheidende Zeit gewinnen, Pace nutzen, die im Verkehr sonst ungenutzt bliebe.

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Genau darauf scheint mitunter Mercedes zu spekulieren. "Gestern haben wir Blasenbildung bei Ferrari gesehen, deren Longrun war nicht spektakulär. Bei uns war er etwas besser. Aber es kommt darauf an, wo du nach Runde eins bist. Ob die es von der Spitze managen kannst, oder, ob du angreifen musst. Wenn du angreifen musst, bist du natürlich anfälliger für Abbau und Blistering als das Führungsauto", schildert Teamchef Wolff.

"Du hast es in Österreich gesehen. Max konnte seine Pace managen und hat gar kein Problem mit den Reifen und das andere Auto - Ricciardo - musste an Kimi vorbei und hat so heftige Blasenbildung bekommen, bei dem identischen Auto. Wir fahren volle Attacke morgen und versuchen, aggressiv zu sein. Ein Teil davon könnten zwei verschiedene Strategien sein", deutet Teamchef Wolff bereits überraschend offen an.

Auch bei Red Bull selbst - nach den bisherigen Eindrücken in Sachen Pace wohl chancenlos - könnte man hier sein Heil im Risiko, einer alternativen Strategie suchen. Zumindest bezeichnete Daniel Ricciardo zwei Stopps als aus seiner Sicht nicht unwahrscheinlich. Spielraum soll zudem ein sehr breites Boxenstoppfenster liefern. Strategisch ist im Rennen heute also mit so gut wie jeder Variante zu rechnen. Außer vielleicht mit Max Verstappens Scherz zu seiner erwarteten Zahl von Boxenbesuchen: "Fünf!"

4. - S wie Sommerwetter

Das Wetter spielt beim Großbritannien GP 2018 für britische Verhältnisse schon das gesamte Wochenende verrückt. Im heißesten Sommer auf der Insel seit mehr als 40 Jahren wurde es schon Freitag und Samstag in Silverstone unfassbar warm. Fast 30 Grad Celsius Außentemperatur bei direkter Sonneneinstrahlung sorgten in Trainings und Qualifying für irre hohe Asphalttemperaturen von mehr als 50 Grad Celsius.

Stress pur für die Pirelli-Reifen bei den auch noch extrem hohen Kurvenspeeds und damit G-Kräften des Silverstone Circuits. Im Rennen soll das Wetter nicht schlechter werden. Somit der vielleicht wichtigste Faktor von allen, bedenkt man, dass die Autos am Start noch dazu schwerer sind wie nie zuvor am Wochenende. Regen? Ausnahmsweise einmal nicht im Ansatz auf dem Radar.

Wer sich vor der Hitze fürchtet? Mercedes. "Die Hitze ist etwas, das unser Auto nicht so mag. Du hast schon den Unterschied vom Training zum Qualifying gesehen, als es zehn Grad wärmer wurde. Und im Rennen soll es ähnlich sein. Es wird aber ein schwieriges Rennen für alle Autos", sagt Toto Wolff.

"Am vergangenen Wochenende in Österreich gab es Blasenbildung an den Reifen. Aus diesem Grund wird es entscheidend sein, die Reifen bei hohen Temperaturen in einem guten Zustand zu halten", mahnt auch Valtteri Bottas. Nur die technische Leitung sieht die Lage etwas entspannter. "Das Auto verhielt sich auf den Long Runs in der Hitze gut und wir hoffen, dass wir auch wenn es darauf ankommt, das gleiche Performance-Niveau abrufen können", sagt James Allison.

5. - S wie Safety Car

Angesichts der Weitläufigkeit des Silverstone Circuits sollte man es kaum annehmen, doch die Safety-Car-Wahrscheinlichkeit beim Großbritannien GP - und damit ein immer immenser strategischer Faktor, ein Moment, das Rennen komplett auf den Kopf stellen kann - ist extrem hoch. In den vergangenen fünf Jahren gab es bei jedem Rennen in Silverstone wenigstens einen Einsatz Bernd Mayländers. Auch 2018?

