Portrait
Michelin verfügt über eine langjährige und ruhmreiche Geschichte in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Die ersten Fahrer und Teams belieferte der Hersteller aus Clermont-Ferrand bereits im Jahr 1972 und war fortan ununterbrochen bis Saisonende 2008 am Start. In dieser Zeit gelangen Michelin nicht weniger als 360 Grand-Prix-Siege, zudem wurden in der Königsklasse zwischen 1993 und 2006 alle Weltmeister gestellt.
Erst die Saison 2007 brachte dieser beeindruckenden Serie ein Ende: Casey Stoner und das Ducati-Werksteam triumphierten im neuen 800ccm-Reglement mit Bridgestone-Reifen. Der Hersteller aus Japan hatte sich mit seinen Pneus deutlich besser an die neue Motorradgeneration angepasst und wurde zum bevorzugten Reifenlieferanten der MotoGP-Teams. Um Stoner und Ducati fordern zu können, wechselten zur Saison 2008 auch Valentino Rossi und Dani Pedrosa auf Bridgestone. Ihre Teamkollegen Jorge Lorenzo und Andrea Dovizioso zogen 2009 nach, sodass Michelin keine Werkspiloten mehr ausstattete. Die MotoGP reagierte - auch mit Blick auf die Weltwirtschaftskrise - und setzte dem Reifenkrieg ein Ende: Ab 2009 würde es nur noch einen Einheitshersteller mehr geben. Dunlop und Michelin zogen sich zurück, Bridgestone blieb.
Michelin fokussierte sich einige Jahre auf Langstrecke und Rallye, ehe man 2016 in die MotoGP zurückkehrte und als Einheitshersteller von Bridgestone übernahm. Der Start verlief turbulent, viele Piloten äußerten heftige Kritik. Sie bemängelten vor allem zu Beginn der Saison 2016 mangelndes Gefühl für das Vorderrad, was zu vielen Stürzen über die Front führte. Im Verlauf der Jahre konnte Michelin dem jedoch mehr und mehr entgegenwirken, sodass die Fahrer immer zufriedener wurden.

Mangelndes Frontgefühl, fehlerhafte Hinterreifen
Zu Beginn der 2020er-Jahre verpasste es Michelin jedoch, die eigenen Reifen an die immer weiter ausgeweitete Aerodynamik der MotoGP-Bikes sowie die Ride-Height-Devices anzupassen. Das Gefühl für die Front wurde wieder deutlich schlechter, weil die Reifen in der verwirbelten Abluft des Vordermanns auch zunehmend überhitzten. Wieder gab es viele Stürze über die Front, zudem fiel Michelin immer wieder mit fehlerhaften Hinterreifen auf, die nicht den versprochenen Grip lieferten. Prominentestes Beispiel: WM-Anwärter Jorge Martin beim Katar-GP 2023, der sich so potenziell sogar um eine Weltmeisterschaft gebracht sah.
Als die MotoGP zu Beginn des Jahres 2025 verkündete, dass man 2026 zu Einheitsreifen von Pirelli wechseln würde, hielt sich die Überraschung folglich in Grenzen. Nach elf Jahren Königsklasse ist für Michelin Ende 2026 damit wieder Schluss, ab 2027 rüstet man stattdessen die Superbike-WM aus.
