Was ist beim Start passiert?

Das Chaos lag beim Start für den Großen Preis von Singapur 2017 in der Luft. Der Grund dafür war aber nicht die Konstellation in den ersten beiden Startreihen, sondern der Regen, welcher über der südostasiatischen Metropole niederging. Die befürchtete Startkollision trat ein, hatte wider Erwarten jedoch nichts mit dem nassen Asphalt des Marina Bay Street Circuit zu tun: Für Sebastian Vettel, Max Verstappen, Kimi Räikkönen war das 14. Rennen der Saison schon vor der ersten Kurve gelaufen.

Das Rennen war damit mehr oder weniger entschieden. Drei potentielle Sieganwärter waren auf einen Schlag aus dem Rennen. Der unschuldig in die Kollision involvierte Fernando Alonso musste wenige Runden später ebenfalls die Segel streichen. Der spätere Rennsieger Lewis Hamilton fand sich nach dem Chaos urplötzlich auf dem ersten Platz wieder. Dahinter lag Daniel Ricciardo, der genau in dieser Position zwei Stunden später auch den Zielstrich überqueren sollte.

Wer hatte Schuld am Unfall?

Während das Rennen angesichts der schwierigen Bedingungen relativ gesittet und ohne die großen Sensationen vor sich hinplätscherte, war die Formel-1-Welt mehr an der Schuldfrage und den Ansichten der Beteiligten Piloten interessiert. Wie sich die Kollision zutrug, war auf den Fernsehbildern einwandfrei nachzuvollziehen: Verstappen kam besser weg als Vettel, Räikkönen wiederum besser als beide Protagonisten aus der ersten Startreihe. Vettel versuchte auf dem Weg zu Kurve 1 Verstappen zu blocken, übersah dabei jedoch den eigenen Teamkollegen und löste so die folgenschwere Kollision aus.

Vettels Singapur-Crash: Wer trägt die Schuld?: (03:38 Min.)

"Ich habe erst gesehen, dass Kimis Auto da war, als es den Schlag schon gegeben hatte", gab Vettel zu. Ein eindeutiges Schuldeingeständnis kam ihm jedoch nicht über die Lippen. Anders Verstappen: "Ich denke nicht, dass es ein Rennunfall war. Die Schuldfrage muss man den beiden Ferraris stellen." Letztendlich hörte die Rennleitung das Trio nach dem Fallen der Zielflagge an und entschied, entgegen Verstappens Ansichten, auf einen Rennunfall. Ein Urteil, das laut dem Verstappen-Lager vor allem Vettel vor dem vorzeitigen Ende seiner WM-Träume bewahren soll.

Warum gab es keinen Safety-Car-Start?

Der Regen am Rennsonntag in Singapur brachte allerlei Brisanz mit sich. Ein Straßenkurs bei Nacht, auf dem obendrein noch nie im Nassen gefahren wurde: Das hätte in den Augen der Rennleitung im vergangenen Jahr noch regelrecht nach einem Start hinter dem Safety Car stehen. Statt dem üblichen Lamentieren und den Start-Verschiebungen der jüngeren Vergangenheit war davon dieses Mal jedoch keine Spur. Das Rennen wurde ohne großartige Diskussionen ganz normal gestartet.

Die Gründe dafür liegen im Reglement. Nach den fragwürdigen Safety-Car-Starts und Entscheidungs-Farcen, welche die Formel 1 2016 in Monaco und Silverstone in ein schlechtes Licht rückten, setzte die FIA am Regelbuch an. Regenrennen sollten ab 2017 stets stehend gestartet werden. Bei äußerst widrigen Bedingungen sind Besichtigungsrunden hinter dem Safety Car vorgesehen, bevor die Piloten dann in ihren Startboxen Aufstellung nehmen. In Singapur war es das erste Mal soweit und die Rennleitung hielt Wort.