Mercedes steht spätestens nach dem VSC-Patzer von Spielberg bei einer solchen Phase mit dem eigenen Mercedes-AMG GT R natürlich unter besonderer Beobachtung ... Schlägt die Konkurrenz von Ferrari und Red Bull dem Weltmeister dann wieder ein Schnippchen?

6. - S wie Schmerzbastian

Der Nacken der Nation. Wie einst Michael Schumacher bei seinem gescheiterten Comeback-Versuch mit Ferrari als Massa-Ersatz kämpft in Silverstone nun sein Ferrari-Erbe Sebastian Vettel mit ähnlichen Problemen. Woher die plötzlichen Schmerzen Ende des dritten Trainings rührten, wusste der WM-Führende selbst nicht recht. "Seb wird alt", scherzte unterdessen Ex-Teamkollege Daniel Ricciardo.

Im Qualifying schien Vettel der Schmerz dann kaum ausgebremst zu haben. Deutsche war voll da. Doch wie läuft das im Rennen? Bei Hitze, den unfassbaren G-Kräften in Silverstone und ungleich mehr Kilometern im womöglich noch direkten Zweikampf … "Das Auto wird ja vollgetankt, also ist es nicht mehr so schnell und wir sind alle etwas langsamer. Ich mache mir keine Sorge, morgen wird das schon gehen", gibt sich Vettel selbst entspannt.

"Das ist das schlechteste Rennen, um das zu haben", meint dagegen Esteban Ocon. Auch Lewis Hamilton sprach bereits von dem physisch sicher härtesten Rennen des Jahres. Kimi Räikkönen dagegen sieht weniger Probleme für seinen Teamkollegen. Nicht nur, dass am Anfang das Auto schwer und damit langsamer sei, wie der Finne Vettel beipflichtet. "Am Ende musst du außerdem meist Spritsparen und kannst gar keine Quali-Laps fahren", ergänzt der Iceman.

Vettel selbst wolle aus der ganzen Sache ohnehin kein großes Ding machen. "Mein Kopf ist ja noch dran. Es hilft nicht, aber da geht jetzt eben kein Weg dran vorbei", winkt Vettel ab. Noch dazu hat er jetzt die ganze Nacht, um sich zu erholen. Im Notfall kann er dann immer noch das unmoralische Angebot Ricciardos annehmen: "Ich kann ihm bei der Fahrerparade ja ein bisschen Shit für seinen Nacken andrehen!"

7. - S wie Sieger

Doch wer hat letztlich die meisten Asse im Ärmel, also allen voran die beste Rennpace. Auf den Longruns am Freitag schienen Ferrari und Mercedes hier recht ausgeglichen, Red Bull selbst dort unter ferner liefen. Doch war das auch in Österreich so. Am Sonntag waren die Bullen dann plötzlich bei der Musik. Dort änderten sich allerdings auch die Bedingungen. Das soll in Silverstone jedoch nicht passieren. "Ich erwarte keine Wunder", sagt Max Verstappen deshalb. "Aber sag niemals nie."

Und bei Ferrari gegen Mercedes? Klingen fast eher die Roten optimistischer – trotz aller silberner Silverstone-Lorbeeren. Dass Toto Wolff sich vor dem Rennen und Ferrari fürchte wird Vettel gefragt. Antwort: "Zu Recht!" Der Wolff müsse also ausnahmsweise mal Angst vor dem Rotkäppchen haben. "Ich denke, dass wir im Rennen schneller sind. Aber schauen wir mal wie wir wegkommen, wie die erste Runde ist und sich das Rennen entfaltet. Aber ich glaube, wir können schneller fahren", stellt Vettel ohne Umschweife klar. "Es wird keine Spazierfahrt, aber wir haben einen guten Speed."

Alles andere als spazieren wird auch Valtteri Bottas. "Es wird nicht einfach, sie morgen zu überholen, aber wir haben auf dieser Strecke schon Überholmanöver gesehen. Ich habe also noch immer eine Chance", hofft der Finne. Landsmann Kimi Räikkönen gibt sich nicht minder angriffslustig: "Ich denke, dass da ein paar Dinge passieren und ich nach vorne kommen kann."