Am Ende überstrahlten Mercedes-Crash und Sensationssieg von Max Verstappen beim Spanien GP in Barcelona alles. Doch lieferte das gesamte Rennen selbst den Zuschauern ein echtes Spektakel. Hauptverantwortlich dafür: ein irre spannender Schlagabtausch der Strategie-Abteilungen Ferraris und Red Bulls und zwei erstklassige Duelle. Youngster Verstappen vs. Goldie-Oldie Räikkönen, Mecker-Vettel vs. Wut-Ricciardo.

Am Ende ging Verstappen als verdienter, aber auch glücklicher Sieger aus dem strategischen Ringen auf hohem Niveau hervor. Entsprechend ist der jüngste Sieger der F1-Geschichte auch als einziger wirklich 100 Prozent zufrieden. Vor allem bei seinem Teamkollegen sieht das komplett anders aus. Bis zur 28. Runde hatte Daniel Ricciardo den Spanien GP mehr oder weniger souverän angeführt. Dann schlug für den Australier das Strategie-Pech gnadenlos zu.

Beim ersten Reigen der Boxenstopps war sich das Top-Quartett noch einig: Beide Ferrari und beide Red Bull kamen zwischen den Umläufen 11 und 15 zum ersten Service, wechselten von Soft auf Medium. An der Reihenfolge änderte sich nichts.

Die zweite Runde läutete dann jedoch Ricciardo schon in jener Runde 28 ein, was Ferrari mit Vettel prompt im nächsten Umlauf konterte. Allerdings stoppte Vettel in Runde 37 gleich noch einmal. Ein Undercut gegen Ricciardo, der funktionierte. Red Bull beorderte den Australier zu seinem dritten Stopp erst in Runde 43, jetzt saß ihm Vettel vor der Nase. Das sollte sich nicht mehr ändern.

Kimi Räikkönen und Max Verstappen waren für ihre Teamkollegen unerreichbar, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen und Max Verstappen waren für ihre Teamkollegen unerreichbar, Foto: Sutton

Zweistopper Verstappen/Räikkönen unbezwingbar

Ein Problem, das allerdings erst zu einem richtig großen heranwuchs, weil Kimi Räikkönen und Max Verstappen sich jenen dritten Halt komplett sparten, auf Zwei-Stopps switchten. Für Ricciardo im Nachhinein ein Gräuel. "In dem Moment dachte ich, dass wir es machen, weil es jeder macht, aber das haben sie nicht", sagt Ricciardo.

Für die Entscheidung seiner Strategen hat der Australier daher kein Verständnis. Genauer gesagt: Ricciardo ist stinksauer. "Wenn du in der Gruppe fährst, kannst du drei Stopps versuchen. Aber in Führung liegend drei Stopps zu machen und dich so selbst hinter andere Autos auf der Strecke zu bringen, die schwer zu überholen sind, macht nicht viel Sinn", poltert Ricciardo. Noch dazu wisse man um das eigene Topspeed-Defizit und den überholfeindlichen Circuit de Barcelona-Catalunya.

Ricciardo freut sich für Verstappen, trauert aber dem selbst verpassten Sieg hinterher, Foto: Sutton
Ricciardo freut sich für Verstappen, trauert aber dem selbst verpassten Sieg hinterher, Foto: Sutton

Ricciardo stinksauer auf seine Strategie

"Wir haben das Rennen von vorne kontrolliert. Wir waren nicht so schnell, wie ich es mir gewünscht hätte, aber dich selbst nach hinten zu spülen ist echt hart zu akzeptieren", klagt er. "Es ist frustrierend, weil wir einfach so den Sieg weggeworfen haben!" Er hätte am Ende ja nicht nur Vettel, sondern auch noch Räikkönen und Verstappen überholen müssen, um zu gewinnen.

Ein absichtliches Opfer seitens Red Bull, um Verstappen zum Sieg zu verhelfen, meinte schon manch einer unter vorgehaltener Hand. Soweit geht Ricciardo jedoch nicht. "Es ist passiert, was passiert ist", sagt er. Aber: "Der Führende sollte normalerweise die bessere Strategie bekommen. Drei Stopps waren nicht gut. Wir sind darauf gewechselt und auch noch zu spät, sodass uns Seb schon überholt hat. Ich bin nicht einmal mehr auf dem Podium! Max da zu sehen fällt mir leicht, aber dass ich nicht auf dem Podium bin, ist die größte Enttäuschung heute."