Verstappen war beim Startunfall mit den Ferraris machtlos, Foto: LAT Images
Verstappen war beim Startunfall mit den Ferraris machtlos, Foto: LAT Images

Warum musste das Safety Car dreimal auf die Strecke?

Die Wahrscheinlichkeit eines Safety-Car-Einsatzes in Singapur war bereits vor Rennbeginn extrem hoch. In den neun Rennen zuvor kam das von Bernd Mayländer pilotierte Gefährt immer zum Einsatz. Und auch das zehnjährige Jubiläum bildete da keine Ausnahme. Bereits das Chaos kurz nach dem Start erforderte das Safety Car. Nach einer kurzen Ruhephase kam es in Runde elf zur nächsten Neutralisation. Daniil Kvyat hatte seinen Boliden in die Streckenbegrenzung gesetzt.

Schlussendlich sorgte Marcus Ericsson in Runde 36 für den nächsten Safety-Car-Einsatz. Der Sauber-Pilot drehte sich auf der Anderson Bridge, schlug ein und musste geborgen werden. Diese Bergung zog sich aber eine ganze Weile hin, da das Safety Car das Feld erst zusammenführen musste und die Sicherheit der Streckenposten sonst nicht gewährleistet werden konnte. Diese drei Safety-Car-Phasen hatten dann auch zur Folge, dass das Rennen nicht über die eigentliche Distanz von 61 Runden ging, sondern Lewis Hamilton aufgrund der Zwei-Stunden-Regel bereits drei Runden früher abgewunken wurde.

Warum war Hamilton plötzlich so schnell?

Apropos Hamilton: Der Brite zeigte eine fantastische Leistung an der Spitze und brachte den auf dem Silbertablett präsentierten Sieg nach Hause. Wie aber konnte er Daniel Ricciardo überhaupt hinter sich halten? Das gesamte Wochenende überzeugte Red Bull mit toller Pace, Mercedes kämpfte mit ihren typischen Singapur-Problemen. Im Rennen war davon aber nichts zu sehen. Hamilton fuhr dem Australier spielend davon, selbst auf deutlich älteren Intermediates.

Die Gründe für diese Auferstehung konnte man bei den Silberpfeilen selbst nicht so ganz verstehen. "Daniel ist eine Messlatte, in Singapur, im Red Bull. Und wir konnten ihm davonfahren, unter allen Bedingungen und auf verschiedenen Reifen. Das müssen wir analysieren und verstehen", rätselte Motorsportchef Toto Wolff ob des starken Auftritts. Ein Faktor waren aber wohl die veränderten klimatischen Bedingungen. Kurz vor dem Rennen regnete es, die Strecke bot weniger Grip und war auch kühler. Die Folge: Auch die Reifentemperaturen waren niedriger.

"Wir hatten sie heute immer unter Kontrolle", merkte Wolff an. "Gestern war es heißer, und um das Beste aus einer Runde herauszuholen, musste man sie in einem höheren Bereich fahren", erklärte er. Der Renn- und der Wettergott trugen also wohl beide ein silbernes Hemd.

Was bedeutet das Rennergebnis für die WM-Wertung?

Der Sieg Hamiltons sowie der dritte Platz von Valtteri Bottas verschafften Mercedes in beiden WM-Wertungen einen großen Vorteil. Hamilton distanzierte Sebastian Vettel in der Fahrer-WM nun auf 28 Punkte, so groß war der Vorsprung eines WM-Führenden in dieser Saison überhaupt noch nicht. Bei Mercedes mahnt man jedoch zur Vorsicht, stehen doch noch sechs Rennen auf dem Programm, bei denen 150 Punkte zu ergattern sind.

"Sechs verbleibende Rennen bedeuten auch, dass es sechsmal gegen uns laufen kann, auf ähnliche Art und Weise wie mit Ferrari heute", sagte Toto Wolff. "Deshalb muss man sich auf jedes einzelne Rennen konzentrieren und versuchen, das Resultat zu optimieren", so Wolff weiter. In der Konstrukteurs-WM scheint alles auf eine zeitnahe Vorentscheidung hinauszulaufen. Der Vorsprung von Mercedes auf Ferrari bewegt sich mit 102 Zählern erstmals im dreistelligen Bereich. Zu vergeben sind noch 258 Punkte.

