Seine Rückkehr ist mit vielen Hoffnungen verbunden. Ross Brawn soll das schwankende Ruder der Formel 1 wieder auf Kurs bringen. Der Sportdirektor des neuen Formel-1-Besitzers Liberty Media gilt als absoluter Experte auf seinem Gebiet und genießt weiterhin hohes Ansehen im Fahrerlager. Wird mit dem früheren Superhirn von Michael Schumacher alles besser in der Königsklasse? In den vergangenen Monaten war er als Berater für Liberty tätig, jetzt hält er selbst das sportliche Steuer in der Hand.

Die klare Ansage von Chase Carey, dem neuen Chef der Formel 1, an Brawn: Er soll die Action auf der Rennstrecke verbessern und den Sport wieder zum Spektakel machen. Brawn wird sich bei den kommenden Testfahrten im Februar ein eigenes Bild der aktuellen Situation machen - vor allem im Hinblick auf das neue Reglement. Bei seinem Amtsantritt teilte der Weltmeister-Teamchef bereits einige seiner Visionen für die langfristige Zukunft mit.

1. - Action auf der Rennstrecke

In diesem Punkt wurde Brawn mehr als deutlich: Die aktuelle Formel 1 ist ihm zu kompliziert. Er, der seit mehr als 40 Jahren Motorsport betreibt, sagte: "Ich denke, dass Verständlichkeit ein wichtiges Ziel für die Zukunft ist. Ich habe die Formel 1 in den vergangenen Jahren als Zuschauer verfolgt. Zeitweise war nicht einmal ich sicher, was gerade im Rennen passiert."

Unter Brawn soll die F1 zu purerem Racing zurückkehren. Ein ambitioniertes Vorhaben, das in der Vergangenheit nicht selten an Interessenkonflikten zwischen den Teams und auch Reifenlieferant Pirelli grandios scheiterte. Gelingt es Brawn, alle Beteiligten unter einen Hut zu bekommen? "Wir wissen, was die Fans wollen: Sie wollen Unterhaltung, enges Racing und verstehen, was abgeht. Ich denke, dass jeder damit übereinstimmt."

Übereinstimmung: ja. Aber: Der Weg dorthin könnte ein beschwerlicher werden für Brawn. Seine Rennaction-Vision ist als langfristiges Projekt angedacht - und es wird höchstwahrscheinlich auch eine ganze Weile dauern. "Wir wollen, dass ein Rennen eine größtmögliche Show bietet", erklärte der 62-Jährige. "Wenn du am Wochenende zu einem Rennen gehst, sollst du von Anfang bis Ende unterhalten werden."

Da will die FIA natürlich auch ein Wörtchen mitreden. In einer kürzlich versendeten Pressemitteilung schrieb der Weltverband deutlich, die Regeln auch künftig im Sinne des Sports handhaben zu wollen. Gut für Brawn: Seit gemeinsamen Zeiten bei Ferrari pflegt er ein gutes Verhältnis zu FIA-Boss Jean Todt. Das könnte sich jetzt als wichtiger Schlüssel herausstellen, nachdem es zwischen Todt und Ecclestone immer wieder geknallt hatte.

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2. - Technik der Zukunft

DRS: Über Brawns Rückkehr könnten sich vor allem die Puristen des Sports freuen. Künstliche Überholhilfen sind überhaupt nicht das Ding des Technikgenies. Die Zeiten des verstellbaren Heckflügels könnten sich bald dem Ende nähern. "Wir müssen sicherstellen, dass es keine künstlichen Lösungen gibt", sagte Brawn mit Blick auf das DRS. "Jeder weiß, dass das künstlich ist. Wir müssen purere Lösungen finden."

Power Units: Als die Hybrid-Ära 2014 Einzug hielt in der Formel 1, hatte sich Mercedes gerade von Brawn getrennt. Jetzt ist er zurück - der Anfang vom Ende der komplizierten Power Units? Bernie Ecclestone war stets ein großer Gegner der neuen Technik gewesen und wollte zu den alten Motoren zurückkehren. Soweit ging Brawn erst einmal nicht, wollte aber das Gespräch mit den Teams suchen.

Brawn: "Die Teams haben sehr hohe Summen in diese Motoren investiert. Man kann sie nicht einfach wegwerfen und sagen: 'Wir ändern jetzt die Motoren'. Aber wie kommen wir von dem, wo wir heute stehen, hin zu dem, wo wir in zwei oder drei Jahren stehen wollen - und das mit einem tollen Renn-Motor, den jeder mag und genießt?"