Red Bull zeigt Verständnis für Ricciardos Ärger, rechfertigt allerdings den Strategie-Split, Foto: Sutton
Red Bull zeigt Verständnis für Ricciardos Ärger, rechfertigt allerdings den Strategie-Split, Foto: Sutton

Red Bull zwischen Verständis und Verteidigung

Doch wie reagiert Red Bull auf solche Schimpftiraden? Mit Verständnis. "Es ist verständlich, dass er frustriert ist. Aber wenn man das im Rennen betrachtet und nicht weiß, ob der Zweistopp bis zum Ende so komfortabel ist ... da haben wir gesagt, lieber Dreistopp und am Ende bessere Reifen. Leider hatte er am Ende einen Reifenschaden, sonst hätte er an Seb noch vorbeigekonnt. Es tut mir Leid für ihn, aber seine Zeit kommt noch", sagt Teamchef Christian Horner.

Für Ricciardo ein schwaches Argument "Selbst ohne den Plattfuß wäre ich nicht aufs Podium gekommen", klagt der Honeybadger. Dabei sei Vettel sogar langsamer gewesen. Tatsächlich hatte Ricciardo sogar versucht, den Ferrari zu überholen. Doch das ging in einem engen Manöver in Kurve eins schief, Vettel musste sogar aufmachen, um eine Kollision zu vermeiden.

Mit der Attacke von Ricciardo war Vettel nicht so recht einverstanden, Foto: Sutton
Mit der Attacke von Ricciardo war Vettel nicht so recht einverstanden, Foto: Sutton

Vettel-Fluchen am Funk: "Typisch", sagt Ricciardo

"Was ist das, Racing oder Ping Pong", fluchte Vettel am Boxenfunk. "Typisch", raunzt Ricciardo nach dem Rennen zurück. "Seb sagte offenbar im Funk, ich sei zu aggressiv gewesen. Aber wenn ich weiß, dass ich auf die Autos vor mir aufhole und Seb dem Podium und einem möglichen Sieg im Weg steht, dann versuche ich es natürlich", stellt er klar. "Ich bin nahe rangefahren und hätte es fast geschafft."

Nach dem Rennen ist das Thema für Vettel sowieso erledigt. So etwas funke man eben in der Hitze des Gefechts. "Er sollte ja keine Strafe bekommen! Wir sind hier, um Rennen zu fahren", stimmt Vettel Ricciardo am Ende sogar zu. "Mit ein paar Runden Abstand und so wie es jetzt ausgegangen ist, muss ich sagen, vielleicht hätte ich es genauso probiert. Wir sind beide erfahren genug. Wenn der andere mitspielt, dann geht es gut aus", sagt Vettel. Grenzwertig sei das Manöver dennoch gewesen. "Wenn ich da nicht mitspiele, dann knallts", sagt der Ferrari-Star. "Und ich glaube, er weiss im Nachhinein auch, dass es sehr optimistisch war."

Vettels Meinung zu seiner Strategie in einem Bild, Foto: Sutton
Vettels Meinung zu seiner Strategie in einem Bild, Foto: Sutton

Vettel klagt ebenfalls über Dreistopp-Strategie

Nur ein Thema, bei dem sich Vettel Ricciardo zumindest annähert. Ganz auf einer Linie liegt der Deutsche mit seinem ehemaligen Teamkollegen jedoch in puncto Strategie. Zwar wütet Vettel nicht gegen seine Ferrari-Strategen, hält die gewählte Taktik jedoch ebenfalls für grundfalsch. Klar, man sei nachher immer schlauer, dennoch sei es ein Fehler gewesen, drei Mal zu stoppen.

"Wir haben alles versucht, aber wir waren überrascht, wie überlegen der Zweistopper war. Man konnte es bei Daniel und mir sehen, dass der Dreistopper nicht besser war. Im Nachhinein haben wir uns für den falschen Weg entschieden", stellt Vettel fest. Dabei hatte das Rennen durch den Mercedes-Crash so gut begonnen. "Unser Hauptziel war es dann, am Führenden vorbeizukommen, was wir im ersten Moment auch geschafft haben", kommentiert Vettel den erfolgreichen Undercut gegen Ricciardo.

