Wenn es derzeit wohl eine Sache gibt, auf die sich alle MotoGP-Fans einigen können, dann ist es die Ablehnung der Reifenmindestdruckregel. Nach jedem Rennen besteht die Chance, dass sich das Ergebnis noch massiv verändert, falls einer der Fahrer den Mindestdruck an der Front unterschritten hat. Michelin drängte auf die Einführung dieser Regel und steht seitdem stark in der Kritik. Werden wir sie durch den Wechsel auf Pirelli-Reifen mit der Saison 2027 los? Die Antwort darauf wird vielen nicht gefallen.

Reifendruckregel stellt MotoGP-Teams vor unmögliche Aufgabe

Laut der Regel muss der Druck im Vorderreifen für mehr als 30 Prozent der Runden im Sprint und für mehr als 60 Prozen der Runden im Grand Prix über dem geforderten Mindestdruck von 1,80 Bar liegen. Sonst gibt es drastische Strafen. Im Sprint werden acht Sekunden auf das Rennergebnis gerechnet, im Grand Prix sogar 16 Sekunden. Ein Rennen ist damit im Prinzip gelaufen. Maverick Vinales wurde diese Saison bereits von Platz zwei auf Rang 14 zurückgestuft.

Kontrovers ist die Regel vor allem, weil es nicht möglich ist, sie in allen Fällen einzuhalten. Der Reifendruck hängt stark von der Rennsituation ab. Bei der Fahrt im Verkehr erhöht er sich durch Abluft der anderen Motorräder und stärker rutschende Reifen. Herrscht freie Fahrt, so kann er absinken. Für welche Situation soll der Druck also gewählt werden? Es ist für die Teams niemals klar vorherzusehen, in welcher Rennsituation ihr Pilot landen wird. Wählen sie stets einen Druck über 1,8 Bar, so kann auch enorme Sturzgefahr entstehen, falls der Fahrer in Verkehr gerät. Erhöht sich dort der Druck auf bis zu 2,2 Bar, so ist der Vorderreifen auch für die besten Motorrad-Fahrer der Welt unkontrollierbar. Trotz immer größer werdenden Erfahrungswerten wird so jedes Rennen zu einem gewissen Glücksspiel.

Pirelli behält Regel 2027 bei: Erstes MotoGP-Jahr soll über Zukunft entscheiden

Und wie steht Pirelli dazu? Im Interview mit Motorsport-Magazin.com sprach Pirellis Motorradsportchef Giorgio Barbier über die umstrittene Regel. Seine Antwort dürfte den Fans kaum gefallen: "Wenn sie eine Regel machen, die so tiefgreifend und so wichtig für die finale Rennentscheidung ist, dann heißt das, dass die Angelegenheit für den aktuellen Hersteller und die Dorna sehr wichtig ist. Es geht um eine Sicherheitsregel, da können wir nicht darüber diskutieren."

Begründet wird die Druckregel mit der Sicherheit, Foto: IMAGO / Graham Holt FocusXS
Begründet wird die Druckregel mit der Sicherheit, Foto: IMAGO / Graham Holt FocusXS

"Wir wissen noch nicht, wie unser Vorderreifen mit Karbonbremsen funktionieren wird. Wir können uns vorstellen, dass die Reifen heißer werden und es Einfluss auf die Fahrbarkeit hat. Unsere Vorstellung ist es, die Regel für das erste Jahr beizubehalten, um klar festzustellen, wie es bei uns um die Drücke steht", begründet Barbier das Vorgehen.

Michelin raus, Pirelli rein! Folgen der MotoGP-Reifenrevolution (06:21 Min.)

Pirelli-Boss: Möglichkeit auf Abschaffung besteht ab 2028

Noch weiß Pirelli gar nicht, wie sich der Vorderreifen von 2027 verhalten wird. Die Testfahrten stehen erst an und die dazugehörigen Motorräder existieren logischerweise auch noch nicht. Für die Entwicklung der Gummis können nur modifizierte aktuelle Modelle herangezogen werden. Gewissheit herrscht also nicht, bis die ersten Rennen unter dem neuen Reglement wirklich gefahren sind.

Demensprechend gibt es aber bei vielversprechenden Ergebnissen auch die Möglichkeit der Abschaffung ab 2028. "Wir behalten die Regel, um zu verstehen, ob es sie braucht oder nicht, oder ob wir sie vielleicht anpassen müssen. Während der ersten Saison werden wir entscheiden, was zu tun ist", gibt der Italiener an. Eine Abschaffung davor schließt er aber dezidiert aus: "Wir können nicht sagen: Das wird gestrichen, weil uns das nicht wichtig ist. Wenn sie das tun, dann gibt es Gründe dafür. Ich respektiere die Arbeit unserer Konkurrenten und der Dorna. Also werden wir das behalten."

Während die Vorbereitungen bei Pirelli nun so richtig Fahrt aufnehmen werden, macht Michelin für 2026 nur noch das Nötigste. Es wird keine Neuentwicklungen am Vorderreifen mehr geben. Mehr dazu hier: