Gerüchte hatten sich seit Jahresbeginn gehalten, so richtig glaubte im MotoGP-Paddock aber niemand daran. Erst Mitte Juni verdichteten sich die Anzeichen, ehe am Trainingsfreitag zur Dutch TT tatsächlich Vollzug vermeldet wurde: Pramac Racing verlässt Ducati mit Saisonende 2024 nach stolzen 21 gemeinsamen Jahren und wird stattdessen das neue Kundenteam von Yamaha.
Damit geht zum Jahreswechsel die erfolgreichste MotoGP-Partnerschaft eines Teams und Herstellers zu Ende. Denn nach vielen Jahren im Mittelmaß entwickelte sich Pramac mit der Werksunterstützung von Ducati speziell in den fünf zurückliegenden Saisons zu einem echten Topteam: Seit 2019 gelangen 51 Podestplätze, seit 2021 außerdem 21 Pole Positions, acht Grand-Prix-Siege und 13 Sprinterfolge. Einzig die ehemalige Kombination aus Gresini Racing und Honda kommt in ähnliche Sphären.
Pramac & Ducati: Erfolgreichste MotoGP-Partnerschaft zerbricht
Zudem gelang Pramac im Vorjahr als erstem Privatteam der Gewinn einer MotoGP-Weltmeisterschaft, der Rennstall setzte sich dank der Leistungen von Jorge Martin und Johann Zarco im Team-Wettbewerb durch. Und auch 2024 ist wieder WM-Geschichte möglich, denn Martin könnte sich noch zum ersten Privat-Fahrerweltmeister der MotoGP-Ära krönen. Nach dem Aragon Grand Prix liegt der gebürtige Madrilene in der Fahrer-WM 23 Punkte vor Titelverteidiger Francesco Bagnaia.
Umso überraschender daher, dass Pramac Racing seinen Status als Ducati-Kundenteam 'Nummer 1' zur neuen Saison freiwillig aufgibt, um stattdessen zum kriselnden Hersteller aus Iwata zu wechseln. Derzeit belegt Yamaha nämlich nur Rang vier in der Hersteller-Wertung und sammelte lediglich 62 Punkte, während Ducati bereits 426 Zähler einfuhr. Außerdem hatte Teammanager Gino Borsoi rund um den Italien Grand Prix in Mugello längst verlauten lassen, dass sein Rennstall auch 2025 wieder mit zwei Werks-Ducatis unterwegs sein würde. Eine Aussage, die sich wenige Wochen später jedoch als falsch herausstellen sollte.
Pramac-Boss: Ducati-Entscheidung pro Marc Marquez nicht geteilt
Die große Frage lautete nun natürlich, warum sich Pramac doch noch gegen einen Verbleib bei Ducati entschied. Es gibt wohl mehrere Gründe: Zum einen dürfte sich der Wechsel zu Yamaha finanziell lohnen, zum anderen hätte Pramac 2025 bei Ducati wohl ohne Topfahrer auskommen müssen. Denn Marc Marquez wurde bekanntlich entgegen ursprünglicher Planungen in das Werksteam befördert, woraufhin Martin und Enea Bastianini ihren Abschied vom italienischen Hersteller verkündeten.
Der wohl entscheidende Grund war jedoch ein anderer: Die grundsätzliche Entscheidung Ducatis pro Marquez und contra Martin. Das verriet Teambesitzer Paolo Campinoti im Gespräch mit 'MotoGP.com': "Wir glauben fest an Yamahas Projekt und ihre Rückkehr an die Spitze. Wir sind aber auch zum Entschluss gekommen, dass unsere Zeit bei Ducati abgelaufen war. Sie haben ein paar Entscheidungen getroffen, die wir nicht geteilt haben, denen wir nicht zugestimmt haben. Wir waren das Juniorteam von Ducati. Unser Traum und unsere Mission war es, junge Fahrer in das rote Team zu bringen. Das ist uns mehrfach gelungen, aber dieses Jahr hat man uns übergangen."
Pramac hatte neben wichtiger Test- und Entwicklungsarbeit seit 2013 auch die Ausbildung junger Talente für Ducati übernommen. Andrea Iannone, Danilo Petrucci, Jack Miller und Francesco Bagnaia gelang so der Sprung in das Werksteam. Als zur neuen Saison ein neuer Teamkollege für Letzteren gesucht wurde, wäre Jorge Martin aufgrund seiner starken Leistungen in den vergangenen 12 Monaten der logische Anwärter gewesen, doch Ducati entschied sich für MotoGP-Superstar Marquez - und verletzte damit den Pramac-Rennstall und Teamgründer Campinoti zutiefst.
Paolo Campinoti stichelt: Jorge Martin die bessere Wahl
"Wir glauben, dass Martin die bessere Wahl gewesen wäre. Wir haben erkannt, dass dieser Strategiewechsel [von Ducati, Anm.] nicht mehr zu uns passt", unterstreicht dieser und macht keinen Hehl daraus, dass die Ducati-Verpflichtung Marquez' entscheidend war: "Das war einer der Trigger. Unser Ziel war es immer, junge Fahrer nach oben zu bringen und wenn du dabei scheiterst oder nicht mehr wertgeschätzt wird, was du tust, dann ist das nicht mehr der richtige Weg. Wir haben gesehen, dass es ein anderes Projekt gibt, wo sie unsere Ambitionen teilen und uns deshalb dazu entschieden, zu wechseln."
Könnt ihr Paolo Campinoti verstehen? Sagt uns eure Meinung zum Pramac-Abschied von Ducati in den Kommentaren! Mit Valentino Rossi übte zuletzt auch eine echte MotoGP-Legende Kritik an Ducati für die Verpflichtung von Marc Marquez. Was der Italiener zu sagen hatte, erfahrt ihr hier:
diese MotoGP Nachricht