Der Stand 20 Runden vor Rennende:
1. Verstappen (12 Runden alte Mediums)
2. Räikkönen (+1 Sek., 10 Runden alte Mediums)
3. Vettel (+8 Sek., 8 Runden alte Mediums)
4. Ricciardo (+13 Sek., 2 Runden alte Mediums)

Keine Chance mehr gegen Räikkönen und Verstappen

"Aber dann war es mit dem Strategieumschwung, den wir so nicht erwartet haben, nach den ersten Runden nach dem letzten Boxenstopp doch schnell relativ klar, dass der Unterschied mit ein bisschen frischeren Reifen nicht so groß war, um da jetzt wirklich ranzufahren und noch zwei Autos zu überholen", schildert Vettel seinen missglückten Versuch Teamkollege Räikkönen einzuholen.

Wenig hilfreich sei dabei auch der Medium-Reifen gewesen, mit dem Ferrari einfach weniger gut zurecht kam. "Auf dem Soft waren wir eine halbe Sekunde schneller als Red Bull, mit Medium vielleicht nur gleichauf", meint Vettel.

Trotzdem: Im Gefecht des Rennens habe Ferrari kaum eine Wahl gehabt, als die Strategien zu splitten. "Wir mussten es versuchen. Denn es war klar, dass es für die beiden Autos vorne leicht ist, zu splitten wenn zwei andere von hinten angreifen. Wir haben uns dann realtiv früh für die Drei-Stopp-Strategie entschieden und versucht die beiden Autos auf unserer Seite zu splitten. Wir haben uns dann für drei Stopps entschieden, um Daniel zu schlagen. Das hat funktionert", sagt Vettel.

"Aber am Ende hätten wir zwei nehmen sollen. Ich glaube, man hat gesehen, dass am Ende der Zwei-Stopp schneller war. Nachher ist man immer schlauer, aber natürlich fuchst es einen, wenn es sich dann nicht ausgeht. Es ist ein Bisschen schade, denn wenn der Sieg irgendwie schon auf dem Tablett zu sehen ist und man ihn an doch nicht greifen kann, geht einem ein Bisschen was ab. Aber alles in allem war es ein gutes Rennen, ein gutes Ergebnis fürs Team", sagt Vettel.

Räikkönen: Dirty Air und Rutsch-Mediums verderben Sieg

Unterstützung erhalten Vettel und Ferrari von Christian Danner. "Du konntest es nicht vorhersehen. Du hast nicht gewusst, was besser ist. Die haben strategisch ein A-Paket und ein B-Paket gehabt. Beide Teams hatten einen Fahrer auf der einen Strategie und den anderen auf der anderen Strategie. Zwei oder drei Stopps. Deswegen passt das schon", sagt Danner zu Motorsport-Magazin.com.. Das Beste an der Geschichte: "Ich dachte, wir schlafen ein. Aber wir sind doch nicht eingeschlafen!"

Letzteres ist noch mehr als dem Duell Vettel/Ricciardo aber der 20 Runden langen Windschattenschlacht des Dreistopper-Duos Räikkönen/Verstappen um den Sieg geschuldet. Runde um Runde saugte sich der Iceman auf der langen Start-Ziel-Gearden an, vorbei führte der Weg jedoch nie. Ein Problem, das auch Räikkönen unter anderem auf den für Ferrari heiklen Medium zurückführt.

"Ich war schnell unterwegs, konnte Max locker einholen, aber ich kam einfach nicht nah genug ran. In der schmutzigen Luft habe ich immer wieder viel Abtrieb verloren. Auch für die Reifen war das nicht gut. Ich bin dann nie gut aus der letzten Kurve gekommen, wo sie stark waren. Ich bin da nur gerutscht. Ich habe es immer wieder probiert, aber es hat einfach nicht gereicht", hadert Räikkönen.

Kimi Räikkönen kann sich über den zweiten WM-Rang freuen, wenn schon nicht über den Sieg, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen kann sich über den zweiten WM-Rang freuen, wenn schon nicht über den Sieg, Foto: Sutton

Räikkönen jetzt erster Rosberg-Jäger

"Ich habe alles gegeben, aber so ist der Rennsport", sagt Räikkönen - enttäuscht, den ersten Sieg seiner zweiten Ferrari-Ära verpasst zu haben. "So nah dran gewesen zu sein macht es umso enttäuschender." Dennoch sieht auch der Finne das Positive. "Gestern haben wir aber gut gemacht - Zweiter und Dritter. Es es sind wichtige Punkte", sagt der neue WM-Zweite.