Was für ein Schlag ins Kontor von Red Bull Racing. Im Qualifying zum Großbritannien GP der Formel-1-Saison 2018 verkommen Max Verstappen und Daniel Ricciardo ganz klar zur Randnotiz eines epischen Duells zwischen Ferrari und Mercedes. Die fahren in Silverstone in einer völlig anderen Liga, sogar noch mehr als zuletzt am Samstag in Spielberg.

Mehr als sieben Zehntelsekunden fehlen Verstappen auf die Pole Position von Lewis Hamilton und damit ähnlich viel auf die dem Briten so gut wie ebenbürtigen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Ricciardo hinkt gleich nochmal fünf weitere Zehntel hinterher. Damit rettet sich der Australier gar nur knapp vor Haas. Kevin Magnussen rückte mit dem Ferrari-befeuerten US-Boliden bis auf eineinhalb Zehntel heran an den Honeybadger.

Ricciardo: DRS streikt im Silverstone-Qualifying

Doch bissig war der Honigdachs im Qualifying auch im teaminternen Duell ohnehin nicht. "Ich weiß nicht warum, aber wir haben in Q3 an manchen Stellen DRS verloren. Das ist dann einfach sehr unangenehm wenn du gerade deine beste Zeit des Wochenendes fahren willst. Da habe ich natürlich etwas Zeit verloren, und das ist sehr frustrierend. Das kotzt mich an", erklärt Ricciardo mit deftigen Worten. "Es war zwischen den Kurven vier und sechs, das sollten so zwei bis drei Zehntel gewesen sein."

Das hätte gegen Verstappen jedoch noch immer nicht gereicht. "Es hätte meine Position aber nicht verändert, denke ich", gibt Ricciardo auch zu. Doch hat der Australien für die noch fehlenden zwei Zehntel auch noch eine Erklärung. "Wir waren hier von Anfang an nicht schnell genug, um Mercedes und Ferrari zu fordern. Deshalb sind wir - zumindest mit meinem Auto - mehr auf das Rennsetup gegangen. Ich hoffe, dass ich damit dann morgen stärker sein kann."

Verstappen widerspricht Ricciardo: Setup am Red Bull gleich

Max Verstappen jedoch berichtet, dass für seinen RB14 dasselbe gelte. "Wir haben genau dasselbe Setup. Es gibt ein paar kleine Unterschiede, klar. Aber die Flügeleinstellung und so weiter sind alle gleich. Hier brauchst du in Qualifying und Rennen sowieso nicht besonders unterschiedliches", sagt Verstappen.

Das teaminterne Duell und damit der erneut klare Sieg Max Verstappens über Daniel Ricciardo -seit Kanada hat es sich bei Red Bull komplett gedreht - ist bei Red Bull in Silverstone aber gar nicht das große Thema. Vielmehr ist das ein leidiges Thema, was in Großbritannien plötzlich sogar noch leidender ist denn je und als speziell dort eigentlich erwartet: der Renault-Motor mit dem viel zitierten Power-Nachteil.

Silverstone: Alles Vollgas fatal für Red Bull

"Was hier mal ein High-Downforce-Kurs war, ist jetzt eine Powerstrecke. Die Kurven eins, zwei, neun, zehn und elf gehen jetzt alle mit Vollgas. Viel Abtrieb zu haben, hilft uns dort also nicht mehr viel und auf den Geraden verlieren wir sowieso viel. Wir fahren schon mit so wenig Abtrieb wie es nur geht", erklärt Ricciardo.

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"Kurve eins zum Beispiel und Copse [gehen jetzt voll, Anm. d. Red.]", ergänzt Verstappen. "Unser großes Problem ist aber, dass, wenn wir durch eine Kurve fahren, die fast voll geht, und dann herausbeschleunigen, unser Motor dann nicht zieht, weil er sich recovert. Dann fehlt einfach die Leistung. Und durch die Vollgas-Kurven verlieren wir so sogar noch mehr", schildert der Niederländer.

Verstappen: Red Bull fehlen 80 PS auf Mercedes und Ferrari

Wie viel genau? Ein wenig druckst Verstappen herum, nennt dann dennoch Zahlen. "Ich weiß die genauen Zahlen nicht, aber wenn du auf der Gerade eine Sekunde verlierst, dann muss es viel sein", so Verstappen zu Motorsport-Magazin.com. "Das kann man sich ja selbst erklären. Wenn dir 80 PS fehlen, dann weißt du, dass du zu kämpfen haben wirst ..."

In Großbritannien kommt für Red Bull also das eine zum anderen. Genereller Motor-Nachteil plus die dem RB14 wegen der immer krasseren Downforce-Monster der Formel 1 und dem neuen, extrem griffigen Asphalt nicht mehr so vorhandene Chassis-Stärke. Bezüglich ersteren Aspekts sei es zuletzt durch die Updates bei Ferrari und Mercedes sogar wieder schlimmer geworden, so Ricciardo.

Ricciardo: Renault macht einen Schritt, Gegner eineinhalb

"Sie haben ja Fortschritte gemacht", so Ricciardo über Renault. "Aber wir machen einen Schritt und sie [Mercedes, Ferrari, Anm. d. Red.] dann eineinhalb. Wir sind also da, aber auch nicht wirklich. Sie werden auf allen Powerstrecken immer einen Puffer auf uns haben" Inzwischen habe er sich nach all den Jahren aber daran gewöhnt - wenngleich nicht abgefunden. Genauso formuliert es Verstappen mit etwas kürzerer Leidenszeit.

Auf Chassis-Seite liege Red Bull unterdessen weiter vorne, ergänzt Verstappen mit Blick auf die neuesten Updates bei Ferrari und Mercedes. Silverstone sei eben einfach keine Strecke mehr, auf der Abtrieb belohnt werde, bekräftigt er nochmals. "Fast alle Kurven gehen mit Vollgas, das macht es schwerer und schwerer. Ich war eigentlich sehr happy damit, wie das Auto im Qualifying lief. Ich kann mich über nichts beschweren. Aber wenn du eben mehr als eine Sekunde geradeaus verlierst, dann weißt du, dass das Wochenende schwer wird.

Red Bull: Ein Funke Hoffnung für das Rennen

Immerhin: Leichte Besserung erwarten beide Red Bull im Rennen. "Wir haben in Q2 den zweiten Satz Soft nicht genutzt. Wenn es ein Zweistopper wird, dann haben wir da wenigstens noch einen zweiten frischen Satz", sagt Ricciardo. "Ich glaube aber, dass wir generell besser aufgestellt sind, weil wir unser Auto so abgestimmt haben, dass es auf der Hinterachse besser mit den Reifen umgeht."

Wunder erwartet er jedoch nicht. Aus eigener Kraft sei so viel nicht drin. "Mercedes muss schon in große Probleme geraten, wenn wir sie morgen herausfordern wollen. Letzte Woche waren wir im Rennen ja nicht schlecht, aber sie sind jetzt richtig schnell", sagt Ricciardo. Noch dazu veränderten sich in Spielberg von Samstag auf Sonntag die Bedingungen massiv. Das soll in Silverstone nicht passieren.

Max Verstappen hofft trotzdem auf das nächste Wunder. "Klar wird es hart. Aber in Österreich hatte ich nach dem Qualifying auch ein schlechtes Gefühl. Dann haben wir im Rennen überrascht und hatten eine starke Pace. Sag niemals nie", so Verstappen. Doch sei es eben nur eine Hoffnung, keine Erwartung: "Wir haben ein gutes Auto, das Wetter wird uns auch mit den Reifen helfen, aber ich erwarte keine Wunder."