Honda steckt in seiner größten MotoGP-Krise seit Einführung der neuen Königklasse im Jahr 2002. Das Werk aus Hamamatsu hat die meisten Fahrertitel (10) und Rennsiege (163) in der Königsklasse eingefahren. Einzig der ewige landesinterne Konkurrent Yamaha (8 Titel & 118 Siege) kommt den Erfolgszahlen Hondas einigermaßen nahe. Die japanische Dominanz ist allerdings mittlerweile gebrochen. Die besten MotoGP-Motorräder werden aktuell in Europa, insbesondere bei Ducati, gebaut. Währenddessen befinden ist die einstigen Dominatoren von Honda am Tiefpunkt.
2022 konnte selbst OP-Rückkehrer und Superstar Marc Marquez Honda nicht vor der Sieglosigkeit bewahren. Eine Pole-Position im Regen und ein Zweiter Platz waren die Highlights. Die anderen Honda-Fahrer fuhren, absehen von Pol Espargaros Podestplatz beim Saisonauftakt in Katar, zumeist unter ferner liefen. Es ist klar: Bei Honda muss sich etwas tun. Auf Fahrerseite wurde aus dem Suzuki-Ausstieg Kapital geschlagen und Joan Mir, Weltmeister von 2020, für HRC sowie Alex Rins für LCR verpflichtet. Der Hund liegt bei Honda aber im technischen Paket begraben, denn mit Marquez war zumindest ein Spitzenfahrer schon vorhanden.
Honda tauscht Crewchiefs firmenintern durch
Um dem eigenen Team Beine zu machen, hat es bei Honda nun eine gewaltige Personalrochade gegeben. Diese erklärte Teammanager Alberto Puig in einem Interview bei Autosport: "Wir haben umstrukturiert, angefangen mit dem Testteam, zu dem Ramon Aurin stößt, der viel Erfahrung mit der RCV hat und die Geschichte des Motorrads kennt. Ramon ist seit langem im Rennsport tätig und seine Erfahrung wird für das Testteam von grundlegender Bedeutung sein." Aurin war zuvor der Crewchief von Pol Espargaro gewesen. Dieser hat Honda jedoch in Richtung GASGAS verlassen. Nun wird er also für Testfahrer Stefan Bradl die Verantwortung tragen.
Den Posten des Testchefs hatte vorher Klaus Nohles inne, der nun der technische Leiter am Bike von LCR-Pilot Takaaki Nakagami wird. Auf die Position des Crewchiefs von Neuzugang Joan Mir beruft HRC einen alten Bekannten: Giacomo Guidotti. Der Italiener war vorher bei Nakagami, doch arbeitete er in der Vergangenheit auch schon mit Dani Pedrosa im Werksteam zusammen. Damit ändert sich also nur auf der Garagenseite von Marc Marquez weder Fahrer noch Personal.
Ehemaliger Suzuki-Technikchef soll Honda nach vorne bringen
Richtig interessant wird es aber eine Stufe weiter oben auf der Personalleiter, wie Puig berichtet: "HRC hat Ken Kawauchi als technischen Leiter verpflichtet, um den Rückzug von Suzuki aus der Weltmeisterschaft zu nutzen." Damit wird Kawauchi also wieder mit Joan Mir und Alex Rins vereint, mit denen er 2020 beide Titel geholt hatte. Suzuki war trotz des bereits feststehenden Ausstiegs aus der Königsklasse bis zuletzt deutlich konkurrenzfähiger als Honda gewesen, was zwei Siege in den letzten drei Rennen der Saison 2022 eindrucksvoll unter Beweis stellten.
Wo ein Neuzugang kommt, muss ein anderer weichen. Auch diesen Vorgang erklärte Puig: "Ken wird Takeo Yokoyama ersetzen, der seinerseits für die Ausbildung unserer jungen Ingenieure in Japan verantwortlich sein wird, damit sie zu gegebener Zeit für Europa bereit sind - sowohl auf technischer als auch auf menschlicher Ebene. Takeo ist ein wichtiger Teil von HRC, und seine neue Position wird entscheidend für die Zukunft des Unternehmens im Rennsport sein." Im Vorjahr hatte unter anderem Ex-Pilot Pol Espargaro die mangelnde firmeninterne Zusammenarbeit zwischen Japan und Europa bemängelt. Diese war auch durch die Pandemie-Situation deutlich erschwert worden.
Puig wollte jedoch auch klarstellen, dass Yokohama nicht versetzt wurde, um Platz für Kawauchi zu schaffen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall gewesen: "Es gibt eine Reihe von Umständen, die zusammengekommen sind. Erst einmal brauchen wir eine Person in Japan, die die Ingenieure von Honda betreut, die zwar viel Potenzial, aber keine Erfahrung haben. Und dafür wurde Takeo ausgewählt, der logischerweise ersetzt werden musste. Ken ist die Antwort auf diese Frage. Aber wir erwarten nicht, dass er alle Probleme des Motorrads alleine lösen kann."
Der Teammanager gibt dabei auch offen zu, dass der Suzuki-Ausstieg nicht nur beim Fahrerpersonal der entscheidende Faktor war: "Die Tatsache, dass Suzuki beschlossen hat, sich aus der Weltmeisterschaft zurückzuziehen, hat wahrscheinlich Kens Entscheidung beeinflusst, bei Honda zu unterschreiben. Er ist ein leidenschaftlicher Racer. Wenn Suzuki weiter Rennen gefahren wäre, wäre er wahrscheinlich auch nicht gewechselt."
Puig mit Ansage: Honda wird wieder konkurrenzfähig
Der 56-Jährige stellte die Fans darauf ein, noch etwas Geduld haben zu müssen, und ließ aber gleichzeitig keinen Zweifel am Engagement von Honda in der Königsklasse: "Für uns ist klar, dass wir das Motorrad verbessern müssen. Der Valencia-Test verlief nicht so, wie wir es erwartet hatten. Aber gleichzeitig sage ich auch, dass Honda weder aufhört noch aufgibt. Es wird mehr oder weniger Zeit brauchen, aber wir werden ein konkurrenzfähiges Motorrad finden."
Trotz dieser Kampfansage wird es technisch mit dem 2023er Bike erstmal keine Revolution geben: "Die Veränderung wird nicht so radikal sein, aber es stimmt, dass wir uns in mehreren Bereichen verbessern müssen, nicht nur in einem. Auf jeden Fall war das letztjährige Modell auch nicht so anders. Es war ein wenig anders in Bezug auf Geometrie und Verteilung, aber es war immer eine Honda RCV, mit der gleichen Motorkonfiguration."
Und wenn die Entwicklungsabteilung in Japan ein paar Neuheiten an den Start bring, an wessen Bike werden diese zuerst geschraubt? Es gibt ein klares Prinzip: "Im Rennsport werden die Prioritäten durch die Ergebnisse und den Tabellenstand gesetzt. Die Philosophie von Honda sieht vor, dass alle Fahrer das gleiche Material erhalten. Eine andere Sache ist, dass es nicht genug Zeit gibt, um die Teile zu produzieren, und in diesem Fall werden die neuen Komponenten an den Fahrer in Führung gegeben." Der führende Honda-Fahrer in der Weltmeisterschaft hieß bis zuletzt immer Marc Marquez.
diese MotoGP Nachricht