Sicherheit: Die Sicherheit bleibt eines der entscheidenden Themen in der Formel 1. Aktuell steht eine Einführung des Halo-Systems oder Ähnlichem zur Debatte. Um dieses Thema wird sich nun auch Brawn kümmern müssen. Hier muss er sich erst einmal mit Boss Chase Carey auf eine Linie einigen. Der US-Amerikaner: "Wir müssen den Sport so sicher wie möglich machen, ohne ihn zu schwächen."

Willkommen zurück in der Formel 1, Ross Brawn, Foto: Mercedes AMG
Willkommen zurück in der Formel 1, Ross Brawn, Foto: Mercedes AMG

3. - Bessere Chancen für kleine Teams

Brawns Vision seiner Formel 1 der Zukunft: Chancengleichheit durch das gesamte Feld hindurch. Als Beispiel führte er das Fußball-Märchen von Leicester City an, die in der Premier League vom absoluten Nobody zum Meister avancierten. "Es wäre ideal in der F1, wenn ein gutes Team in einem tollen Jahr mit einem großartigen Fahrer eine Herausforderung stellen könnte", sagte Brawn. "Aber im Moment ist das nicht möglich."

Der Weg dorthin sei laut Brawn, den Einfluss von Technologie und Entwicklung einzugrenzen, damit auch kleine Teams eine Chance gegen die Hersteller haben. Künftig sollten mehr Teams Siegchancen haben, hoffte Brawn - und brachte die Kostenobergrenze wieder ins Spiel. "Das wurde noch nie ausprobiert", sagte er über den Budget Cap. "Er wurde nie in der Formel 1 aufgenommen. Wir sollten das zumindest wieder besprechen und schauen, ob da ein Potenzial besteht."

Brawns Idee mag gut klingen, lässt sich aber in der Realität wohl kaum durchsetzen. Schon Max Mosley scheiterte einst mit diesem Vorhaben, immer stellten sich die großen Hersteller quer. Ob unter Liberty Media wirklich ein Umdenken einsetzt? Realistisch wäre eine solche Lösung vor dem Jahr 2021 wegen der laufenden Verträge ohnehin nicht.

Ross Brawn steht ab sofort voll im Rampenlicht, Foto: Sutton
Ross Brawn steht ab sofort voll im Rampenlicht, Foto: Sutton

4. - Mehr Chancen für Talente

In der Formel 1 sind die Startplätze nicht nur unheimlich teuer, sondern obendrein arg begrenzt. Seit Jahren tun sich Talente extrem schwer, den Einstieg zu schaffen. Serien wie die GP2 dienen schon lange nicht mehr als sicheres Sprungbrett in die Königsklasse. Immerhin sind die Teams inzwischen verpflichtet, Rookies bei bestimmten Testfahrten einzusetzen. Darüber hinaus hat sich allerdings nicht viel verändert. Innovativer Einwand von Brawn: eine Art System wie in den amerikanischen Sportarten NBA.

"Man könnte ein Draft-System einführen, in dem die Sieger aus GP2 oder Formel 2 den kleineren Teams während der ersten ein oder zwei Jahre in der F1 zur Verfügung stehen", philosophierte Brawn, der sich mehr Talentförderung wünschte. Wie dieses Vorhaben finanziert werden soll - kleine Teams sind seit Jahren auf Pay-Driver angewiesen - ließ Brawn bislang offen.

5. - Traditions-Rennstrecken als Fundament

Unter Bernie Ecclestone mussten traditionelle Strecken wie Monza oder der Nürburgring um ihr Dasein fürchten - nicht immer ging es gut aus, siehe Eifel-Debakel. Brawn dürfte in diesem Bereich nur über ein gewisses Mitspracherecht verfügen, setzte sich aber für den Erhalt der Klassiker ein. Der Kern der Formel 1 sei die Tradition, argumentierte Brawn auch hinsichtlich des schwankenden Rennens in Silverstone.

"Viele der neuen Strecken sind sehr spannend und bringen ihr eigenes Element in die Formel 1 ein. Aber sie sind dabei, weil sie Teil der Show sein wollen, die Monaco, Silverstone, Monza, Hockenheim oder den Nürburgring beinhaltet." Brawn verstand den finanziellen Druck der einzelnen Veranstalter. Es gelte nun, jede dieser Strecken genau zu untersuchen und eine Lösung zu finden.