Hamilton hat in der WM dank seinem Singapur-Sieg einen komfortablen Vorsprung auf Vettel, Foto: LAT Images
Hamilton hat in der WM dank seinem Singapur-Sieg einen komfortablen Vorsprung auf Vettel, Foto: LAT Images

Was hatten Carlos Sainz, Jolyon Palmer und Stoffel Vandoorne zu feiern?

Neben dem "echten" Sieger Lewis Hamilton gab es auch einige "gefühlte" Sieger. Carlos Sainz, Jolyon Palmer und Stoffel Vandoorne hießen diese mit Namen. Denn alle drei sicherten sich ihr jeweils bestes Ergebnis ihrer bisherigen Formel-1-Karriere. Sainz verpasste als Vierter das Podium um wenige Sekunden. Seine besten Ergebnisse waren bislang drei sechste Plätze. Jolyon Palmer erhöhte seine bisherige Punkteausbeute gleich um den Faktor acht, Rang sechs in Singapur sei Dank.

Und auch Stoffel Vandoorne fand erstmals in seiner noch jungen Formel-1-Karriere den Einzug in die Einstelligkeit des Endergebnisses. Nach zweimal Rang zehn (Bahrain 2016, Ungarn 2017) bedeutet Rang sieben für den Belgier ebenfalls sein bislang mit Abstand bestes Ergebnis in der Königsklasse.

Wieso war Fernando Alonso der große Pechvogel?

Singapur 2017 hatte zweifelsohne mehr als einen Verlierer. Zu den größten Pechvögeln zählte einmal mehr Fernando Alonso. Der Spanier und sein McLaren-Team hatten sich für das Rennen auf dem Straßenkurs einiges vorgenommen, ist das winklige Layout doch wie gemacht für das Chassis des MCL32. Im Qualifying sorgten Alonso und Teamkollege Stoffel Vandoorne mit den Plätzen acht und neun für die perfekten Voraussetzungen, um in Singapur in die Punkte zu fahren. Der Regen am Sonntag glich einem Geschenk.

Alonso legte einen Raketenstart hin und war eingangs Kurve 1 drauf und dran, Platz drei von Verstappen zu übernehmen - als er von diesem und Räikkönen aus der Bahn geworfen wurde. Der 36-Jährige konnte sein Rennen zunächst fortsetzen, in Runde acht war jedoch Feierabend. Die Schäden am Auto waren zu groß. "Wir hatten solch hohe Hoffnungen für dieses Rennen und unter nassen Bedingungen sind wir sogar noch stärker. Die Enttäuschung ist angesichts dessen einfach noch größer", trauerte Alonso der entgangenen Chance nach.

Welchen Rekord stellte Nico Hülkenberg auf?

Eher nicht zum Feiern zumute dürfte Nico Hülkenberg sein. Lange schien auch er auf dem Weg zu sein, sein bestes Karriere-Ergebnis zumindest einzustellen. Sogar das Podium war eine Zeitlang in Reichweite. Doch am Ende stand nur Frust beim Deutschen. Ein technisches Problem warf ihn beim Boxenstopp erst von Rang vier auf Rang zehn zurück, wenig später musste er das Rennen ganz aufgeben.

Doch auch Rang vier hätte Hülkenberg nicht vor einem unschönen Rekord "gerettet". Mit 129 Rennen in der Formel 1 ohne Podium führt er diese Statistik nun an, er verdrängte Adrian Sutil mit 128 Rennen auf Platz zwei. Nach einem Rennen wie in Singapur, das sich nahtlos in seine unglückliche Serie einreihte, stellt man sich schon die Frage, wann es tatsächlich endlich klappen soll mit dem Sprung auf das Podest.